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Der belgische Schäferhund "Whisky" ist im Dienst des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei Frankfurt am Main (Hessen).

© Boris Roessler/dpa

Wegen bundesweiter Tierschutz-Verordnung: Berliner Polizei setzt Schutzhunde nicht mehr ein – Brandenburg schon

Seit Jahresbeginn gilt eine neue Tierschutz-Hundeverordnung. Sie untersagt das Training mit schmerzhaften Halsbändern. Gilt das auch für Sicherheitsbehörden?

Sie heißen Bandit, Sissy oder Frodo: Die Schutzhunde der Berliner Polizei haben vorerst nichts mehr zu tun. Grund ist eine zum Jahreswechsel in Kraft getretene Änderung der bundesweit geltenden Tierschutz-Hundeverordnung. Bis „zu einer grundsätzlichen Klärung“ dürfen die Hunde „nicht mehr angefordert und eingesetzt werden“, heißt es in einer internen Meldung vom 30. Dezember.

Der Tagesspiegel hatte bereits am Montagabend exklusiv darüber berichtet, seither wird der Fall deutschlandweit thematisiert. Doch entgegen anders lautender Berichte wird das Problem nicht überall so streng gesehen wie in Berlin.

Ein Sprecher der Berliner Polizei sagte dem Tagesspiegel, dass es um Zughalsbänder geht. Bei der Ausbildung der Hunde dienen sie dazu, die Tiere darauf zu trainieren, den Biss zu lösen, wenn sie einen Verdächtigen gefasst haben. So können Angriffe des Hundes schnell beendet werden, etwa wenn ein Hund einen Verdächtigen beißt, um ihn festzuhalten. Die Zughalsbänder können den Tieren kurzzeitig die Luft abschnüren.

Die neue Verordnung verbietet es nun, „bei der Ausbildung, bei der Erziehung oder beim Training von Hunden Stachelhalsbänder oder andere für die Hunde schmerzhafte Mittel zu verwenden“. Nur eine gewaltfreie Erziehung sei zeitgemäß, hieß es zur Begründung für die Novellierung.

Brandenburg ordnet an: Verordnung für Diensthunde nicht anwenden

Mit Stand Juli 2021 waren 86 Hunde bei der Polizei im Dienst – neben Spürhunden für Drogen, Personen, Leichen und Sprengstoff auch 49 Schutzhunde. Hunde „aus dem Bereich der Spezialdienste“ sowie die Spürhunde sind nicht vom Einsatzverbot betroffen.

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Die Brandenburger Polizei sieht im Gegensatz zur Polizei in Berlin keinen Grund für derlei Vorgehen. Die Verordnung treffe für die Diensthunde der Polizei Brandenburg nicht zu, sagte ein Sprecher. Zudem würde ausgebildetes Personal stets nur die mildeste Trainingsmethode wählen, die könnte aber im Zweifelsfall auch das besagte Zughalsband sein.

In Brandenburg hat das Innenministerium eigens per Erlass angeordnet, dass das Tierschutz-Hundeverordnung nicht für die Diensthunde der Polizei anzuwenden ist. Aus Sicht der Brandenburger Behörden ist alles rechtssicher geregelt. Solch klare Haltung hätte man sich auch in der Berliner Polizei von der Senatsinnenverwaltung gewünscht.

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Auch ein Malinois. Dieser Hund war im Dienst der Brandenburger Polizei.
Auch ein Malinois. Dieser Hund war im Dienst der Brandenburger Polizei.

© Peter Endig/dpa

Die Berliner Polizei hatte bereits Wochen vor Inkrafttreten der neuen Verordnung bei der Senatsinnenverwaltung um Klärung gebeten - doch nichts geschah. In Berlin sind die Behörden also sehenden Auges in diese Problemlage geraten. Geprüft werde nun aber auch, ob andere Trainingsmethoden möglich seien, hieß es.

Bundespolizei sieht Klärungsbedarf

Auch bei der Bundespolizei ist von einem Klärungsbedarf die Rede. Es geht dem Vernehmen nach auch um mögliche Ausnahmeregeln, die die Innnen- und Justizministerien auf Landes- und Bundesebene beraten müssten. Niedersachsen will über den Bundesrat eine Klarstellung herbeiführen.

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Möglicherweise hatte innerhalb der Bundesregierung das zuständige Agrarressort bei der Novelle der Verordnung aber gar keinen Bedarf gesehen, die Innenministerien näher einzubinden. Eine Lesart lautet, dass offenbar niemand überhaupt die Schutzhunde der Sicherheitsbehörden betroffen sah.

Beamte des hessischen Spezialeinsatzkommandos (SEK) demonstrieren eine Festnahme mithilfe ihres Zugriffhundes.
Beamte des hessischen Spezialeinsatzkommandos (SEK) demonstrieren eine Festnahme mithilfe ihres Zugriffhundes.

© Arne Dedert/dpa

Beim Zoll jedenfalls sind die Schutzhunde weiter im Einsatz, wie eine Sprecherin sagte. Für sie würden anderen Methoden als das besagte Zughalsband genutzt. Welche genau, blieb zunächst aber unklar. Auch die Bundeswehr setzt Schutzhunde ein.

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Sicherheitsexperten halten die Debatte für überzogen: Denn die Hunde müssen es auch aushalten, wenn Gefasste auf sie einschlagen. Zudem müssen sie sofort reagieren, wenn der Hundeführer ihnen Befehle gibt. Auf derlei Einsätze müssen die Hunde vorbereitet sein.

Der Malinois "Pege vom Further Moor" bei der Weltmeisterschaft der Belgischen Schäferhunde 2017 in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt).
Der Malinois "Pege vom Further Moor" bei der Weltmeisterschaft der Belgischen Schäferhunde 2017 in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt).

© Jan Woitas/dpa

Der Berliner Landesvizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Kelm, kritisierte, die neue Verordnung habe fatale Auswirkungen auf die Innere Sicherheit. "Wir sind absolut offen für innovative Trainingsmethoden, in denen auf Schmerzen verzichtet werden kann", sagte Kalm. Es gebe aber aktuell keine Alternativen.

Polizeihunde und ihre kuriosen Geschichten

Schutzhunde, in der Regel Schäferhund-Arten, werden etwa bei Razzien oder Demonstrationen eingesetzt, wenn die Polizei aggressive oder gefährliche Situationen erwartet. Auch die Spezialeinsatzkommandos (SEK) haben solche Hunde, die Verdächtige verfolgen oder Angreifer stoppen können.

Die Zugriffshunde des SEK sind Sondereinsatzhunde und werden beim Vorgehen gegen Schwerstkriminelle genutzt – und wenn für Polizisten oder andere Personen große Gefahr besteht. Sie verbeißen sich in den Täter, dadurch können die Beamten ihn ungehindert festnehmen.

Die Zugriffshunde der Berliner Polizei sind Malinois, eine eigene Zucht von belgischen Schäferhunden. Die Ausbildung der Zugriffshunde ist eine der aufwendigsten bei der Polizei.

Während die Grundausbildung für Schutzhunde oder Spürhunde für Drogen, Sprengstoff, Leichen und Brandmittel um die 50 Tage dauert, sind es bei den Zugriffshunden 100 Arbeitstage. Bei Personenspürhunden sind es sogar mehr als zwei Jahre.

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