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Die Wohnungsbaupolitik in Wien könnte ein Vorbild auch für Berlin sein, findet der SPD-Politiker Klaus Mindrup. So auch die Sozialwohnungen im Wiener Sonnwendviertel.

© Luiza Puiu

Wege aus der Berliner Immobilienkrise: Von Wien lernen, heißt Wohnen bezahlbar machen

Österreichs Hauptstadt baut sozialverträglich – Genossenschaften haben daran großen Anteil. Das könnte ein Vorbild für Berlin sein. Ein Gastbeitrag.

Bezahlbare Mieten und ausreichend Wohnraum sind die drängendsten sozialen Themen unserer Zeit. In Berlin allein fehlen, Schätzungen der Hans-Böckler-Stiftung zufolge, über 300 000 bezahlbare Wohnungen. Damit die Lage in einer Stadt mit wachsendem Zuzug nicht weiter eskaliert, müssen wir die zwei wichtigsten Aufgaben entschieden angehen. Erstens: die Sicherung der Bestandsmieten. Und zweitens: den Neubau von bezahlbaren Wohnungen.

Mit der Änderung des Mietrechts können die Kosten von Modernisierungen nur noch stark begrenzt auf die Miete umgelegt werden. Wir haben die Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent gesenkt. Gleichzeitig haben wir festgelegt, dass die Mieten nach einer Modernisierung in sechs Jahren um maximal drei Euro pro Quadratmeter steigen dürfen. Lag die Miete zuvor bei unter sieben Euro, darf diese sogar nur um zwei Euro angehoben werden. Außerdem gilt „soziale Härte“ – die Miete darf nach einer Modernisierung nicht über 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens steigen.

Der Mietendeckel soll Druck vom Wohnungsmarkt nehmen

Mit dem Beschluss zum Mietendeckel hat die Berliner SPD ein Instrument auf den Weg gebracht, das Druck vom Mietmarkt nimmt. Der zeitlich begrenzte Deckel verschafft einen Puffer, um das Kernproblem in unserer Stadt zu bewältigen: den Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen. Lösen können wir dieses nur durch kommunalen und genossenschaftlichen Neubau.

Um den Neubau bezahlbarer Wohnungen voranzutreiben, hat der Bundestag beschlossen, dass die Länder auch nach 2021 noch Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau vom Bund erhalten. Darüber hinaus haben wir die Liegenschaftspolitik der bundeseigenen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) entscheidend verändert: Kommunen haben für alle von der Bima zu veräußernden Grundstücke ein Erstzugriffsrecht. Dadurch können bundeseigene Grundstücke als Bauland an städtische Wohnungsgesellschaften und auch Genossenschaften weitergegeben werden.

Bisher wurde in Berlin oft beklagt, der Bund liefere nicht. Die Zeit für diese Ausrede ist nun vorbei. Wir müssen uns überlegen: Wollen wir werden wie London, Paris oder New York? Dort ist bezahlbarer Wohnraum aus der Stadtmitte verschwunden. Selbst Durchschnittsverdiener wurden an die Ränder dieser Städte gedrängt, sie pendeln teils mehrere Stunden am Tag zur Arbeit und zurück.

Oder soll Berlin nicht lieber werden wie Wien? Österreichs Hauptstadt ist laut Studien die lebenswerteste und günstigste Stadt Europas. 60 Prozent der Mieter leben dort in städtischen Wohnungen, Genossenschaften und anderen gemeinnützigen Wohnungen. Das Leben in der Stadt ist bezahlbar, bunt und sozial gemischt. Wien wächst, genau wie Berlin. Vor allem Genossenschaften haben dort in den letzten Jahren massiv neu gebaut. Mit Hilfe von Förderungen haben in der österreichischen Hauptstadt allein die gemeinnützigen Bauvereinigungen 23.000 neue Wohnungen zwischen 2011 und 2016 gebaut, private Firmen haben Schätzungen zufolge noch einmal so viele Wohnungen errichtet.

In Wien wohnen 60 Prozent der Mieter in städtischen Wohnungen

In Berlin dagegen bauten private, genossenschaftliche und kommunale Firmen alle zusammen im selben Zeitraum gerade mal 28 000 Wohnungen, obwohl die Stadt stärker wächst und fast doppelt so viele Menschen hier leben wie in Wien. Das Kunststück in Wien besteht darin, kontinuierlich zu fördern, zu bauen und bauen zu lassen, weil dadurch die große Zahl Sozialwohnungen auch am gesamten Wohnungsbestand erhalten bleibt – und das hält die Mieten in der Stadt an der Donau in allen Bezirken bezahlbar bis niedrig. Ganz anders ist die Lage in Berlin. In den 1990er und 2000er Jahren wurde der skandalöse Fehler begangen, fast 200.000 Wohnungen zu einem absurd niedrigen Preis an private Immobilienfirmen zu verkaufen, darunter auch die GSW, die heute Teil der Deutschen Wohnen ist. Dieses „Verscherbeln“ von städtischen Wohnungen war keineswegs alternativlos. Genossenschaften waren bereit und wären in der Lage gewesen, einen Teil der angebotenen Immobilien zu übernehmen.

Klaus Mindrup ist Berliner SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugenossenschaft "Bremer Höhe eG"
Klaus Mindrup ist Berliner SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugenossenschaft "Bremer Höhe eG"

© Thomas Imo/photothek

Ein Beispiel ist das damalige Angebot unserer Mietergenossenschaft „Bremer Höhe eG“. Neben unseren Wohnungen an der Torstraße bot eine städtische Wohnungsbaugesellschaft Bestände an, von uns „kleine Bremer Höhe“ genannt. Leider wurden wir dabei nicht unterstützt, im Gegenteil. Im Jahr 2003 wurde das erst drei Jahre zuvor eingeführte Förderprogramm für neue Genossenschaften gestoppt. Die Folge war unter anderem der Verkauf der „kleinen Bremer Höhe“ an ein privates Immobilienunternehmen. Das entmietete die Wohnungen über einen Zeitraum von zehn Jahren zunächst und verkaufte diese dann mit hohem Spekulationsgewinn weiter. Der jetzige Eigentümer saniert die denkmalgeschützte Anlage wenigstens. Aber er hat die Miethäuser zerstückelt und verkauft nun die einzelnen Eigentumswohnungen. Der preiswerte Wohnraum ist an dieser Stelle für alle Zeit vernichtet.

Das Land Berlin und Baugenossenschaften müssen besser kooperieren als bisher

Deshalb müssen wir die geschaffenen neuen Möglichkeiten des Erstzugriffs bei bundeseigenen Grundstücken nutzen, um damit den genossenschaftlichen und den städtischen Wohnungsbau zu stärken. Bei Nachverdichtungen von Stadtquartieren sollte besonderer Wert auf den Bau von barrierefreien Wohnungen für Bestandsmieter gelegt werden, damit Seniorinnen und Senioren weiter in ihren vertrauten Kiezen leben können.

Noch gibt es große Schwierigkeiten in der Kooperation von Berlin und baubereiten Genossenschaften. Wenn wir die Mietpreisentwicklung in Berlin in den Griff bekommen wollen, können wir uns diese bewusste Behinderung von Genossenschaften nicht erlauben. Die Genossenschaften zeigen teilweise seit über 100 Jahren, welchen Beitrag sie für unser Gemeinwesen leisten.

Lernen wir also von Wien: Fangen wir an, in ausreichender Zahl bezahlbare Wohnungen zu bauen. Wir dürfen das Menschenrecht auf Wohnen nicht einfach einem Markt überlassen, der für soziale Belange blind ist. Lasst uns neue genossenschaftliche Stadtteile bauen! In Berlin und im Umland!

Klaus Mindrup ist Berliner SPD-Abgeordneter und seit 2002 Mitglied im Aufsichtsrat der Wohnungsbaugenossenschaft "Bemer Höhe eG".

Klaus Mindrup

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