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Der neue Präsident der IHK: Sebastian Stietzel (42), Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft Marktflagge und bisher Vorsitzender des Kompetenzzentrums Mittelstand der IHK.

© Marktflagge

Update

Wechsel bei der Industrie- und Handelskammer: Sebastian Stietzel ist neuer Präsident der Berliner IHK

Der 42-jährige Unternehmer hat sich gegen Sprachzentrums-Gründerin Barbara Jaeschke durchgesetzt. Stietzel setzt die Politik seines Vorgängers fort.

Am Ende war das Ergebnis deutlicher als von vielen in der Berliner Wirtschaft erwartet: Sebastian Stietzel, Inhaber zweier Beteiligungsgesellschaften, ist am Dienstagabend von der Mehrheit der Delegierten der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zum neuen Präsidenten gewählt worden. Der 42-jährige bisherige Vize-Präsident setzte sich bei der Abstimmung im Ludwig Erhard Haus in Charlottenburg gegen die 67 Jahre alte Gegenkandidatin Barbara Jaeschke durch.

Die Gründerin des GLS Sprachenzentrums Berlin in Prenzlauer Berg wäre die zweite Frau in diesem Spitzen-Ehrenamt in der Geschichte der Berliner Kammer gewesen – nach TV-Produzentin Beatrice Kramm, die das Ehrenamt im vergangenen Jahr aufgegeben hatte. Es wurden 92 gültige Stimmen abgegeben. 62 Stimmen davon gab es für Stietzel, 27 für Jaeschke, drei Enthaltungen.

Stietzel folgt auf den bisherigen Präsidenten Daniel-Jan Girl (41), der nur neun Monate im Amt war. Girl hatte bei der Wahl in der Vollversammlung im Mai, an der sich alle Berliner Unternehmer beteiligen durften, nur 235 Stimmen erhalten. Um wieder einen Sitz im Kammerparlament oder und später im Präsidium zu erhalten, hätte er fast doppelt so viele Stimmen benötigt. In seiner Liste landete er abgeschlagen auf dem vorletzten Platz.

Das hatte viele Beobachter überrascht: Weder stand Girl in der Kritik, noch war er so blass geblieben, dass man sein Namen oder Gesicht auf dem Wahlschein nicht erkannt hätte. Manche Insider der Kammer vertreten die These, Girl habe sich „zu stark“ für Kandidaturen anderer Personen, speziell von Frauen, eingesetzt – und darüber „vergessen“, auch für sich Wahlkampf zu machen. Mancher können fälschlich angenommen haben, Girl sei ja frisch im Amt und müsse nicht erst neu gewählt werden.

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Alles denkbar, änderte aber nichts am Ergebnis: Girl musste aufhören. Ideen, mit denen er sich profiliert hatte, könnten nun versanden – darunter der Vorschlag, den er in einem Gastbeitrag für die Tagesspiegel-Serie „75 Visionen für Berlin“ skizziert hatte: Berlin möge sich um die Ausrichtung einer Weltausstellung „Expo“ im Jahr 2035 bewerben. Girl wünschte seinem Nachfolger „Mut, Kreativität, Ausdauer und von ganzem Herzen viel Erfolg“.

Stietzel gründete sein erstes Unternehmen mit 16 Jahren

Sebastian Stietzel wurde 1980 in Neustrelitz geboren. In der Mittelstadt in der Mecklenburgischen Seenplatte hatte er im Alter von nur 16 Jahren sein erstes Unternehmen gegründet, den Computerservice Neustrelitz. Er lebt seit 1999 in Berlin, mittlerweile in Prenzlauer Berg gemeinsam mit seiner Frau, seinem neunjährigen Sohn „und meiner Katze Putzi“, wie er dem Tagesspiegel für einen Steckbrief verriet.

Seine bereits erwachsene Tochter studiere in Köln. Er sei Unternehmer geworden, „weil es mich fasziniert, Dinge proaktiv zu gestalten, und ich als ehrbarer Kaufmann Verantwortung für andere und mich selbst übernehmen wollte“, sagte er da.

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Der Diplomkaufmann ist Gründer und Geschäftsführer der Mittelstandsbeteiligungsgesellschaften Marktflagge und German Future Ventures, er hatte bei der IHK-Wahl auf der Liste 11 (Banken, Versicherungen, Finanzdienstleistungen) kandidiert.

Als Stellvertreterinnen hatte Stietzel Lana Wittig, Geschäftsführerin des Medienunternehmens Edition F, vorgeschlagen und Sonja Jost, Mitgründerin des Chemie-Start-ups Dexlechem. Auch Robert Rückel vom Deutschen Spionagemuseum solle ihn im Präsidium vertreten.

„Ich danke der Vollversammlung für ihr Vertrauen und meiner Mitbewerberin für den fairen Wahlkampf“, sagte Stietzel nach der Wahl. „Ich freue mich darauf, gemeinsam mit einem starken Präsidiumsteam die Berliner Wirtschaft vertreten zu dürfen und den Erneuerungskurs der IHK fortsetzen zu können.“

Stietzels Kandidatur motivierte Jaeschke zur Gegenkandidatur

Stietzel ist seit Jahren gut vernetzt in der Kammer, war zuletzt Girls Vize und leitete das IHK-Kompetenzzentrum Mittelstand. Er hatte Girls Unterstützung. Kritiker hatten Stietzel im Wahlkampf aber Intransparenz bei seinen privaten Geschäften vorgeworfen. Auch sei Stietzel mit fünf Mitarbeitenden – davon nur zwei sozialversicherungspflichtig beschäftigt – kaum geeignet, große Arbeitgeber der Stadt angemessen zu vertreten, hieß es.

Stietzel bemühte sich, Transparenz zu schaffen und präsentierte sich als legitimer Nachfolger Girls. Stietzels Kandidatur hatte zugleich Barbara Jaeschke, deren Firma 160 Personen beschäftigt und 30 Millionen Euro im Jahr umsetzt, zur Gegenkandidatur motiviert. Hätte Girl weitermachen können, wäre sie nicht angetreten, sagte sie.

Glückwünsche von Giffey

Nach der Wahl präsentierte Kammer-Hauptgeschäftsführer Jan Eder den neuen Präsidenten beim anschließenden IHK-Sommerfest, zu dem 2000 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Medien ins Ludwig Erhard Haus geladen worden waren, darunter die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

Sie beglückwünschte Stietzel zur Wahl und sagte, die IHK sei wichtiger ein Partner für die Berliner Landesregierung. „Wenn man hier steht und sieht, welche Ideen hier in der Berliner Wirtschaft gestaltet werden, das ist großartig zu sehen. Die IHK ist der Ort, wo alles zusammenkommt.“

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Als Motivation an alle Gäste in ökonomisch zunehmend schwierigen Zeiten zitierte Giffey – wie schon beim Sommerfest der Berliner Sparkasse vor anderthalb Wochen – Ernest Hemingway: „Kein Pferd, das Trübsal heißt, hat je ein Rennen gewonnen“.

Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD), der selbst viele Jahre Präsident der befreundeten Handwerkskammer war, sagte zu Stietzel: „Lieber Daniel, wir kennen uns schon 15 Jahre oder mehr: Jeder, der ihn kennt, weiß seine Energie zu schätzen.“

Und in Richtung Daniel-Jan Girl sagte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK: „Was Du in neun Monaten geschafft hast, schaffen andere nicht in neun Jahren.“ Er schenkte ihm ein Büchlein mit Texten von Mitarbeitenden. Titel: „Mit Enthusiasmus für die Berliner Wirtschaft!“ Ein Foto noch, dann tauchten Girl, Giffey und Stietzel ins Getümmel.

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