zum Hauptinhalt
Muss immer mit dabei sein. Der Teddy wird zum treuen Begleiter. Also bloß nicht verlieren.

© Patrick Pleul/picture alliance / dpa

Was macht die Familie?: Wenn auf einmal der Teddy weg ist

Eltern werden mit der Zeit zu Alltagsphilosophen. Jüngste Erkenntnis unseres Autors: Wie Glück durch Verlust entsteht. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Friedhard Teuffel

Ich will uns Eltern nicht besser machen als wir sind, aber im Laufe der Jahre werden wir alle zu Philosophen. Ob wir wollen oder nicht. Uns fliegen die Weisheiten an manchen Tagen nur so zu. Das Besondere an der Elternphilosophie ist jedenfalls, dass sie nie im Kopf entsteht, nicht durch konzentriertes Nachdenken, sondern immer durch Erfahrungen. Meine jüngste philosophische Erkenntnis lautet: Gewinn durch Verlust ist höher als kein Gewinn durch keinen Verlust. Klar soweit? Also ich versuche es mal mit einem Beispiel.

Es fing mit Lauflernschuhen an. Den ersten richtigen Schuhen für meinen jüngeren Sohn. Die sollten natürlich gut sein und durften ruhig ein bisschen was kosten, für mich als Überzeugungsläufer bestand daran kein Zweifel. Die Schuhe, oder eher Schühchen, sahen großartig aus und es konnte losgehen zu einem Ausflug in den Grunewald. Auf dem Rückweg schob ich den Kinderwagen an der Havel entlang, wuchtete ihn neben einer Treppe zur Heerstraße hoch und stieg dort in den Bus. Kurz vor dem Savignyplatz dann der Schock: Ein Schuh fehlte. Verloren! Nagelneu! Ein kleines Vermögen – einfach verschollen in den Tiefen des Grunewalds! In mir mischte sich ein hoch emotionales Gebräu aus Wut, Verzweiflung, Ärger, Genervtheit und Frust zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein!

Gestärkt mit einem Trostkaffee machte ich mich auf den Weg zurück. Das Gefühlsgebräu war inzwischen siedend heiß. Neben der untersten Treppenstufe Richtung Havel lag im Gras tatsächlich – der kleine, blaue Schuh. Das fühlte sich blitzartig so an, als hätte ich nach 0:2-Satzrückstand gerade das Finale von Wimbledon gewonnen. Einfach sensationell! Ich schwebte mit dem Kinderwagen wieder hoch zur Heerstraße beflügelt, beschwipst, beseelt von unfassbar viel Glück. Meine Jubelgesänge werden später sicher zur frühkindlichen Prägung meines kleinen Sohnes gehören. Der Tag hätte ohne verlorenen Schuh niemals so schön werden können.

Gefunden im Supermarkt

Ähnlich erging es uns mal mit einem Teddy. Das heißt, nicht mit irgendeinem, sondern mit dem Teddy, dem Lieblingskuscheltier unseres kleineren Sohnes, dem einzigen, zu dem er ein wirkliches Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte. Es gibt da bei Kindern ganz eindeutige Zuneigungsranglisten, und manchmal haben diese Ranglisten auch nur einen Platz.

Von einer Einkaufstour kehrte Teddy nicht zurück, wie wir zuhause feststellten. Wir gingen alle Stationen nochmal durch, suchten Wege ab, schauten unter alle Autositze. Was blieb noch übrig? Ein Anruf im Supermarkt, in dem wir eingekauft hatten. „Guten Tag, entschuldigen Sie bitte, haben Sie zufällig einen kleinen Teddy mit Knopf im Ohr gefunden?“ Antwort in schroffer Herzlichkeit: „Der schaut mich gerade an.“ Da war es wieder, das besondere Glücksgefühl, zusätzlich gestärkt durch grenzenlose Erleichterung, durch ein Sich-in-Luft-Auflösen sämtlicher Vorwürfe.

Das ist nun ein paar Tage her, und, was soll ich sagen, Teddy ist gerade wieder einmal weg, und diesmal wissen wir noch nicht einmal, wann und wo wir ihn zuletzt gesehen haben. Finder könnten also noch einmal meine Philosophie bestätigen, die mit dem Gewinn durch Verlust. Sonst wartet auf mich eine andere, hoffentlich nicht zu bittere Erkenntnis.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false