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Wohin geht die Reise? Das will die Berliner CDU-Fraktion an diesem Wochenende auf ihrer Klausurtagung besprechen.

© F. Boillot/Imago

Was braucht die CDU in Berlin?: Weniger Personalfragen und mehr Pragmatismus

Die Christdemokraten sollten vor allem herausfinden, was die Menschen in und für Berlin wichtig finden. Ein Kommentar zur CDU-Klausurtagung am Wochenende.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Der Vorschlag hat eine Menge Empörungspotenzial: Die Berliner CDU will Kinder mit deutlichen Sprachdefiziten in „Sommercamps“ nachbeschulen. So steht es in einem Papier, das die größte Berliner Oppositionspartei an diesem Wochenende in ihrer Klausurtagung in Thüringen diskutieren will.

Deutsch statt Freizeit, Berlin oder Brandenburg statt ein paar Wochen Urlaub, staatliche Betreuer statt der Eltern: Das klingt nach einer Art Zwang, die nah herankommt an das immer mal wieder bedrohlich geäußerte „Kinder-aus-der-Familie-nehmen“, wenn Papa sein Geld als Clan-Chef und die Zukunft seiner Kinder nicht vom Berliner Bildungssystem abhängig macht.

Tatsächlich hat der Autor des CDU-Papiers, der fleißige Abgeordnete Christian Gräff, in dem 32-Seiten-Text bloß die politischen Schlüsse aus vielen Gesprächen mit Leuten gezogen, die die Stadt zum Beispiel wirtschaftlich voranbringen wollen. Das ist kaum schon ein richtungspolitischer Schwenk nach „rechts“. „Rechts“ an der Sprachschul-Idee ist allenfalls der Ansatz, dass Politik und Staat Druck ausüben können – und vielleicht sogar müssen, wenn Eltern versagen.

Oder ist es etwas anderes als elterliches Versagen, Kindern die Möglichkeiten zu beschneiden, sich frei zu entwickeln und selbst zu entscheiden, was sie als Erwachsene mit ihrem Leben anfangen wollen?

Die SPD hat in dem Bundesland, in dem Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres geboren ist, in Nordrhein-Westfalen, ganze Wahlkämpfe mit dem Thema Bildung bestritten. In Berlin können die Sozialdemokraten allenfalls mit dem werben, was in der Stadt alles gratis zu haben ist.

In der Verkehrspolitik muss sich die CDU runderneuern

Die Berliner CDU versucht mit dem Papier, den jüngsten Rückfall in die lange Zeit der Personalquerelen um den Chefposten hinter sich zu lassen. Vielleicht lohnt auf dem Weg auch ein Streit darüber, ob es sinnvoll ist, jedem Kind ein Tablet in die Hand zu drücken. Ganz sicher kann Berlin eine Opposition gebrauchen, die vormacht, dass Berliner Politik nicht so alternativlos ist, wie es unter Rot-Rot-Grün oft aussieht.

Gewiss, man könnte sich damit abfinden, dass die Berliner Schulen in sämtlichen Rankings verlässlich schlecht abschneiden. Man könnte sich damit abfinden, dass in Berlin besonders viele junge Leute ihre Ausbildung abbrechen. Man könnte hinnehmen, dass seit vielen, vielen Jahren Ausbilder und Organisationen wie die Industrie- und Handelskammer über den Nicht-Wissensstand der Schulabgänger klagen.

Zeigt Alternativen für Berlin auf: der CDU-Politiker Christian Gräff.
Zeigt Alternativen für Berlin auf: der CDU-Politiker Christian Gräff.

© promo

Man könnte dann, wie es in der rot-rot-grünen Koalition üblich ist, auf die vielfältige Bevölkerungsmischung, deren „Buntheit“ und deren ebenso vielfältige Vorstellung vom Berufs- und Erwerbsleben schwärmen. Man könnte diesen Blick auf ein sich jährlich wiederholendes Schülerversagen und das begleitende Scheeres’sche Schulterzucken allerdings auch zynisch finden.

Gräffs pragmatisches Erkunden dessen, was Menschen in und für Berlin wichtig finden, könnte der CDU auch auf anderen Politikfeldern weiterhelfen. In der Sicherheitspolitik hat der SPD-Innensenator erkannt, was die Leute erwarten; da kann die Opposition allerdings einen Keil zwischen ihn und Linke, Grüne und linke Sozialdemokraten treiben.

Wichtiger wäre eine Runderneuerung der CDU etwa in der Verkehrspolitik. Viele Autofahrer haben längst verstanden, dass die autogerechte Stadt der Vergangenheit angehört. Auf Alternativen kommt es an.

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