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Alt, teuer, unsicher: Die Probleme mit der IT in der Justizverwaltung werden nun in einer Sondersitzung behandelt.

© dpa

"Warten Sie nicht länger!": IT-Experten warnten schon 2016 vor Uralt-Programmen in der Berliner Justiz

30 Jahre alte Programme gefährden die IT-Sicherheit der Berliner Justiz. CDU und FDP fordern eine Sondersitzung des Rechtsausschusses.

Die Sicherheitsrisiken der von tausenden Mitarbeitern an Berliner Gerichten genutzten und völlig veralteten Computerprogrammen sind der Justizverwaltung deutlich länger bekannt, als bislang angenommen.

Darauf lassen Gutachten aus den Jahren 2016 und 2017 schließen, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegen und von denen einzelne als „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft sind. Konkret widmen sich die Gutachten unter anderem dem Programm „Aulak“, das zur Erstellung von Schriftsätzen verwendet wird und in den kommenden Jahren zumindest teilweise abgelöst werden soll.

Bereits 2016 hieß es, das Programm führe „zwingend zum Einsatz von bereits vom Hersteller abgekündigten und nicht länger supporteten Betriebssystem- und Softwareständen als auch zu einer übermäßig komplexen Systemumgebung“. Die Abschottung der „veralteten Aulak-Umgebung“ gegen Attacken bedeute erstens unverhältnismäßig großen Aufwand und belaste außerdem die Systemstabilität insgesamt, hieß es weiter.

"Ablösung dringend empfohlen"

Letzteres war im Vorjahr zu beobachten. Damals gab es mehrere Großstörungen vor allem in der Justiz-IT, die laut Experten des IT-Dienstleistungszentrums Berlin auf Aulak zurückzuführen waren. Die Ablösung des Programms sei zur „nachhaltigen Stabilisierung und Standardisierung der Systemumgebung aus technischer Sicht dringend empfohlen“, hieß es damals.

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Bereits 2017 kam ein dem Tagesspiegel ebenfalls vorliegendes Gutachten zu Aulak zu dem Fazit: „Bitte warten Sie nicht länger! Budgetieren und unterstützen Sie ein umfassendes Transformationsprogramm“.

Berlins Justizsenatorin Lena Kreck verweist auf den Grundgesetz-Artikel 15 als Basis für die Enteignung großer Immobilienunternehmen.
Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) steht vor der ersten Sondersitzung des Rechtsausschusses im Amt.

© picture alliance/dpa

Auf die Frage danach, warum die über Jahre regelmäßig wiederholten Forderungen von Fachleuten ignoriert und an Aulak festgehalten wurde, wird Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) möglicherweise schon bald Antworten finden müssen. Am Montag zeigten sich die rechtspolitischen Sprecher von CDU und FDP, Alexander J. Herrmann und Holger Krestel, entschlossen, eine Sondersitzung des Rechtsausschusses zu beantragen. Der Termin für die Sitzung müsse noch vor der Ende Juni beginnenden Sommerpause gelegt werden, waren sich beide einig.

Verärgert zeigten sich beide darüber, dass Kreck vor anderthalb Wochen im Parlament auf Nachfrage hin eine am Montag vom Tagesspiegel veröffentlichte Risikoanalyse zu alten und neuen in der Justiz verwendeten Computerprogrammen als „Zwischenergebnis“ bezeichnet und den Abgeordneten bis zum vergangenen Mittwoch vorenthalten hatte. Von einem „skandalösen Vorgang“ sprach Herrmann und warf Kreck indirekt vor, dem Parlament die Unwahrheit gesagt zu haben.

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Er selbst habe bereits am 20. Mai Akteneinsicht beantragt, die Anfrage sei bislang ohne Antwort geblieben, erklärte Herrmann weiter. Er will nun sicher feststellen, „wann Frau Kreck diese Unterlage vorgelegen hat“ und bezeichnete den Umgang der Verwaltung mit sensiblen Informationen als „völlig inakzeptabel“.

Kreck, die erst im Dezember 2021 ins Amt kam und dementsprechend wenig Verantwortung für die jahrelangen Versäumnisse ihrer Vorgänger trägt, überließ den Vorgang am Montag ihrer Sprecherin. Die Risikoanalyse schließe als „Zwischenbericht“ an eine forensische Untersuchung nach dem erfolgreichen Hackerangriff auf das Kammergericht an, ein abschließender Bericht werde „Ende Juni beziehungsweise Anfang Juli dieses Jahres erwartet“, erklärte die Sprecherin.

Im Anschluss daran und „nach sorgfältiger Auswertung der Berichte“ sei beabsichtigt, den Rechtsausschuss über das weitere Vorgehen und die bis dahin bereits begleitend getroffenen Maßnahmen zu informieren, hieß es weiter. Kreck selbst sei das Papier am 20. Mai und damit einen Tag nach der erwähnten Plenarsitzung vorgelegt worden. Das Papier selbst trägt das Datum 2. Mai und den Zusatz „final“.

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