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In der Kastanienallee wird durch die erhöhte Führung des Radweges an der „Kap-Haltestelle“ ein typisches Unfallrisiko vermieden.

© imago/Jürgen Ritter

Warnung von Unfallforschern: Haltestellen bergen Gefahren – für alle Verkehrsteilnehmer

Beim Ein- und Aussteigen sind Nutzer von Bus und Bahn besonders bedroht. Unfallforscher haben Vorschläge, um Haltestellen sicherer zu machen.

Öffentliche Verkehrsmittel sind die sicherste Art, von A nach B zu gelangen. Gefahr droht eher an den Haltestellen von Bussen und Bahnen – und zwar nicht nur deren Fahrgästen, sondern auch anderen Verkehrsteilnehmern.

Bei 3294 von der Polizei mit dem Merkmal „Haltestelle“ erfassten Unfällen mit Personenschäden verunglückten im Jahr 2018 bundesweit 4130 Menschen. 94 Prozent dieser Unfälle geschahen innerorts.

Und die reale Zahl dürfte deutlich höher liegen, weil das Stichwort „Haltestelle“ in der Mehrzahl der Polizeiberichte gar nicht auftaucht, wie die Unfallforschung der Versicherer (UdV) festgestellt hat. Haltestellen sind nicht per se unfallträchtig, aber wenn dort etwas passiert, dann mit überdurchschnittlich schweren Folgen.

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Zusammen mit der TU Dresden haben die in Berlin-Mitte ansässigen Fachleute untersucht, welche Gefahren bestehen und wie sie sich verringern lassen. Dafür wurden insgesamt rund 950 Bus- und Straßenbahnhaltestellen in Berlin und fünf weiteren deutschen Großstädten begutachtet sowie teils per Video und mit Tempomessgeräten beobachtet.

Wo die Tram in der Fahrbahnmitte hält, fordern Experten "Zeitinseln" als Standard

Eine klare Antwort darauf, welche Haltestellentypen die sichersten sind, vermögen die Unfallforscher wegen der lückenhaften Polizeistatistik nicht zu geben. Aber sie erkannten typische Probleme. So spielen sich die Konflikte an Bushaltestellen am Fahrbahnrand ausschließlich im Seitenraum ab – und zwar vor allem auf kombinierten Geh- und Radwegen sowie bei unterdimensionierten Wartebereichen.

Abhilfe versprächen großzügiger dimensionierte Radwege. Wo dafür der Platz fehlt, sollte der Radverkehr lieber die Fahrbahn mitbenutzen.

An Tramhaltestellen mit eigenem Bahnsteig in der Straßenmitte sollten entweder Ampeln mit möglichst kurzen Rotphasen für Fußgänger vor und nach Ankunft und Abfahrt der Bahn installiert werden oder aber das Parken am Fahrbahnrand unterbunden werden für freie Sicht.

Wo die Tram in der Fahrbahnmitte hält, aber der Wartebereich sich am Rand befindet, fordern die Experten „Zeitinseln“ als Standard – also eine Ampel, die vor Ankunft einer Bahn die Autos stoppt.

Diese Technik ist auch bei der BVG nicht überall vorhanden. Laut UdV müssen diese Ampeln weithin gut sichtbar sein, um Auffahrunfälle zu vermeiden. Querungshilfen wie Ampeln und Mittelinseln sollten nicht weiter als 20 Meter von der Haltestelle entfernt sein, damit die Fußgänger sie auch tatsächlich benutzen.

Ein gravierendes Problem: sogenannte Kap-Haltestellen

Das gemeinhin als gefährlich verrufene Überqueren der Fahrbahn direkt vor oder hinter einem haltenden Verkehrsmittel wurde dagegen nicht als Risiko identifiziert.

Dass Querungshilfen die Unfallzahlen erhöhen können, zeigt sich an Bushaltestellen: Dort fahren Autos mitunter auf Busse auf, die vor einer grünen Ampel an der Haltestelle stoppen. Abhilfe: Eine bis an die Kreuzung verlängerte Haltebucht rechts der Fahrspur, die zugleich die „Startbedingungen“ des Busses bei der nächsten Grünphase verbessert.

Und noch ein gravierendes Problem erkannten die Forscher: Sogenannte Kap-Haltestellen, bei denen die Tramgleise zwecks Barrierefreiheit nahe an einem besonders hohen Bordstein verlaufen, sind äußerst unfallträchtig: Das Risiko betrifft Radfahrer, die an diesen Stellen stürzen, weil sie in die Schienen geraten oder beim Ausweichen in den Seitenraum straucheln.

Dagegen könnte helfen, den Radstreifen stufenlos anzuheben und vor dem Wartebereich entlang zu führen. Das müsse nur so geschehen, „dass keine Vorfahrt von Radfahrern gegenüber Ein- und Aussteigern suggeriert wird“.

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