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Unsicherheitsfaktor? Der Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums am Wannsee.

© dpa

Wannsee-Reaktor: Umstrittene Forschungsanlage in Berlin wird abgestellt

Wegen der Anlage in Wannsee wurden die BER-Flugrouten geändert - jetzt wird sie früher als ursprünglich geplant abgestellt. Der Abriss soll rund zehn Jahre dauern. Atomkraft-Gegnern geht das nicht schnell genug.

Der umstrittene Forschungsreaktor BER II in Wannsee wird 2020 abgeschaltet. Das teilte der Betreiber, das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB), am Dienstag mit, nachdem der Aufsichtsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hatte. Der Reaktor erzeugt Neutronen, mit denen Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern den inneren Aufbau sowie Eigenschaften von Werkstoffen untersuchen. Unter Forschern gilt er als moderne Anlage für wichtige Versuche, die Betreuung der Experimentatoren durch das HZB-Personal wird gelobt. Die Anlage wird aber auch kritisiert. Manche fürchten, dass im Unglücksfall große Mengen radioaktiver Strahlung freigesetzt werden könnten. Letztlich führte der Reaktor sogar dazu, dass die geplanten BER-Flugrouten über den Wannsee gekippt wurden. Im Januar hatte das Oberverwaltungsgericht diese für rechtswidrig erklärt, weil die Risiken der Routen über den Forschungsreaktor nicht ausreichend überprüft worden seien.

Das Aus kommt überraschend. Noch vor einem Jahr hatte Anke Kaysser-Pyzalla, wissenschaftliche Geschäftsführerin des HZB, erklärt, der Reaktor werde „frühestens Ende des nächsten Jahrzehnts“ stillgelegt. Der neue Stichtag 1. Januar 2020 hänge mit der Förderstruktur der Helmholtz-Gemeinschaft zusammen, erläutert die HZB-Sprecherin Ina Helms. Große Programme werden in einem Fünf-Jahres-Plan festgeschrieben. „Derzeit bereiten wir die Phase 2015 bis 2019 vor, danach soll die Neutronenforschung bei uns beendet werden“, sagt sie.

Ein Grund ist die „Europäische Spallationsquelle“, die im schwedischen Lund gebaut werden soll. Diese Anlage wird in einigen Jahren ebenfalls Neutronen erzeugen – und dazu führen, dass weniger Forscher nach Berlin kommen. „Wir haben Signale aus der Politik bekommen, dass es kein Geld für eine zusätzliche Spallationsquelle in Deutschland geben wird“, sagt Helms. Das HZB wolle sich darum strategisch neu ausrichten und sich mehr auf Photonenforschung konzentrieren, wie sie bereits bei „Bessy II“ in Adlershof betrieben wird. Statt in Materialien hineinzuschauen, können so vor allem die Oberflächenstrukturen von Stoffen erforscht werden. Helms ist zuversichtlich, dass bis 2020 genügend Zeit ist, damit sich die 800 Mitarbeiter am Standort Wannsee auf die neuen Schwerpunkte einstellen können und niemand seinen Job verliert.

Auch der Reaktor wird noch eine Weile bleiben. „Erfahrungen aus anderen Einrichtungen zeigen, dass die Brennstäbe noch rund drei Jahre zum Abklingen im Reaktor bleiben müssen“, sagt Helms. „Anschließend kann der eigentliche Rückbau beginnen, der noch einmal fünf bis acht Jahre dauern wird. Laut Udo Holländer vom Bündnis „Atomreaktor Wannsee dichtmachen“, das seit Jahren das Aus des Reaktors fordert, kommt das Datum 2020 viel zu spät. „Der Reaktor muss sofort abgeschaltet werden.“ Er habe keine Umhüllung und verfüge über keinen Schutz bei Abstürzen.

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