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Fast ein Fünftel der Lichtenberger ist auf Hartz-IV angewiesen.

© imago/Emmanuele Contini

Wahlkreisserie zur Bundestagswahl: Linkes Lichtenberg

Vier Mal hintereinander hat die Sozialistin Gesine Lötzsch das Direktmandat für den Bundestag im Bezirk erlangt – diesmal könnte die AfD ihr Stimmen abnehmen.

Lichtenberg, der Wahlkreis 86, erstreckt sich vom Stasi-Museum bis zum Tierheim. Unter den Einwohnern sind 19,6 Prozent Rentner und 14,3 Prozent Ausländer. Die größte Wählergruppe stellen die 45- bis 59-Jährigen mit 24,3 Prozent. 20,2 Prozent der Wähler sind älter als 70. Frauen sind mit 51,7 Prozent knapp in der Mehrheit. Unter den Wählern haben 6,3 Prozent einen Migrationshintergrund. Einige Bereiche, wie zum Beispiel Hohenschönhausen mit seinen Plattenbauten, gelten traditionell als linke Hochburg. Aber auch die AfD hat hier großes Wählerpotenzial. Viele Bewohner Lichtenbergs fürchten steigende Mieten bei gleichbleibenden Löhnen oder Sozialleistungen. Der Bezirk hat viele Sozialwohnungen. 19,4 Prozent der Einwohner leben von Hartz-IV-Leistungen. Die Linke sammelt daher mit ihrem bundesweiten Wahlversprechen von steigenden Löhnen und fallenden Mieten treffsicher Punkte.

Wahlkreis Lichtenberg. Zur Vergrößerung klicken Sie auf das rote Kreuz.
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© Tsp

Welches Duell wird spannend?

Die Linke ist sich ihres Sieges mit ihrer Direktkandidatin Gesine Lötzsch sehr sicher. Größter Konkurrent von Lötzsch dürfte Martin Pätzold von der CDU sein, der aber auch über die CDU-Liste in den Bundestag gelangen dürfte. Außenseiter, aber durchaus mit Chancen, sind Kevin Hönicke von der SPD und Hannah Neumann für die Grünen. Neben Lötzsch und Neumann von den Spitzenparteien stehen mit den Kandidatinnen für die rechtsradikale NPD (Manuela Tönhardt) und die marxistisch-leninistische MLPD (Dagmar Arnecke) nur noch zwei weitere Frauen zur Wahl.

Gesine Lötzsch (Die Linke) ist siegessicher.
Gesine Lötzsch (Die Linke) ist siegessicher.

© dpa/Sebastian Kahnert

Neumann kämpft nicht nur für Gleichberechtigung, sondern beispielsweise auch für Fahrradwege und gegen einen Ausbau der A 100, die einmal bis Lichtenberg führen soll. Die Grünen haben es aber im Bezirk seit jeher sehr schwer und sich zuletzt etwas an Pätzold und seine CDU angekuschelt. Kevin Hönicke von der SPD, der sich oft verbal mit der AfD anlegt und offensiv gegen die „Partei der Schande“ wettert, wie er sie nennt, könnte bei Leuten punkten, die bewusst gegen rechts wählen wollen. Hönicke ist als Einziger unter den Direktkandidaten der Spitzenparteien ohne Doktortitel, als gelernter Kfz-Mechaniker und praktizierender Lehrer bodenständig und volksnah beliebt. Hönicke und Neumann betreiben einen ordentlichen Haustürwahlkampf. Die Kandidatin der Grünen klingelte sich sogar durch die Lichtenberger Kleingartensiedlungen – auch ein Wahlkampfthema, denn die Kleingartenpächter fürchten ihre Verdrängung.

CDU-Kandidat Martin Pätzold beim Wahlkampf im Gepräch mit Wählerin Bärbel Röhr am Linden-Center in Berlin-Hohenschönhausen.
CDU-Kandidat Martin Pätzold beim Wahlkampf im Gepräch mit Wählerin Bärbel Röhr am Linden-Center in Berlin-Hohenschönhausen.

© Thilo Rückeis

Hat man hier überhaupt eine Wahl?

Eigentlich ist ganz Lichtenberg seit 2002 eine sichere Nummer für die Linkspartei. Mit Gesine Lötzsch hat sie vier Mal hintereinander das Direktmandat gewonnen, 2013 mit 23 944 Stimmen Vorsprung. Doch mit der AfD tritt Konkurrenz an, deren Aussichten außerordentlich schwer einzuschätzen sind. Bei der Bundestagswahl 2013 erhielt die AfD mit 4,3 Prozent der Erststimmen 0,1 Prozent mehr als die Grünen.

Bezirksstatistik. Zur Vergrößerung klicken Sie auf das rote Kreuz.
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© Tsp

Dennoch hat die Linke eher ihre traditionellen Konkurrenten in der SPD und CDU zu fürchten. Die AfD könnte höchstens in Sachen Zweitstimmen punkten, denn den Direktkandidaten Marius Radtke kennt hier kaum jemand. Er führt seine Arztpraxis in Weißensee und ist für viele nicht nah genug mit dem Bezirk Lichtenberg verbunden. Doch ein Kreuz bei der Partei AfD zu machen, davor haben schon bei der Abgeordnetenhauswahl viele nicht zurückgeschreckt, nämlich 19,4 Prozent der Wahlberechtigten. Damit wurde die AfD zur drittstärksten Kraft im Bezirk, nach Linken und SPD und noch vor der CDU – dieser Trend könnte sich fortsetzen und Radtke somit über die Liste in den Bundestag gelangen.

Was ist das Skurrilste aus dem Wahlkampf?

Die FDP spielte 2013 mit 0,7 Prozent so gut wie keine Rolle. Ihr jetziger Kandidat heißt Dirk Gawlitza – dem unbekannten Liberalen gebührt zumindest Respekt. Ebenso wie Olaf Lengner von der Piratenpartei. Eher könnte noch die Satirepartei „Die Partei“ für Furore sorgen und von der steigenden Beliebtheit bei jüngeren Wählern profitieren. Kandidat Stefan Sacharjew will, bescheiden wie es sich für eine Satirepartei gehört, „König von Lichtenberg“ werden. Da ihn jedoch kaum jemand kennt, wird seine Partei wohl allenfalls bei den Zweitstimmen einen Achtungserfolg erringen können.

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