zum Hauptinhalt

Wahlcheck Bildung zur Berlin-Wahl: Was sich an den Schulen ändern muss – und was die Parteien dafür tun wollen

Ein bisschen „Kulturkampf “ und zurück zur Verbeamtung: Was rund um die soziale Segregation, Lehrkräftemangel und den Schulbau geplant ist.

Die großen Fragen – jetzt kommen sie zurück auf die Tagesordnung: Die Rede ist von einer Nivellierung der Schulformen: Was SPD, Linke und Grüne mit ihrer geplanten Schulgesetzänderung wollten, die aber nicht mehr in Gänze klappte, findet sich in ihren Wahlprogrammen wieder. Konkret bedeutet das, dass Linke und Grüne es den Gymnasien erschweren wollen, die leistungsstärksten Kinder vorzeitig „abzufischen“.

Das wären schlechte Aussichten für die beliebten 35 sogenannten grundständigen Gymnasien, die nach Klasse 4 beginnen. „Sechs Jahre gemeinsame Grundschulzeit wollen wir verbindlich für alle Kinder gleichermaßen verankern“, heißt es im grünen Wahlprogramm.

Die Linken hatten schon 2006 in der rot-roten Koalition vor, die Gymnasien zu beschneiden, damals aber verkündete der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), er wolle keinen „Kulturkampf“ gegen die Gymnasien. Im SPD-Wahlprogramm steht zwar das Bekenntnis zur „verpflichtenden sechsjährigen Grundschule“, aber Maja Lasic teilt für die Fraktion mit, man habe nicht vor, „an der Grundständigkeit zu rütteln“.

Wegfallen soll das Probejahr und durch andere Auswahlverfahren ersetzt werden. CDU, FDP und AfD planen Derartiges nicht, sondern betonen die Bedeutung eines vielgliedrigen Schulsystems.

Lehrkräfte gesucht

Im Laufe der letzten Legislatur ist bei fast allen Parteien die Erwartung verloren gegangen, ohne das Lockmittel einer Verbeamtung vom Fleck zu kommen: Seit Jahren können im Schnitt nur 40 bis 50 Prozent der offenen Stellen mit regulär ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden. An den Grundschulen und an den Brennpunktschulen sind es prozentual noch weniger.

[Schon über 250.000 Abos: Die Tagesspiegel-Newsletter für die 12 Berliner Bezirke gibt es jetzt hier leute.tagesspiegel.de]

Berliner? Pfannkuchen! So warb die Senatsverwaltung in Stuttgart und Düsseldorf um Lehrer.
Berliner? Pfannkuchen! So warb die Senatsverwaltung in Stuttgart und Düsseldorf um Lehrer.

© SenBJF/Promo

Zwar wurden die Hochschulen verpflichtet, pro Jahr 2000 fertige Lehrkräfte zu entlassen. Falls das überhaupt gelingt, bleibt aber das Problem, dass man die ausgebildeten Absolvent:innen nicht an Berlin binden kann: Ein Großteil wechselt in andere Bundesländer, wo überall die Verbeamtung lockt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die CDU wirbt daher seit vielen Jahren für die Rückkehr zum Beamtenstatus. Dem hat sich die AfD angeschlossen, die SPD vor zwei Jahren auch, die Grünen schließen es neuerdings nicht mehr aus, nur FDP und Linke halten noch dagegen: Sie wollen die Lehrkräfte mit attraktiveren Arbeitsbedingungen, also etwa höheren Gehältern, halten.

Die FDP schlägt vor, Lehramtsstudent:innen finanziell zu unterstützen, wenn sie sich verpflichten, in den ersten drei Jahren nach Abschluss des Referendariats in Berlin zu bleiben. Die Linke will 3000 Lehrkräfte pro Jahr zum Abschluss bringen, um einen größeren Puffer für Abwanderungen zu haben.

Viele Player: Die behördenübergreifende Netzwerkstruktur für die Umsetzung der Berliner Schulbauoffensive.
Viele Player: Die behördenübergreifende Netzwerkstruktur für die Umsetzung der Berliner Schulbauoffensive.

© Tsp/Böttcher

Schulen bauen, aber wie?

CDU und FDP glauben nicht daran, dass Berlin das Doppelproblem der fehlenden Schulplätze und maroden Bausubstanz innerhalb der bisherigen Strukturen lösen kann. Sie plädieren deshalb dafür, nach dem Hamburger Vorbild eine landeseigene Schulbaugesellschaft zu gründen, die zentral alle Schulen saniert und ausbaut.

[Der Berlin-O-Mat 2021 für alle Bezirke und das Abgeordnetenhaus: Finden Sie heraus, mit welchen Berliner Parteien Sie die größte Übereinstimmung haben!]

Bei Rot-Rot-Grün findet sich dergleichen nicht: Die mühselig aufgebaute Konstruktion der „Berliner Schulbauoffensive“ unter Beteiligung der Wohnungsbaugesellschaft Howoge soll offenbar nicht angetastet werden. Eine schlagkräftige Organisation ist wichtig, weil Berlin wegen des Schülerzuwachses – 4000 Schüler:innen pro Jahr kommen bis 2030 nochmals im Schnitt dazu – schnell bauen muss. Parallel steigen die Baupreise und das Geld wird knapp. Ob sich die nächste Koalition die raumgreifenden Compartmentschulen mit ihren großen Foyers wird leisten können, ist offen.

Die finanziellen Hürden vor den freien Schulen senken - das wollen fast alle Parteien, aber auf verschiedene Weise.
Die finanziellen Hürden vor den freien Schulen senken - das wollen fast alle Parteien, aber auf verschiedene Weise.

© Doris Spiekermann-Klaas

Freie Schulen in der Zwickmühle

Freie Schulen sollen offen für alle Schichten sein, bekommen vom Land aber nur rund zwei Drittel der Kosten erstattet. Aus dieser Zwickmühle sucht Berlin seit langem einen Ausweg. Der aktuellste Versuch scheiterte laut Lasic am Dienstag bei den Nachverhandlungen zum Schulgesetz.

Durch die langen Diskussionen ist immerhin recht klar, was SPD, Grüne und Linke wollen: Die Freien Träger sollen mehr Geld bekommen, wenn sie benachteiligte Kinder oder Förderkinder aufnehmen. SPD und Grüne haben zudem vor, dass die Schulen nach drei statt erst nach fünf Jahren finanziert werden, was die Linke ablehnt. Die lange Wartefrist war zuletzt ins Gerede gekommen, weil eine ambitionierte Schule mit sozialer Mischung fast bankrott gegangen wäre.

CDU und FDP streben die finanzielle Gleichstellung freier und öffentlicher Schulen an, die FDP will zudem, dass Vertreter:innen freier Schulen volles Stimmrecht in den schulgesetzlich verankerten Bezirks- und Landesgremien bekommen.

Die Hälfte der Sekundarschüler liest schlecht. An den Problemschüler gibt es fast ausschließlich schwache Leser.
Die Hälfte der Sekundarschüler liest schlecht. An den Problemschüler gibt es fast ausschließlich schwache Leser.

© dpa

Wie weiter im Brennpunkt?

Da die Zahl der Schulabbrecher:innen noch immer bei rund zehn Prozent liegt, ist klar: Es muss mehr getan werden. SPD, Linke und Grüne erhoffen sich eine Lösung in einer besseren Schülermischung. Die Grünen etwa wollen 50 Prozent der Schulplätze verlosen statt bisher 30 Prozent.

SPD, Linke und CDU streben Entlastungsstunden für Lehrkräfte im Brennpunkt an, die SPD zudem „möglichst“ eine Senkung der Klassengrößen. Die AfD will eine Art Hauptschule zurück, die sie aber „Praxisschulen“ nennt mit „speziellen Projekten mit hohen Praxisanteilen“ für abschlussgefährdete Schüler:innen.

Um zu vermeiden, dass Schulen wegen schlechter Schülerleistungen von Eltern gemieden werden, wollen die Grünen die entsprechenden Daten nicht mehr veröffentlichen und warnen vor „Rankings“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false