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Den Sommer genießen am Wasser. Die Frage ist nur, wo der Nachschub herkommt.

© Christoph Söder/dpa

Wärmerekord in Berlin und Brandenburg: Wassernachschub wird knapp

Der Sommer geht zu Ende – in Berlin und Brandenburg war es so heiß wie noch nie. Für Mensch und Natur wird das zum Problem.

Man merkt es nicht direkt, aber der Sommer ist vorbei: An diesem Sonntag beginnt der meteorologische Herbst. Während es bundesweit nur für Platz drei (hinter 2018 und 2003) reichte, war der zurückliegende Sommer in Berlin und Brandenburg schon wieder der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen vor knapp 130 Jahren. Dabei schien ein neuer Rekord nach dem Extremjahr 2018 kaum vorstellbar. „Der wesentliche Unterschied ist, dass im vergangenen Jahr der Sommer mit Trockenheit und Wärme praktisch von April bis November gedauert hat“, sagt Jörg Riemann, Chefmeteorologe des Dienstes „Wettermanufaktur“, der die Sommerbilanz für den Tagesspiegel erstellt hat.

So gab es nach einem kühlen Mai in diesem Sommer 26 „heiße Tage“ mit mindestens 30 Grad. Im vergangenen Jahr waren es 25, im Mittel der Jahre seit 1893 acht. Bei den „Tropennächten“, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad sinkt, landet 2019 auf dem zweiten Platz hinter dem Vorjahr – mit vier statt sieben solcher Nächte. „Normalerweise gab es nur alle zwei Jahre eine solche Nacht“, sagt Riemann.

Die Daten beziehen sich jeweils auf die Station am Potsdamer Brauhausberg, die seit 1893 am selben Ort misst. In Berlin stammen die ältesten Messreihen aus Tempelhof und Dahlem, aber die haben laut Riemann ihre Tücken: Die eine Station musste mehrmals umziehen, die andere misst oft verdächtige Kühle, wenn nebenan im Botanischen Garten die Rasensprenger Dienst tun.

Die Tropennächte gelten als besonders problematisch, weil sie vielen Menschen den gesunden Schlaf rauben – und sich in dicht bebauten Innenstädten mit ihren wärmespeichernden Mauern und Straßen besonders häufen. Zur Hitze kommt die Dürre, die immer dramatischer wird. Zwar hat es etwas mehr geregnet als 2018, aber viel kam bei lokalen Unwettern herunter und überflutete nur kurzzeitig die Kanalisation, statt in den Boden einzudringen.

Die Wasserspiegel sinken

Und vor allem der Berliner Südosten ging oft völlig leer aus. Laut Messdaten der Berliner Wasserbetriebe fielen dort seit Jahresbeginn pro Quadratmeter teilweise kaum 250 Liter; in den westlichen und nördlichen Kiezen waren es 100 Liter mehr. Normal wären knapp 600 Liter pro Quadratmeter im gesamten Jahr.

Nennenswert geregnet hat es in diesem Sommer an genau elf Tagen, der Durchschnitt liegt bei 29 Regentagen. Zwar gab es schon in den 1970ern zwei ungewöhnlich trockene Sommer nacheinander, „aber der Winter dazwischen war sehr nass“, sagt Riemann. Das unterscheidet die damalige Situation von der aktuellen, in der durch die Hitze außerdem besonders viel verdunstet.

Die Folgen sind offensichtlich: Die Wasserspiegel der Seen im Umland sind teils um einen Meter gesunken, die Talsperre Spremberg – letzter Spreespeicher vor Berlin – ist zu zwei Dritteln leer, und die Spree floss Sonnabendfrüh wieder mal rückwärts Richtung Müggelsee, weil ihr Wassernachschub fast nur noch aus dem stadteinwärts gelegenen Ableiter des Klärwerks Münchehofe kommt.

In den Berliner Wäldern sind hunderttausende Setzlinge der Trockenheit zum Opfer gefallen. Bundesweit schätzen Forstwirte und Waldbesitzer die Schäden durch dürrebedingtes Waldsterben auf mehrere Milliarden Euro. „Die in Brandenburg nach wie vor dominanten Kiefern sind einfach die falsche Baumart“, sagt Riemann. „Sie ziehen das ganze Jahr über Wasser aus dem Boden, und als Monokultur sind sie dem Borkenkäfer ausgeliefert. In Mischwäldern, in denen eine Kiefer zwischen zehn Laubbäumen steht, wäre das völlig anders.“

Kiefernwald verhindert Bildung von Grundwasser

Die Nachteile der Kiefern haben die Berliner Forsten im vergangenen Jahr in einem Gutachten schriftlich bekommen: Demnach kann sich unter einem Kiefernwald in Berlin praktisch kein Grundwasser neu bilden, während ein Laubwald nur etwa 450 der 600 Liter Jahresniederschlag verdunstet. Dieser Punkt ist für Berlin mit seiner komplett lokalen Wasserversorgung besonders bedeutsam: Rund ein Drittel des hiesigen Trinkwassers stammt aus Grundwasserreservoirs unter den Wäldern der Stadt. Knapp zwei Drittel werden aus sogenanntem Uferfiltrat entlang der Seen gewonnen.

Für die Bauern im Umland war der Sommer nach Einschätzung des Landesbauernverbandes nicht ganz so schlecht wie 2018. Allerdings resümiert der Verband: „Wenn auf unseren sandigen Brandenburger Böden weiterhin hochwertige Kulturen, insbesondere auch Obst und Gemüse angebaut werden sollen, wird es in Zukunft nicht ohne Beregnung gehen.“

Die Frage ist nur, wo das Wasser dafür herkommen soll, wenn die Regentiefs vom Atlantik es nur noch bis nach Großbritannien schaffen statt wie früher bis zum Baltikum. Ihre Schwäche hängt mit der Erwärmung der Arktis zusammen. „Für die jeweilige Wetterlage ist das Wetter durchaus normal“, sagt der Meteorologe. „Was nicht normal ist, ist die Verteilung der Wetterlagen, also der immer größere Anteil des Kontinentalklimas mit trockenem Ostwind.“ Die Aussichten: Es wird kühler. Und bleibt meist trocken.

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