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Güner Balci arbeitete schon als Journalistin, Autorin und Sozialarbeiterin.

© imago/Metodi Popow

Vorurteile gegenüber Muslimen?: Neuköllns neue Integrationsbeauftragte wird gleich kritisiert

Für die Linke ist sie nicht tragbar, für die Grünen polarisierend und ausgrenzend: Güner Balci hat einen schweren Start – auch wegen einer Panne im Verfahren.

Die Journalistin und Autorin Güner Balci ist seit diesem Montag Integrationsbeauftragte in Neukölln. Ihre Wahl sorgte im Vorfeld für Aufregung: Die Neuköllner Linken warfen Balci vor, den umstrittenen ehemaligen SPD-Politiker Thilo Sarrazin „in diversen TV-Beiträgen“ unterstützt und mehrfach Vorurteile gegenüber Muslimen geäußert zu haben. Sie sei daher nicht tragbar als Integrationsbeauftragte.

Die Kritik der Linken richtet sich auch gegen Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD): Dieser habe nicht, wie vorgesehen, den Migrationsbeirat an der Auswahl und Ernennung Balcis beteiligt. Hikel nutze die Besetzung der Stelle der Integrationsbeauftragten für seine politischen Interessen, so der Vorwurf.

Der Neuköllner Migrationsbeirat, der Anwohner mit Migrationshintergrund bei der Vertretung ihrer Interessen unterstützen soll und dem die Integrationsbeauftragte vorsitzt, kam vergangenen Donnerstag zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Dabei ging es ausschließlich um die Personalie und den Auswahlprozess.

Bei der Sitzung kritisierten nach Tagesspiegel-Informationen mehrere Mitglieder den Auswahlprozess scharf und warfen dem Bezirksamt unter anderem fehlende Transparenz vor. Der Beirat habe keine Möglichkeit gehabt, seine Bedenken zu äußern.

Grüne: Balci benennt Probleme richtig, aber hat keine Lösungen

Auch Bernd Szczepanski, Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung, zeigte sich skeptisch. Er sagte dem Tagesspiegel, dass er die Kritik der Linken an der Nichteinbeziehung des Migrationsbeirates mittrage. Damit habe der Bezirksbürgermeister § 7 Absatz 1 des Partizipations- und Integrationsgesetzes missachtet. Allerdings sei die Ernennung wohl gültig, da es sich um keinen Rechtsbruch handele.

Balci sei in der Vergangenheit als polarisierend und ausgrenzend aufgefallen. Sie benenne viele Probleme zwar korrekt und konkret, präsentiere aber keine Lösungsansätze, sagte Szczepanski. Zudem bezweifle er, dass sie in der Lage sei, alle Menschen mit Migrationshintergrund und entsprechenden Organisationen im Bezirk zu erreichen, da ihre Ansichten bei vielen auf Widerstand stoßen würden.

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Ausdrücklich begrüßt wurde die Ernennung Balcis hingegen vom Berliner Lesben- und Schwulenverband (LSVD). „Das Miteinander in unserer pluralen Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn Menschen unabhängig von Herkunft und sexueller Identität Wertschätzung und Respekt erfahren“, erklärte der Landesgeschäftsführer Jörg Steinert. Dafür habe Balci sich stets eingesetzt. Ihre Bücher seien seit vielen Jahren ein wichtiger Beitrag zum Empowerment junger Frauen und LSBTI-Menschen.

Migrationsbeirat mit außerordentlicher Sitzung

Zu den Vorwürfen der Linken erklärte Christian Berg, Sprecher des Bezirksbürgermeisters, auf Tagesspiegel-Anfrage, dass das Auswahlverfahren regulär abgelaufen sei. Die im Partizipations- und Integrationsgesetz vorgesehene Anhörung des Migrationsbeirates zum Ergebnis des Auswahlverfahrens sei – wie vorgesehen – vor Balcis offizieller Ernennung erfolgt. Diese war erst am Freitag, also einen Tag nach der außerordentlichen Sitzung des Migrationsbeirates.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD).
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD).

© imago/Christian Ditsch

Laut Berg sieht das Gesetz lediglich eine Stellungnahme des Migrationsbeirates vor, keine Beteiligung am Auswahlverfahren. Der Rat sei am 9. Juli darüber informiert worden, dass Balci die Stelle antreten werde. Diese E-Mail habe „in der Tat für Missverständnisse gesorgt“, räumt Berg ein. Daraufhin habe der Migrationsbeirat die außerordentliche Sitzung einberufen. Dort sei die Diskussion „offen und transparent“ abgelaufen, sagte Bezirksbürgermeister Hikel. Er wolle nun gemeinsam mit Balci und dem Migrationsbeirat die Probleme im Bezirk angehen.

Balci fiel in der Vergangenheit als Grünen-Kritikerin auf

Balci wurde 1975 in Neukölln geboren. Vor ihrer Tätigkeit als Journalistin und Autorin arbeitete sie als Sozialarbeiterin im Rollbergviertel. In der Vergangenheit fiel sie etwa durch Äußerungen auf, in denen sie unter anderem den Grünen unterstellte, Menschen mit Migrationshintergrund lediglich als „stigmatisierte Opfer“ zu betrachten und zu bevormunden.

Balci selbst äußerte sich zu den Vorwürfen bislang nicht. Aus dem Bezirksamt hieß es, sie sei bereits mit den verschiedenen migrantischen Organisationen und Verbänden im Gespräch und wolle lieber miteinander als übereinander sprechen.

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