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Vorher-nachher-Vergleich: So sieht Kreuzberg mit und ohne Karneval der Kulturen aus

Eine Million Besucher lockt der Karneval der Kulturen sonst an. In diesem Jahr fällt er aus. Unser Fotovergleich zeigt den Corona-Effekt am Pfingstsonntag.

Ein Pfingstsonntag in Kreuzberg vor wenigen Jahren. Leichten Fußes und leicht angeheitert betreten einige junge Leute den Innenhof eines Mietshauses im Bergmannkiez. Sie stehlen sich in die Büsche, um sich zu erleichtern, und machen wieder kehrt. "Only in Berlin!", entfährt es noch einer jungen Frau, ehe die Haustür wieder hinter ihr zufällt.

Nur in Kreuzberg gibt es jedes Jahr im Mai diesen viertägigen Wahnsinn, der sich Karneval der Kulturen nennt. Ein Straßenfest rund um den Blücherplatz mit Livemusik, Kunsthandwerk und kulinarischen Genüssen, dazu am Sonntag als Höhepunkt der große Umzug entlang von Yorckstraße und Gneisenaustraße mit 4000 Akteuren, oft prachtvoll verkleidet in Fußgruppen unterwegs, hinter Sambatrommeln oder Lastwagen mit Technobeats. Eine Million Menschen - so heißt es, aber wer will sie schon zählen? - sind dann unterwegs, Kreuzberger, Berliner und die halbe Welt, die diese Stadt so anlockt.

Seit 1996 gibt es dieses Fest der offenen Gesellschaft, ein Statement gegen den Rassismus, der in den frühen 90er-Jahren grassierte und bis heute nicht verschwunden ist. Der politische Charakter ist zwar nicht mehr jedem bewusst, doch die kulturelle Vielfalt ist auf den Bühnen, Plätzen und Straßen nach wie vor sichtbar.

Kreuzberg steht Kopf, wenn Karneval der Kulturen ist. Wenn er denn ist. Denn ausgerecht in diesem Jahr, als die 25. Auflage anstand, musste er ausfallen. Wegen der Coronakrise sind Großveranstaltungen noch bis in den Herbst verboten. Von all dem großen und kleinen Wahnsinn, dem bunten Treiben und der ungebremsten Lebensfreude war an diesem Sonntag nicht viel zu sehen in Kreuzberg.

Unsere Fotografin Kitty Kleist-Heinrich war am Mittag unterwegs, wo sich sonst das Partyvolk auf den Gehwegen tummelt und der Umzug über den Asphalt wogt. Karnevalsbildern früherer Jahre hat sie dieselben Orte heute gegenübergestellt. Wenn Sie den Regler in der Bildmitte hin und her schieben, können Sie im Vorher-nachher-Vergleich die Unterschiede sehen - wie Sie das vielleicht schon von unserer Fotostory vom 1. Mai kennen. Nehmen wir nur mal den Bildervergleich ganz oben: Der Federschmuck aus dem Jahr 2012 wäre auch heute gut geeignet, um Abstand zu halten. 2020 war er allerdings nicht nötig: Tote Hose an der Einmündung zum Kottbusser Damm.

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Kommen Sie mit auf unseren kleinen Corona-Karnevalsumzug von der Großbeerenstraße bis zum Hermannplatz.

Küss den Frosch! 2018 ging es bereits am Start, wo sich Yorck- und Großbeerenstraße kreuzen, fröhlich zu. Am Pfingstsonntag 2020 erfreut man sich schon, wenn ein Radfahrer hinter dem Schieberegler zum Vorschein kommt..

Oder das nächste Bilder-Duett hier: 2017 vor lauter Leuten, 2020 vor lauter Fahrrädern kaum ein Durchkommen zur Sparkasse in der Gneisenaustraße.

Zugegeben: Diese Fotos vom Mehringdamm könnten auch beide aus dem Jahr 2019 stammen, einmal vor dem Einsatz der BSR, einmal danach. Das zweite aber ist an diesem Pfingstsonntag 2020 entstanden.

Einbahnstraße (mit Geistergängerinnen) im Jahr 2017, Keinbahnstraße im Jahr 2020.

Damen - Herren - Kinder: Alles da bei Coiffeur Hatice. Und in der Wohnung drüber auch. Praktisch, so Freunde direkt am Geschehen in der Gneisenau-, Ecke Schleiermacherstraße. Vier Jahre später hat sich nichts verändert. Bis auf das Leben hinter den Fenstern.

So bunt kann nur der Karneval sein: Kurz vor dem Südstern kocht die Stimmung über. 2020 ist alles wieder in Reih' und Glied, vor allem die parkenden Autos.

Auf dem Hermannplatz präsentiert sich 2015 die Gruppe Dancing Dragon. Im Jahr 2020 präsentiert sich die Berliner Polizei, wenn man sich das Bild in voller Schönheit (und Leere) anschaut.

Und wenn alles vorbei ist, wird die Erinnerung mit einem Selfie festgehalten - damals wie heute eine typische Kreuzberger Kulisse, dieser Hauseingang in der Urbanstraße.

Vorbei war es mit dem großen Umzug in diesem Jahr schon Mitte März. Da kam die Absage der Multikulti-Party. Trotzdem ging es an diesem Sonntag ein bisschen bunt zu: Demonstrieren ist in Berlin erlaubt, neuerdings sogar wieder ohne Teilnehmerbeschränkung, solange Abstand zueinander gewahrt wird. Deshalb zog zumindest eine kleine Demo für den Erhalt der Vielfalt der Kulturen tanzend durch Kreuzberg, organisiert von den Initiatoren des Karnevals.

Demo für die Vielfalt der Kulturen.
Demo für die Vielfalt der Kulturen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

So die Pandemie will, wird es das große Spektakel wieder im Jahr 2021 geben. Für Kreuzberg und seine Gastronomen wäre das auch wirtschaftlich wichtig, die Karnevalsbesucher bringen nicht nur Freude, sondern auch bares Geld.

Anwohner, die sonst vorausschauend die Flucht ergreifen, können sich schon einmal den 21. bis 24. Mai vormerken.

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