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"Wir sind unregierbar" steht auf einem Banner der Demonstrierenden in der Reichenberger Straße.

© Madlen Haarbach

Update

Vor der Räumung der Berliner Kneipe „Meuterei“: Polizei nimmt Pressefotograf auf Demonstration in Gewahrsam

Am Donnerstag soll die Kneipe „Meuterei“ geräumt werden. Rund 1000 Menschen demonstrierten am Dienstagabend. Ein Video zeigt teilweise harte Polizeigewalt.

Autonome haben am Dienstagabend in Berlin für den Erhalt linker Projekte wie der Kneipe „Meuterei“ und dem teilbesetzten Hausprojekt „Rigaer 94“ in Friedrichshain demonstriert.

Im Aufruf zur Demo hieß es: „Was wir denen ans Herz legen, die diesen Raum zerstören wollen, ist nicht unsere Nächte, sondern ihre Tage zu zählen. Denn die Angriffe auf unsere Räume und Strukturen sind Angriffe auf unsere Leben und diese gilt es konsequent zu verteidigen.“ 

Gegen 18 Uhr versammelten sich etwa 700 Menschen in der Reichenberger Straße, wo sich auch die Meuterei befindet. Sie skandierten Parolen wie „Rigaer Straße, Meute bleibt, one struggle, one fight“, zündeten Pyrotechnik an und warfen einzelne Böller.

Die Stimmung war zunächst aufgeheizt, es gab einige Rangeleien, blieb aber weitgehend friedlich. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot vor Ort.

Gegen 18.45 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Richtung Friedrichshain in Bewegung. Eigentlich sollte die Route über die Warschauer Straße durch den Simon-Dach-Kiez in die Rigaer Straße führen und dann erneut über die Warschauer Straße bis zur Revaler Straße, wo der offizielle Endpunkt der Demonstration sein sollte. 

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In der Rigaer Straße wurde der Demozug, der zwischenzeitlich auf über 1000 Menschen angewachsen war, aus den anliegenden Hausprojekten in der Hausnummer 78 und der teilbesetzten Rigaer94 mit Feuerwerk und lauter Musik begrüßt. 

Am Frankfurter Tor wurde die Demo dann vorzeitig vom Veranstalter aufgelöst. Die Polizist:innen kesselten die Demonstrierenden kurzzeitig ein, wohl, um einen Spontanaufzug zurück in Richtung Rigaer Straße zu verhindern. 

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Es herrschte kurz Chaos, es kam zu einzelnen Rangeleien zwischen Demo-Teilnehmer:innen und Polizei. Die Polizei setzte zum Teil harte Gewalt ein. Videos dokumentieren einige Übergriffe der Polizei auf Teilnehmer:innen und Pressevertreter. Für viel Kritik in den sozialen Netzwerken sorgt die auf einem Video festgehaltene Festnahme des freien Fotografen Enzo Leclercq von der renommierten “Ostkreuz”-Schule für Fotografie. In der Szene ist zu sehen, wie mehrere Polizeikräften einen Demonstranten am Frankfurter Tor festnehmen.

Im Hintergrund versucht Leclercq nach eigenen Angaben die Festnahme zu dokumentieren, als er plötzlich von einem Polizisten am Arm gepackt wird. Die Kamera des Fotografen fliegt durch die Luft, der Blitz zerbricht. Kurz darauf geht ein weiterer Beamter auf den Journalisten los und reißt ihm seine Maske vom Gesicht. Obwohl Leclercq immer wieder “Presse” schreit, wird er festgenommen. Der Vorwurf: versuchte Gefangenenbefreiung.

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Laut einer Sprecherin der Berliner Polizei, hätte der Fotograf mutmaßlich zu nah an den Einsatzkräften gestanden und auf diesem Weg deren Arbeit behindert. Außerdem sei nicht klar ersichtlich gewesen, dass es sich bei dem festgenommenen Leclercq um einen Pressevertreter handelt, da dieser seinen Presseausweis nicht um den Hals getragen habe. Laut Sprecherin wäre man erst im Gefangenentransporter auf den bundeseinheitlichen Presseausweis des Fotografen gestoßen. Viele Journalisten und Journalistinnen verzichten mittlerweile aus Eigenschutz darauf bei Demonstrationen den Presseausweis offen mit sich herumzutragen, da auf dem bundeseinheitlichen Exemplar auch die Adresse des jeweiligen Medienvertreters vermerkt ist.

Da in der “aufgeheizten, polizeifeindlichen” Atmosphäre am Frankfurter Tor die mögliche Gefahr einer “Solidarisierung” bestand, hätte man den Fotografen direkt in Gewahrsam genommen und nicht vor der Festnahme den Presseausweis kontrolliert, sagt die Sprecherin der Berliner Polizei. Außerdem würde ein Presseausweis selbstverständlich nicht bedeuten, dass man gegen die Verfolgung von Straftaten "immun" sei, so die Pressestelle. Laut Leclercq habe die Polizei etwa 45 Minten lang seine Identität festgestellt.

"Nur die Zecken sind noch schlimmer als die Presse"

Auch im Streifenwagen hätte der Fotograf immer wieder darauf hingewiesen, dass er als Medienvertreter vor Ort ist. Ein Polizist soll daraufhin entgegnet haben: "Nur die Zecken sind noch schlimmer als die Presse", berichtet der Journalist. Laut Pressestelle werde auch das Twitter-Video des Vorfalls im weiteren Verfahren gegen den freien Fotografen berücksichtigt werden.

Auffällig ist, dass einer der an der Festnahme Leclercqs beteiligten Polizisten mutmaßlich auch in einer anderen Szene des Abends zu sehen ist. Auch diese Situation wurde aufgenommen und später auf Twitter geteilt. Zu sehen ist ein einzelner Beamte wie er auf den Filmenden zugeht und fragt “Wo hast du denn deinen süßen Bruder gelassen?”, als der Filmende fragt “Wie bitte?”, sagt der Polizist erneut: “Wo hast du denn deinen niedlichen Bruder gelassen?”. Es scheint sich um den selben Polizisten zu handeln, der dem Journalisten Leclercq bei der Festnahme die Maske vom Gesicht reißt.Die Polizei nahm laut eigenen Angaben am Ende der Demo sieben Menschen fest, denen Beleidigung, Widerstand, Körperletzung und die versuchte Befreiung von Gefangenen vorgeworfen wird. 

Insgesamt waren demnach rund 650 Polizist:innen im Einsatz, 300 begleiteten den Aufzug als eine Art Spalier – das juristisch durchaus umstritten ist, da es den Aufzug erheblich prägt und den freien Zu- und Abgang zu einer Demonstration beschränkt. 22 Menschen wurden laut Polizei angezeigt, ihnen werden unter anderem tätliche Angriffe, Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Außerdem seien mehrere Ordnungswidrigkeiten wegen der abgebrannten Pyrotechnik angezeigt worden. 

Gleich zu Beginn soll ein Polizeifahrzeug mit Steinen beworfen worden sein, auch während der Demonstration wurden laut Polizei vereinzelt Beamt:innen angegriffen oder mit Pyrotechnik beworfen. Insgesamt sprach die Polizei von fünf verletzten Einsatzkräften. 

Autonome rufen zu Brandanschlägen auf Autos und Infrastruktur auf

Autonome rufen bereits seit einigen Tagen zu Anschlägen etwa auf Autos, Luxusneubauten oder auch die Infrastruktur auf. Zuletzt brannten jeweils mehrere Autos in Mitte und Pankow. Zu den Bränden in Mitte bekannten sich Autonome in einem mutmaßlichen Bekennerschreiben, auch die Brände in Pankow könnten laut Polizei mit der anstehenden Räumung zusammenhängen. „Jede Räumung unserer Orte wird Schutt und Rauch hinterlassen“, hieß es in dem Bekennerschreiben.

Am Donnerstag soll ab 8 Uhr morgens die linke Kollektivkneipe „Meuterei“ in der Reichenberger Straße in Kreuzberg geräumt werden. Anwohner:innen und Unterstützer:innen auch aus der linksextremen Szene haben breite Proteste und „dezentrale Aktionen“ im gesamten Stadtgebiet angekündigt.

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Um die „Rigaer 94“ gibt es derzeit einen Konflikt zwischen Bewohner:innen, Eigentümer, Senat und Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Gericht hatte zuletzt den Bezirk verpflichtet, den Eigentümer bei einer Brandschutzbegehung zu unterstützen.

Der Bezirk war dieser zunächst mit einer eigenen Begehung zuvorgekommen, das dabei entstandene Gutachten wertete das Gericht als nicht ausreichend. Die Bewohner:innen hingegen sehen in der Brandschutzprüfung nur einen Vorwand des Eigentümers, um das Haus für unbewohnbar erklären und räumen zu lassen. 

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