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Die innerparteilichen Groko-Gegner, vorneweg der Juso-Bundeschef Kevin Kühnert, machen gegen Koalitionsverhandlungen mobil.

© Oliver Berg/dpa

Vor der Groko-Abstimmung: Berliner SPD verzeichnet eine Eintrittswelle

1500 neue Genossen haben sich vor dem Mitgliederentscheid zur Groko den Sozialdemokraten in der Hauptstadt angeschlossen. Mehr als die Hälfte sind Jusos.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD kann sich vor dem Ansturm neuer Mitglieder kaum noch retten. Im Januar verzeichnete der Landesverband nach parteiinternen Informationen fast 1500 Neueintritte. Die Landesgeschäftsführerin der Sozialdemokraten, Anett Seltz, wollte am Montag keine exakte Zahl nennen. Aber sie bestätigte, dass es „weit über tausend Neumitglieder“ gebe – und zwar quer durch alle Altersgruppen.

Alle SPD-Kreisverbände profitierten davon. Das jüngste Neumitglied, das im Januar in die Partei eintrat, sei 14 Jahre jung. Das älteste Neumitglied, so Seltz, habe das 90. Lebensjahr schon überschritten.

Aber die Vorsitzende der Berliner Jungsozialisten, Annika Klose, rückt die Einschätzung ein bisschen zurecht, dass jetzt ein bunter Querschnitt der Bevölkerung den Weg in die Berliner SPD finde. „Über die Hälfte der Neuzugänge sind Jusos“, sagte sie dem Tagesspiegel. Im Januar habe der Jugendverband 720 neue Mitglieder aufgenommen, von denen fast alle auch in die SPD eingetreten seien.

Wer Jungsozialist ist, wird nicht automatisch Parteimitglied. Und die meisten Neuzugänge seien „eher links von der SPD verortet“. Das bringe, so hofft Klose, viel frischen Wind in die Partei.

Dritte Eintrittswelle in einem Jahr

Es ist die dritte Eintrittswelle, die die Sozialdemokraten nicht nur in der Hauptstadt seit dem vergangenem Jahr erleben. Als Martin Schulz neuer Parteichef wurde, honorierten das viele Sympathisanten mit einem Antrag auf Mitgliedschaft in der SPD.

Es folgte ein zweiter Schwung nach der desaströsen Bundestagswahl im September 2017, als die Partei mit 20,5 Prozent eine historische Niederlage erlitt. Offenbar nach dem Motto: Jetzt erst recht! Momentan führt die Frage, ob die SPD mit der Union gemeinsam weiterregieren soll, wieder zu massenhaften Parteieintritten.

Wer noch bis Dienstag, 18 Uhr, in die SPD aufgenommen wird und in der zentralen Mitgliederdatei registriert ist, darf am Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag teilnehmen, der gerade in den letzten Zügen verhandelt wird. Die innerparteilichen Groko-Gegner, vorneweg der in der Berliner SPD organisierte Juso-Bundeschef Kevin Kühnert, machen seit Wochen mobil und haben es auf dem Sonderparteitag vor zwei Wochen beinahe geschafft, Koalitionsgespräche mit der CDU/CSU zu verhindern.

Erfahrung von den letzten Groko-Verhandlungen

Gegen die These, dass die Neumitglieder nur mal schnell an der Groko-Befragung teilnehmen wollen, um sich dann wieder vom Acker zu machen, sprechen nach Darstellung der SPD-Landesgeschäftsführerin Seltz die Erfahrungen von 2013. Damals durften ebenfalls alle Mitglieder über die schwarz-rote Koalitionsvereinbarung abstimmen und es gab vorher viele Neueintritte.

„Nach einem Jahr waren noch 90 Prozent der Neumitglieder dabei“, so Seltz. Ansonsten ist es aber leicht, Mitglied der SPD zu werden. „Dem Antrag soll gefolgt werden, wenn das Mitglied nachvollziehbare Gründe vorträgt“, heißt es in der Parteisatzung.

Und weiter: Die SPD vereinige als demokratische Volkspartei „Menschen verschiedener Glaubens- und Denkrichtungen, die sich zu Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, zur gesellschaftlichen Gleichheit von Mann und Frau und zur Bewahrung der natürlichen Umwelt bekennen“.

In jedem Fall wollen die Sozialdemokraten den neuen Schwung nun für sich nutzen. Schon Ende 2017 zählte der Berliner Landesverband 19.262 Mitglieder. So viele waren es seit 15 Jahren nicht mehr. Der Tiefststand wurde 2008 erreicht, da gab es nur noch 15.900 Berliner Sozialdemokraten.

Wie die Abstimmung über den Koalitionsvertrag ausgeht, ist offen. Bundesweit wohl eher für die Große Koalition, meint Juso-Landeschefin Annika Klose. „Aber alles ist möglich.“

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