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Good Old Times. Die Berliner Landesvorsitzenden von SPD, Michael Müller (li.) und der Linkspartei, Klaus Lederer schüttelten einander am 20. November 2006 die Hände, nachdem sie die Koalitionsvereinbarung für die nächsten fünf Jahre unterzeichnet hatten.

© Grimm/dpa

Vor der Abgeordnetenhauswahl: Tipps von Bodo Ramelow an die Linke in Berlin

Die Linke will in Berlin wieder mitregieren. Tipps dafür gab jetzt in Erfurt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Sofort, als Bodo Ramelow das Hotel an der Krämerbrücke in Erfurt betritt, schmeicheln ihm die Berliner Linken wie Abiturienten ihrem Lieblingslehrer. Ramelow ist Thüringer Ministerpräsident, Chef der rot-rot-grünen Landesregierung – und just in diesem Hotel führte er die Koalitionsverhandlungen. Intern nennen sie Ramelow seitdem „Schlachtross“.

Auch die Berliner Linke verhandelt bald über ein rot-rot-grünes Bündnis: SPD und CDU sind zerstritten und weil wohl die AfD ins Abgeordnetenhaus einziehen wird, dürfte es für Rot-Grün oder Rot-Rot allein nicht reichen. In Erfurt tagte die Berliner Linksfraktion am Wochenende, damit Ramelow ihnen sagt, wie sein Dreier-Bündnis läuft. Zusammengefasst: Es brauche Geduld, Offenheit, Wille.

Das war erwartbar – doch die Berliner hören regierenden Genossen gern zu. Erst 2014 wollten sie von Christian Görke (Linke), dem Potsdamer Finanzminister, siegen lernen. Kurz darauf sackten die Brandenburger ab. Die Berliner Linke selbst verlor schon nach den rot-roten Senaten die Hälfte der Stimmen. Dennoch schreibt Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf in einem aktuellen Buch über die Sparpolitik bis 2011 unbeirrt: „Die Sanierungsarbeit der rot-roten Koalition war erfolgreich.“

Die Mehrheit der Parteimitglieder stört das kaum, sie will, dass die Linke erneut regiert. Und so beschloss die Fraktion am Samstag ein Quasi-Regierungsprogramm: Darin ist unter anderem von einem TÜV für Flüchtlingsheime, öffentlichen Bauaufträgen und mehr Straßenbahnen die Rede. Allein um Hamburger Niveau zu erreichen, bräuchte Berlin eine Milliarde Euro Zusatzinvestitionen im Jahr.

Klaus Lederer wird Spitzenkandidat

Bislang steht nur der Spitzenkandidat fest: Klaus Lederer, 41, Landesparteichef, Jurist. Er muss – grob vereinfacht – drei Milieus einen: Die Ost-Berliner Senioren, die ahnen, dass ein starker Staat noch unverzichtbar ist. Die oft West-Berliner Aktivisten, die selbst in der Flüchtlingskrise auf einen, nun ja, progressiven Schub hoffen. Und die Technokraten, die in den Verwaltungen ihr Handwerk lernten.

Lederer, der zu Subkulturellen so eloquent sprechen kann wie zu Prädikatsjuristen, ist wohl der geeignete Kandidat. Doch wofür steht die Partei noch? Flüchtlingssolidarität und Bauen reklamieren auch Grüne und SPD für sich. Und zur Abgeordnetenhauswahl bekäme die Linke aktuellen Umfragen zufolge zwar 15 Prozent, zur Bundestagswahl aber würden in Berlin 20 Prozent für sie stimmen: Wollen viele Hauptstädter die Linke, nicht aber ihr Berliner Personal?

Nachfrage in den drei Parteimilieus. „Die Kampagne fehlt noch“, sagt ein Funktionär. „Kein Wähler weiß auf Anhieb, was wir 2016 wollen.“ Das sei aber kein Drama, man werde bald deutlicher für eine „funktionierende Stadt“ kämpfen. Eine Friedrichshainer Linke stört, dass „alle auf die SPD schielen“: Für Michael Müller & Co. wäre die Linke nur „handzahmer Juniorpartner“. Ein Bezirkspolitiker sagt: „Wir bedienen Außenseiterthemen. Die Leute wollen nicht nur über Flüchtlinge reden, sondern über Sicherheit und Löhne.“

Der Berliner Linken fehlen bekannte Köpfe

In Berlin fehlen der Linken, anders als im Bund, bekannte Köpfe wie Sahra Wagenknecht oder IG-Metall-Volkstribun Klaus Ernst. Zu Wagenknecht sei gesagt, dass sie nach der Kölner Silvesternacht eine Debatte anstoßen wollte, als sie erklärte: „Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht eben auch verwirkt.“ Das nahmen ihr in der Partei einige übel.

Ramelow berichtete am Wochenende übrigens, dass in Suhl 200 Syrer einen Afghanen totschlagen wollten, weil er den Koran beleidigt haben soll. Immerhin hat Klaus Lederer offen erklärt, die Linke bleibe bei ihrer Asylbewerbersolidarität, auch wenn sie das drei Prozent der Stimmen kosten sollte. Will man also skeptische Facharbeiter ziehen lassen, um euphorische Linksliberale zu gewinnen?

Womöglich überzeugt die Partei beide Lager. Noch verliert sie wegen ihrer Asylpositionen nicht in den Umfragen. Und nach Lageso-Chaos, BER-Desaster und Bürgerämter-Stau könnte die Linke milieuübergreifend punkten: Eine funktionierende Stadt wollen alle.

Nun sollen die Forderungen in wahlkampftaugliche Schlagzeilen gepackt werden. Zuvor einigt sich der Vorstand um Lederer auf eine Landesliste, am 12. März entscheidet darüber ein Parteitag. „Da geht’s noch mal rund“, sagt ein Abgeordneter. „Jeder Bezirk will sich Posten sichern.“

Eigentlich wollten die West-Linken wie die SPD mit Bezirkslisten antreten. Doch die mächtigen Ost-Verbände waren dagegen, schon weil 90 Prozent der 7500 Parteimitglieder aus dem Osten kommen. Auf der Landesliste sind die ersten 40 Plätze relevant: Etwa 15 Prozent der Stimmen plus fünf erwartbare Direktmandate bedeuten 25 oder 26 Abgeordnete.

Sollte es zu einer Regierungsbeteiligung kommen, kämen Senatoren, Staatssekretäre und Referenten dazu. Insgesamt müssten bis zu 40 Kandidaten versorgt werden.

Inhaltlich sticht derzeit Friedrichshain-Kreuzberg heraus, nicht nur geografisch, sondern auch ideologisch ein Mischbezirk. Von dort soll nicht nur Gabriele Gottwald – in den 1980er Jahren bekannte Bundestagsabgeordnete der Grünen, heute Mietenexpertin der Kreuzberger Linken – auf der Landesliste kandidieren.

Die Mitglieder in Friedrichshain-Kreuzberg haben auch die Forderung nach einer Ausbildungsplatzumlage durchgesetzt: Die würde bedeuten, dass Betriebe Strafe zahlen, wenn sie keine Lehrlinge ausbilden. Mit dem Geld würden Ausbildungsbetriebe unterstützt. Eine bundesweite Umlage lehnt die Bundesregierung ab, die Linke will sie nun für Berlin. Das wollen nun auch einige Sozialdemokraten – noch ganz ohne Koalitionsgespräche.

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