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Kritik aus den eigen Reihen: Der Der Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD, Raed Saleh

© dpa/Peter Endig

Vor dem SPD-Landesparteitag: Berliner SPD-Genossen gehen Fraktionschef Saleh hart an

Kurz vor dem Parteitag der Berliner SPD attackieren Abgeordnete ihren eigenen Fraktionschef. Auf fünf Seiten kritisieren sie den Führungs- und Diskussionsstil von Raed Saleh.

Von Sabine Beikler

Frontalangriff gegen den Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh: 14 von 38 SPD-Fraktionsmitgliedern wenden sich in einem fünfseitigen Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, an den Fraktionschef und kritisieren seine Arbeit, die Diskussionskultur, die Pressearbeit und den Führungsstil in scharfem Ton. „Zur Führung gehört für uns, dass Du und unser Geschäftsführer für alle Abgeordneten erreichbar seid. Es ist unzumutbar, dass Abgeordneten der Fraktion teilweise wochenlang oder ganz ohne Antwort schreiben“, schreiben die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Susanne Kitschun, Andreas Kugler und Clara West. Mitunterzeichner sind weitere Vorstandsmitglieder und Fachsprecher.

„Leider“ sei die SPD als einzige Fraktion „regelmäßig bei zentralen politischen Veranstaltungen“ wie Neujahrsempfang des DGB Berlin-Brandenburg oder Gedenkveranstaltungen „nicht durch Dich als unseren Vorsitzenden vertreten“. Reservierte Plätze blieben „sichtbar leer“. Das Terminmanagement funktioniere überhaupt nicht. „Es darf nicht passieren, dass Terminanfragen häufig im Nichts enden.“

Genossen "nicht im Regen stehen lassen"

Die Fraktionsmitglieder kritisieren, dass Saleh die Fraktion „wiederholt“ bei Senatssitzungen nicht vertrete und dies nicht einmal innerhalb des Fraktionsvorstands thematisiere. „Solche Organisationsprobleme können wir uns nicht leisten.“ Auch wenn die Fraktion eigenständig arbeite, rechtfertige es nicht, „dass es an bestimmten Punkten gar keine Zusammenarbeit und häufig sogar ein gegeneinander gibt“. Und bei Diskussionsprozessen während der rot-rot-grünen Haushaltsberatungen „erwarten wir, dass Du dir die Beschwerden nicht nur anhörst. Die betroffenen Kolleginnen und Kollegen dürfen nicht im Regen stehen gelassen werden“.

Beim Volksentscheid zur Offenhaltung von Tegel habe es sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit der Partei „nicht richtig funktioniert“. Salehs Parteifreunde üben scharfe Kritik an der Pressearbeit. Die Social-Media-Aktivitäten müssten verbessert werden, ein Pressekonzept als Grundlage für die Außendarstellung sei nicht diskutiert worden. Stattdessen gebe es „lieblos aufgemachte Posts von Koalitionsmitteilungen plus Bilder Deiner Termine“ und Reden von Saleh. Ansonsten scheine kein Thema und „kein Mitglied der Fraktion wichtig genug zu sein, um öffentlich stattzufinden“. Salehs Schwerpunkte würde die Fraktion regelmäßig aus der Presse erfahren.

Mehr Ehrlichkeit bei Umgang mit Wahlschlappe

Nach dem desaströsen Wahlergebnis fehle eine Aufarbeitung in der Fraktion. Bislang habe sich die Debatte darauf beschränkt, „sich mit der Schuld oder der Verantwortung“ von anderen Parteimitgliedern zu beschäftigen.

Vor kurzem hatten die SPD-Abgeordneten Dennis Buchner und Sven Kohlmeier den Berliner Parteichef Michael Müller scharf kritisiert und ihm indirekt einen Rücktritt nahegelegt. Als Reaktion auf das Papier von Buchner und Kohlmeier sagte Saleh: „Viele machen sich Gedanken über den Zustand und die Zukunft unserer Partei, das wundert mich nicht. Die SPD muss wieder Berlin verstehen. Wir werden das zu diskutieren haben, auch in den Parteigremien.“

Das reicht den Fraktionsmitgliedern nicht. „Zu guter Führung gehört für uns auch, dass Du Dich unmittelbar und klar positionierst, wenn Kolleginnen und Kollegen den Rücktritt von Michael Müller fordern.“

Die Genossen fordern in der Fraktion eine ehrliche und offene Aufarbeitung und die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie. Die nächste Fraktionssitzung ist am kommenden Dienstag – nach dem Parteitag am Sonnabend, auf dem es ebenfalls eine Aussprache geben wird.

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