zum Hauptinhalt
Der Frühling war sehr sonnig und zu trocken.

© Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa

Vor allem zu trocken: Sonnigster Frühling seit 1893 – obwohl es kühl blieb

Der meteorologische Frühling ist zu Ende und hält einen neuen Rekord: 747 Sonnenstunden in Berlin und Potsdam. Die Eisheiligen hatten es trotzdem in sich.

Jahrhundertelang folgte auf irgendeinen Winter einfach irgendein Frühling. Jetzt folgt Rekord auf Rekord: Nach dem ersten komplett schneefreien Winter seit Beginn der ständigen Aufzeichnungen 1893 in Potsdam (die Berliner Referenzstation Dahlem folgte 1908) endet an diesem Pfingstsonntag der meteorologische Frühling, der sonniger war als alle anderen in den vergangenen 127 Jahren.

„Inklusive der Prognose für diesen Sonntag kommen wir auf 747 Sonnenstunden für Berlin und Potsdam“, sagt Jörg Riemann, meteorologischer Leiter des Dienstes „Wettermanufaktur“. Damit werde der alte Rekord um fast 30 Stunden überboten.

Den größten Beitrag dazu habe der April geleistet, der in Relation zur astronomisch möglichen Sonnenscheindauer sogar der sonnigste aller 1529 Monate seit Messbeginn der Potsdamer Wetterstation gewesen sei: 75 Prozent dessen, was die Sonne im April theoretisch leisten könnte, lieferte sie ab. Der bisherige Rekord stammte vom September 1959, der es auf 73 Prozent des astronomisch Möglichen brachte.

„Angesichts der vielen Sonne scheint es umso ungewöhnlicher, dass wir in diesem Frühling keinen einzigen Sommertag hatten, also nie mehr als 25 Grad“, sagt Riemann. „Das hat es seit 2004 nicht mehr gegeben; normal wären fünf solcher Tage.“

Die Blüte einer Pfingstrose. 
Die Blüte einer Pfingstrose. 

© Stephan Jansen/dpa

Zwar fehlte Mitte April in Potsdam einmal nur ein halbes und in Dahlem nur ein zehntel Grad bis zum meteorologischen Sommertag, aber im Mai war und ist es eher frischer. „Die Luft kam meist aus Skandinavien, war also kühl und trocken und entsprechend wolkenarm. Im Winter hätten wir bei derselben Wetterlage wie in den vergangenen Tagen strengen Dauerfrost.“

Ein halbes Grad minus in der Nacht – im Mai

Mit durchschnittlich 9,6 Grad über alle Tage und Nächte geht dieses Frühjahr allerdings doch noch mit einem Grad mehr durchs Ziel als das Mittel der vergangenen 128 Jahre. Mit einer Durchschnittstemperatur von 12,7 Grad war Berlin laut dem Deutschen Wetterdienst im Mai das zweitwärmste Bundesland.

Dass der Mai dennoch eher kühl war, haben Landwirte und Gartenbesitzer vor zweieinhalb Wochen schmerzlich erfahren: Ein halbes Grad minus in der Nacht – also am Boden eher minus zwei, drei – hat viele empfindliche Pflanzen und beträchtliche Teile der Obsternte dahingerafft: Weintrauben, Kirschen, Pflaumen. „Luftfrost Mitte Mai gibt es nur etwa alle zehn Jahre mal“, sagt Jörg Riemann. „Die Eisheiligen sind also keine sehr zuverlässige Bauernregel. Aber eine, an die man sich erinnert, denn die Schäden bei so spätem Frost sind immens.“

[Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]

Bleibt die Frage nach dem Regen, die sich zunehmend zur wichtigsten für die gesamte Region entwickelt: 128 Liter pro Quadratmeter hätten im Mittel der uralten Potsdamer Messreihe herunterkommen müssen.

Die Umstände sind nicht normal

Tatsächlich waren es 80. „Es fehlen also wieder rund 50 Liter pro Quadratmeter – und hochgerechnet seit Jahresbeginn immerhin noch 16. Nur der sehr regnerische Februar hat uns halbwegs gerettet“, sagt der Meteorologe und fügt hinzu, dass die 16 Liter unter normalen Umständen kaum der Rede wert wären. Aber die Umstände sind nicht normal, sondern so, dass sich seit 2018 ein Regendefizit von mehr als 300 Litern pro Quadratmeter angesammelt hat. Das ist mehr als ein halbes Jahressoll.

Wolken stehen über einer Landschaft im Landkreis Starnberg. 
Wolken stehen über einer Landschaft im Landkreis Starnberg. 

© Stephan Jansen/dpa

Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt folglich für Berlin und große Teile Brandenburgs sowie für ganz Sachsen – wo die Spree herkommt – dramatische Dürre in den tieferen Bodenschichten.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Riemann sieht zumindest etwas Linderung am Horizont seiner Computermodelle heraufziehen: „In der kommenden Woche wird es nicht nur wärmer, sondern auch der Tiefdruckeinfluss nimmt zu. Mittwoch bis Freitag sind die ersten Sommertage mit 25 Grad zu erwarten, aber das Risiko für Schauer und Gewitter steigt.“ Und soweit absehbar, bleibe es wohl übers nächste Wochenende hinaus durchwachsen bei kühleren Temperaturen und Chancen auf Regen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false