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Moderer Schick. Das Bricole gehört zu den vielversprechendsten Neueröffnungen des vergangenen Jahres.

© promo

Von Tisch zu Tisch: Bricole

Viele Kleinigkeiten beim Restaurantbesuch probieren - diesem Trend folgt auch das "Bricole" in Prenzlauer Berg. Und das mit Niveau und Gemütlichkeit.

Ein Restaurant, eine Speisekarte, Vorspeisen, Hauptgänge, Desserts. Bestellen der Reihe nach, aufessen. So war das mal, liebe Kinder, denn heute müssen wir normalerweise vor dem Essen erst einmal das Konzept des Betriebes auskundschaften. Ist es ein Gourmettempelchen mit festem Menü ohne Wahlmöglichkeiten? Gibt es Teller zum Teilen, sind sie eventuell sogar Pflicht? Handelt es sich um eine Weinbar, wo kleine Häppchen wichtiger sind als ein sättigendes Menü? Ist die Küche ganz aufs Neu-Regionale fixiert mit der Folge, dass es im Winter nur Wurzeln gibt, oder folgt sie dem Gebot der Weltläufigkeit?

Nur kleine Portionen

Im „Bricole“ in Prenzlauer Berg gibt es nur Vorspeisen. Was im Grunde aber nur heißt: kleine Portionen. Das entspricht den Wünschen vieler Gäste, die viele Kleinigkeiten probieren wollen und überhaupt keinen Wert auf mächtige Hauptgänge legen. Und das Bricole macht sich damit zumindest ehrlicher als andere, die ähnlich kleine Portionen unkommentiert auftischen. So oder so: Ich war nach vier Gängen angenehm gesättigt und verspürte keinen Drang zur Currywurst danach. Und ich muss schon mal vorab loben, dass das alles sehr fair ausgepreist ist zwischen 7 und 14 Euro oder in zwei Vier-Gang-Menüs für 32 und 34 Euro. Küchenchef ist Steven Zeidler, früher im (untergegangenen) „Schatz“.

Aktuelle Gourmetküche

Die Küche ist nicht nur in dieser Hinsicht flexibel, sondern auch stilistisch offen, wenngleich sie sich deutlich am Standard der aktuellen Gourmetküche orien- tiert, kleinteilig und kontrastreich arrangiert. Für Stilpuristen ist das gelegentlich eventuell einen Tick zu viel, wenn beispielsweise die sehr gut gemachte Rotbarsch-Ceviche von Beluga-Linsen, Chips von Kerbelknollen, Kiwi und Avocadocreme ein wenig zu bunt eingefriedet wird – aber das ist hier eine Ausnahme, denn sonst blieb eigentlich alles in vertrauter Harmonie, die nur durch Kleinigkeiten leicht aufgeraut wurde, das kann zum Beispiel das sanft säuerliche Zitronen-Gel sein, das den in Pumpernickel gerollten Ziegenkäse akzentuierte; rote Bete, Kräuter und knusprig gebrannte Körner ordneten sich unter.

Schöne Gelassenheit

Der schön feste Kabeljau mit grüner Sauce, Weißen Rübchen und Blumenkohl schrammte schon ein wenig die Grenze zum Braven, schmeckte aber dennoch prima. Die tiefgründige Pilzconsommé mit gefülltem Wirsing, Graupen und Schnittlauchöl bot sich ebenso als Modell für neue, bürgerliche Gasthausküche an wie der rosa Hirschkalbsrücken mit gebackener, etwas fester Petersilienwurzel, Grünkohlblättern und Portweinjus, wie ich diese Küche überhaupt am stärksten fand, wo sie sich in mitteleuropäischen Gefilden bewegte. Wozu auch das schön grob zerteilte Angus-Tatar mit Rosenkohlblättern, Röstzwiebeln und gebeiztem Eigelb gehört, das das klassische Rezept intelligent, aber ohne dekonstruktiven Furor ins 21. Jahrhundert abwandelt. Diese schöne Gelassenheit bestimmt die Bricole-Küche, die auf hohem Niveau nicht nach Höherem strebt.

Dekonstruierte Apfeltarte

Auch bei den Desserts – Einzelpreis um 7 Euro - ging es so erfreulich weiter, mit Mousse au chocolat mit Lavendelquittenchutney, Vanilleschaum und, schönes weihnachtliches Wort, Quitt-Engel... Ach so: Quitten-Gel. Die Apfeltarte wurde dann auf der Karte sogar als „dekonstruiert“ angekündigt, blieb aber geschmacklich im vertrauten Bereich, bereichert um Vanilleschmand und getrocknete Trauben.

Fabian Fischer, der junge Chef, verkauft das mit freundlich zugewandter Genauigkeit und schafft somit die Wohlfühlatmosphäre, die dieses gemütliche Restaurant auch optisch auszeichnet. Eine ganze Reihe guter, angenehm kalkulierter Weine gibt es obendrauf, und so lautet die Bilanz: Es gibt kaum ein anderes Restaurant in Berlin, das für, sagen wir, 100 Euro zwei Gästen soviel Genuss bietet. Oder auch für sehr viel weniger, denn jeder kann bestellen, worauf er Lust hat. In diesem Sinn ist das „Bricole“ auch eine Weinbar, ein Restaurant „zum Teilen“ und allerhand anderes, passt also bestens zu Berlin. Wer allerdings unbedingt mit dem Auto anreisen will, sollte das lieber noch einmal überdenken...

Bricole, Senefelderstr. 30, Prenzlauer Berg, Tel. 8442 1362, Di-Sa ab 18 Uhr. Reservierungen auch über opentable.de

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