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Menschen warten im Impfzentrum unter dem Messeturm auf ihre Impfung.

© Paul Zinken/picture alliance/dpa

Update

Von Skepsis bis Zustimmung: Corona-Impfpflicht bei Parteien in Berlin umstritten

Soll es eine allgemeine Impfpflicht geben? Berlins Regierender Bürgermeister ist dafür. Aber die Ansichten in der Landespolitik darüber gehen auseinander.

Nach dem Vorstoß von Berlin Noch-Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) für eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona gehen die Meinungen im politischen Berlin auseinander.

Unterstützung für die Forderung signalisierte Müllers wahrscheinliche Nachfolgerin Franziska Giffey (SPD), auch die CDU zeigte sich offen dafür. Die FDP reagierte skeptisch, die AfD lehnt eine Impfpflicht als einen aus ihrer Sicht zu schwerwiegenden Grundrechtseingriff ab. Grüne und Linke positionierten sich in der Frage nicht klar mit Ja oder Nein.

Müller hatte in der RBB-Abendschau gesagt: „Die Durchsetzung der Impfpflicht ist das Gebot der Stunde.“ Trotzdem falle es ihm schwer, es sei ein Abwägungsprozess.

Mit Blick auf die aktuelle Situation und die Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate werde deutlich, dass man um die Impfpflicht nicht herum komme. „In der Situation in der wir jetzt sind, sind wir durch die vielen Ungeimpften“, sagte Müller. Ein Schritt in Richtung Normalität werde durch die hohe Zahl an Menschen ohne Corona-Impfung immer wieder verhindert.

Dass es Abstimmungen unter und mit den Ministerpräsidenten anderer Länder gebe, die sich ebenfalls für eine Impfpflicht ausgesprochen haben, verneinte Müller. In den vergangenen Wochen sei er immer noch unsicher bezüglich der Impfpflicht gewesen, denn die Reaktionen in anderen Ländern seien heftig.

Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister
Michael Müller (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister

© Wolfgang Kumm/dpa

Er denke, dass auch zum Schluss immer noch Menschen die Impfung verweigern würden. „Aber ich glaube, es ist nicht mehr tragbar immer wieder die Geimpften zu bestrafen für die Unvernunft der Ungeimpften. Wir müssen jetzt irgendwann diese Impfquote so durchsetzen, dass wir alle sicher miteinander leben können“, sagte der Regierende Bürgermeister. 

Berlins SPD-Vorsitzende Giffey plädierte für eine Impfpflicht, sollte sich die Corona-Lage weiter verschlimmern. „Eine allgemeine Impfpflicht kann immer nur das letzte Mittel sein, wenn alle anderen, milderen Mittel ausgeschöpft sind und keine ausreichende Wirkung erzielen“, twitterte die Politikerin, die im Dezember zu Müllers Nachfolgerin gewählt werden soll, am Mittwoch. „Wenn sich die Lage weiter zuspitzt, werden wir diesen Weg gehen müssen.“

Franziska Giffey (SPD) sprach sich ebenfalls für eine allgemeine Impfpflicht aus, sollte sich die Corona-Lage verschlimmern.
Franziska Giffey (SPD) sprach sich ebenfalls für eine allgemeine Impfpflicht aus, sollte sich die Corona-Lage verschlimmern.

© imago images/Fotostand

Der CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Kai Wegner sagte, seine Partei unterstütze jeden Vorschlag, der die vierte Welle breche. „Es ist erfreulich, dass auch die Zahl der Erstimpfungen derzeit steigt.“ Notwendig sei, die Kapazitäten schnell auszubauen und noch entschlossener für die Impfkampagne zu werben. „Wenn die Zahl der Impfverweigerer zu groß bleibt, könnte am Ende eine allgemeine Impfpflicht stehen, um Corona endgültig zu besiegen“, sagte Wegner.

Czaja: Einer Impfpflicht müsste eine Impfgarantie gegenüberstehen

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja warnte, die Debatte über eine Impfpflicht sei keine Lösung für die akuten Herausforderungen. „Denn einerseits müsste einer Impfpflicht immer auch eine Impfgarantie gegenüberstehen, was aufgrund des Impfstoffmangels aktuell nicht möglich ist“, so Czaja. „Andererseits könnte eine Impfpflicht ihre Wirkung erst mit größerer zeitlicher Verzögerung entfalten.“

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Deshalb müsse das Augenmerk darauf gerichtet werden, bestimmte Berufsgruppen wie Pflegekräfte und Krankenhauspersonal prioritär zu impfen. „Der Weg aus der Pandemie ist eine hohe Impfquote. Daher muss Berlin dafür sorgen, dass möglichst viel medizinisches Personal - auch Zahnärzte oder Hausärzte - Impfungen vornehmen kann“, sagte Czaja auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

AfD: „Schwerwiegender Eingriff in die Selbstbestimmung über den eigenen Körper“

Der AfD-Gesundheitsexperte Frank-Christian Hansel sagte, die AfD-Fraktion lehne eine Impfpflicht sowohl in Bezug auf bestimmte Berufsgruppen als auch allgemein ab. „Zur grundgesetzlich geschützten Würde der Menschen gehört auch die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Eine Impfpflicht wäre ein schwerwiegender Eingriff in diese Selbstbestimmung und verstieße damit gegen das Grundgesetz.“

In Bezug auf das Infektionsgeschehen sei eine Impfpflicht nicht zu begründen, weil die Impfung weder vor der Infektion mit dem Coronavirus noch vor seiner Weitergabe an andere schütze. „Anstelle der einseitigen Fixierung der Politik auf die Impfung sollte der Schwerpunkt auf regelmäßiges Testen und die Entwicklung von wirksamen Medikamenten und Behandlungsmethoden gelegt werden.“

Bettina Jarasch (Grüne) wollte sich beim Thema Corona-Impfpflicht nicht festlegen.
Bettina Jarasch (Grüne) wollte sich beim Thema Corona-Impfpflicht nicht festlegen.

© Annette Riedl/dpa

Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch wollte sich bei dem Thema nicht festlegen. „Impfen ist der Weg aus der Pandemie“, erklärte sie auf dpa-Anfrage. „Wir müssen alles tun, was Berlin selber entscheiden kann, um die Impfquoten hochzukriegen“. Als Beispiele nannte sie mobile Impfteams, Aufklärungsgespräche oder Kampagnen. „Es ist bedauerlich, dass wir jetzt über die Einführung einer Impfpflicht reden müssen“, sagte Jarasch. „Wenn der Bund die Impfpflicht beschließt, müssen wir sie zügig umsetzen und für Akzeptanz werben.“

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Die Linke-Fraktion werde sich in der kommenden Woche eingehend mit dem Thema beschäftigen, kündigte Fraktionssprecher Thomas Bartel an. Die Frage lasse sich nicht nicht durch ein einfaches Ja oder Nein beantworten. Das zeige die Diskussion darüber, wie diejenigen sanktioniert werden sollten, die sich der allgemeinen Impfpflicht widersetzen.

Überlegungen wie die, Ungeimpfte künftig an eventuellen Behandlungskosten zu beteiligen oder sie vom Krankenversicherungsschutz auszuschließen, lehne die Linke-Fraktion ab.

„Eine allgemeine Impfpflicht dürfte aus unserer Sicht in keiner Form mit einer Einschränkung des Solidarsystems in den sozialen Sicherungssystemen verbunden werden“, sagte Barthel. (dpa,Tsp)

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