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Nur mit Abstand. Auch in normalen Zeiten durften Schüler beim Abitur nicht eng nebeneinandersitzen

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Update

Von Notbetreuung bis Abiturprüfungen: Das ist Berlins Fahrplan für Kitas und Schulen in der Corona-Krise

Alle Prüfungen finden statt, Kernfächer gehen vor, Kitas sind erst ab August im Regelbetrieb: Was der Senat will - und wie Betroffene reagieren.

Die groben Linien haben die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten vorgegeben, jetzt geht es um die Feinheiten des Wiedereinstiegs in den geregelten Schul- und Kita-Alltag in Berlin: Der Senat hat dazu am Donnerstag erste Regelungen beschlossen.

Sicherheitsaspekte, Bedürfnisse der Eltern und der Lernerfolg der Schüler waren abzuwägen. Das Ergebnis ist eine „behutsame Teilöffnung der Schulen“, wie Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nach der Senatssitzung erläuterte.

Die Kita-Eltern müssen zum Teil noch bis 1. August warten. Trotz Protesten von Schülern und Schulleitern, genauso wie von Eltern, Verbänden und Gewerkschaften sollen alle Abschlussprüfungen stattfinden.

Wann geht für wen die Schule los?

Als erstes sollen die Zehntklässler am Montag, dem 27. April, in die Schulen zurückkommen. Sie werden vorgezogen, damit sie besser auf die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) vorbereitet werden können, teilte die Senatsverwaltung für Bildung am Donnerstag mit.

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Am 4. Mai sollen die Sechstklässler der Grundschulen zurückkehren sowie die elften Klassen der Gymnasien und die neunten und zwölften Klassen an den Integrierten Sekundarschulen. Erst im Laufe der folgenden Wochen würden dann – je nach Entwicklung der Infektionszahlen – „sukzessive weitere Jahrgänge“ einbezogen werden.

Wie wird der Unterricht organisiert?

Der Unterricht in den Kernfächern hat Priorität: Wenn also nur wenige Stunden am Tag in Teilgruppen unterrichtet werden kann, müssen sich die Lehrer gegen Fächer wie Wirtschaft, Geschichte, Ethik, Kunst oder Chemie und für Mathematik, Deutsch und Englisch entscheiden. Darüber hinaus müssen die Lehrkräfte weiterhin Fernunterricht anbieten.

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Die schrittweise Öffnung soll laut Scheeres „behutsam unter Vorgaben des Mindestabstandes, der Hygienevorschriften und des Arbeitsschutzes“ erfolgen.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag bei der Pressekonferenz nach der Sitzung des Berliner Senats.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag bei der Pressekonferenz nach der Sitzung des Berliner Senats.

© Fabian Sommer/dpa

Was passiert in den Berufsschulen?

An den beruflichen Schulen und allen Oberstufenzentren startet am 27. April die Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung mit der Konzentration auf die Prüfungen zur erweiterten Berufsbildungsreife und zum MSA.

Ab dem 4. Mai kommen die Abschlussjahrgänge der Berufsschulen dazu. Dabei geht es auch um die Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen der Kammern aller dualen Ausbildungen.

Was wird aus den MSA-Prüfungen an Sekundarschulen und Gymnasien?

Allen Protesten zum Trotz sollen auch die Zehntklässler der Sekundarschulen und Gymnasien zu den MSA-Prüfungen antreten. Am 25. Mai wird die zentrale Prüfung in Mathematik geschrieben, es folgt am 27. Mai die Fremdsprache und am 3. Juni Deutsch. Die Nachschreibtermine liegen am 8., 10. und 12. Juni. Anders als die Abiturprüfungen sind die MSA-Prüfungen reine Ländersache. Berlin hätte sie daher ausfallen lassen können. Dafür hatte zuletzt auch die Linke in der Koalition votiert.

Kultusministerkonferenz: "Der MSA wird ohne Prüfung anerkannt"

Es gebe zur Durchführung des Abschlusses der zehnten Klasse – anders als beim Abitur - keine Vorgaben der Kultusministerkonferenz, bestätigte deren Sprecher, Torsten Heil, dem Tagesspiegel auf Anfrage. Daher werde der Mittlere Schulabschluss bundesweit auch "ohne Prüfung anerkannt".

Finden die Abiturprüfungen statt?

Bei den Prüfungen zum Abitur blieben die Proteste bislang ebenso erfolglos wie beim MSA: Die Abiturprüfungen beginnen am 20. April mit dem Leistungskurs Latein. Am 22. April folgen die Leistungskurse Biologie und Neugriechisch, am 24. April wird es voll: Englisch ist dran. Weiter geht es am 27. April mit Spanisch, am 28. April mit Französisch. Die übrigen Klausuren ziehen sich hin bis zum 19. Mai. Die Nachschreibetermin schließen sich direkt an und dauern bis zum 4. Juni.

Was sagen die Schüler dazu?

„Wir halten das Vorgehen der Senatorin Scheeres für fahrlässig, gesundheitsgefährdend und ungerecht“, lautete die Reaktion des Landesschülerausschusses. Das Gremium rufe „jeden Schüler dazu auf, rechtliche Schritte gegen die Senatorin einzuleiten, und wir werden jeden dabei unterstützen, der dies vorsieht“, kündigte Landesschülersprecher Miguel Góngora an. Vertreter von über 170 Oberschulen hatten sich im Vorfeld gegen die Prüfungen positioniert. Auch am Donnerstag meldeten sich zahlreiche Schüler, die Angst vor Ansteckung haben.

Was sagen die Schulleiter?

"Anstatt die 'Heilige Kuh MSA' zu schlachten, wird sie weiter gefüttert", kritisiert Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren. Wertvolle Lernzeit zur Vorbereitung des ersten Semesters in der Oberstufe gehe verloren, bedauert Treptow, weil die MSA-Prüfungen vorbereitet werden müssten. Mehr noch: Auch in den anderen Klassenstufen falle Unterricht aus, weil an der Schule Ruhe für die Prüflinge herrschen müsse: Die anderen Schüler müssten in dieser Zeit mitunter zu Hause bleiben.

"Die Entscheidung für die Prüfungen ist eine Entscheidung gegen Unterricht", sagte auch Andreas Steiner vom Steglitzer Fichtenberg-Gymnasium am Donnerstagabend in einem ARD-Beitrag. Er hatte schon im Vorfeld vor den Konsequenzen gewarnt.

Überdies führe das Festhalten an der Durchführung aller Prüfungen zu Benachteiligungen der aktuellen Abschlussjahrgänge, denn diese Schüler würden "durch psychologische und familiäre Probleme, fehlende Lernmöglichkeiten in den Wohnungen und auch miteinander sowie allein durch die bestehenden Unsicherheiten stark belastet", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des Sekundarschulleiterverbandes BISSS und des Landesschülerausschusses. Die sichere Einhaltung der Hygieneregeln könne bei der Durchführung der MSA-Prüfungen, an denen ein gesamter Jahrgang gleichzeitig teilnimmt, "nicht an allen Schulen gewährleistet werden".

Wie wird mit den Kitas verfahren?

Die Berliner Kitas bieten weiterhin erstmal nur eine Notbetreuung an. Diese wird stufenweise ab dem 27. April erweitert. Dieses „Phasen-Modell“ werde mit Blick auf die epidemiologische Entwicklung laufend bewertet und „bei Bedarf angepasst“.

Wer profitiert von der Erweiterung der Notbetreuung?

Als erster Schritt ist vorgesehen, dass mehr Berufsgruppen als bisher auch dann ihr Kind in die Kita bringen dürfen, wenn nur ein Elternteil in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Auch Kinder aus Familien beziehungsweise von Alleinerziehenden „in besonders herausfordernden Situationen“ werden dann die Notbetreuung besuchen können. Später werden weitere Berufsgruppen benannt, die Zugang zur Notbetreuung erhalten sollen.

Wann sind die Vorschüler dran?

Erst nachdem die genannten besonderen Gruppen berücksichtigt wurden, kommen die Kinder dran, die im Sommer eingeschult werden. Auf ihnen liegt das besondere Augenmerk, weil sie ohne eine vorschulische Förderung größere Eingewöhnungsschwierigkeiten haben dürften.

Für viele dieser Kinder gilt eigentlich eine Kitapflicht, weil sie schlecht Deutsch können oder motorische Störungen haben. Fachleute hatten daher geraten, diese Kinder möglichst früh zu berücksichtigen. Als nächste Gruppe sind die Kinder an der Reihe, die noch in die Kita eingewöhnt werden müssen.

Wann beginnt der Normalbetrieb?

Wer nicht zu den genannten Gruppen gehört, muss bis zum Beginn des neuen Kitajahres am 1. August 2020 auf die Betreuung warten.

Und wie machen's die anderen? Lesen Sie hier, wie Dänemark die Rückkehr in die Schulen organisiert hat - mit einigen strikten Regeln.

Was sagen die Eltern?

"Die Eltern sind gespalten", sagt Corinna Balkow, die Vorsitzende des Landeselternausschusses für die Kindertagesstätten (LEAK). Manchen dauere die Kitaschließung schon jetzt zu lange, andere würden den Kitabesuch am liebsten rauszögern, um weniger Gesundheitsrisiken einzugehen. Diese Gruppe wünsche sich aber einen finanziellen Ausgleich, weil Einnahmen aus der Berufstätigkeit fehlen, sagte Balkow.

Sie verwies dabei auf eine neue Petition beim Petitionsportal change.org, bei der innerhalb eines Tages bis Donnerstagabend rund 11.000 Menschen unterschrieben hatten.

Eine Petition für eine Notfallzahlung

Dort wird "als erster Schritt" gefordert, dass Eltern mit kleinen Kindern eine Notfallzahlung von 1000 Euro erhalten. So könnten "die schlimmsten Verdienstausfälle ausgeglichen und eventuell professionelle Einzelbetreuung organisiert werden".

Der Aufruf stammt von Katharina Mahrt, die auch zur Initiative "Kitakrise" gehört.

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