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Auch Nagel- und Sonnenstudios dürfen wieder öffnen. Als ein Problem für viele Mitarbeiterinnen und Kundinnen entpuppt sich die weiterhin fehlende Kinderbetreuung.

© Christin Klose

Von Kosmetiksalon bis Madame Tussauds: Nach dem Corona-Schlaf funktioniert vieles anders

Kosmetikstudios und Wachsfigurenkabinette standen zuletzt nicht im Fokus: Auch sie arbeiten jetzt wieder – nur anders als früher.

Es ging in vielen Wirtschaftsbranchen in den vergangenen Wochen nur wenig – bis gar nichts, weil sie nicht systemrelevant waren und ihre Läden schließen mussten. In Berlin haben 32.795 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Den siebenwöchigen Lockdown konnten Soloselbstständige sowie Klein- und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden nur mit den Zuschüssen der Soforthilfeprogramme – bis zu 15.000 Euro pro Antragsteller – überstehen.

266.000 Selbstständige, Freiberufler und Kleinstunternehmen haben davon Gebrauch gemacht; das Land hat 1,8 Milliarden Euro ausgezahlt. Nun gibt es weitere Lockerungen, einige Gewerbe können nach knapp zwei Monaten erstmals wieder öffnen – doch das hat seinen Preis.

Schön in der Krise: Kosmetikbranche hat es schwer

Einerseits freut sich Ilksen Erden (41), dass sie in ihrem Kosmetikstudio „Lady Derma“ in der Kreuzberger Körtestraße am Montag nach so langer Zwangspause wieder Kundinnen behandeln durfte. Doch für die Mutter zweier Töchter ist das nicht einfach. „Wir gelten nicht als systemrelevant, daher müssen die Kinder zu Hause betreut werden“, gibt sie zu bedenken. Sie habe Glück, weil noch vor der Krise ihre Eltern aus der Türkei zu Besuch kamen und nun bleiben. Sie kümmern sich um die Kinder.

Auch ihre beiden Mitarbeiterinnen könnten nur zur Arbeit kommen, weil entweder der Mann derzeit ohne Job und daheim ist, oder die Kinder nicht mehr klein sind.

So wie ihr geht es wohl den meisten aus ihrer Branche: Nicht nur die Kundschaft ist meist weiblich, sondern auch das Personal, und die Kinderbetreuung bleibe immer noch meist an den Frauen hängen.

Der Terminkalender fülle sich zwar rasch, doch wegen der Hygienevorschriften kann sie weniger Kunden als früher annehmen.

Kein Spaß am Shoppen: Einzelhandel bricht ein

Auch, wenn nun überall wieder geshoppt werden kann, sehen die Händler keinen Grund zur Freude: Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) rechnet ein Großteil der Befragten aus dem Handel mit Umsatzeinbrüchen von bis zu 50 Prozent im gesamten Jahr aufgrund der Pandemie. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) beobachtet einen „massiven Einbruch des privaten Konsums“.

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Fast ein Viertel der befragten Einzelhändler gab an, dass ihr täglicher Umsatz im Vergleich zur Vorkrisenzeit um bis zu 50 Prozent gesunken ist, knapp 17 Prozent gaben gar an, dass sie täglich 75 Prozent weniger einnehmen als vor der Coronakrise.

Zweifelhaftes Shoppingvergnügen - wie hier dieser Tage beim "Alexa"-Einkaufszentrum in Berlin. In den Geschäften herrscht Maskenpflicht. Manche Läden haben die Umkleidekabinen gesperrt.
Zweifelhaftes Shoppingvergnügen - wie hier dieser Tage beim "Alexa"-Einkaufszentrum in Berlin. In den Geschäften herrscht Maskenpflicht. Manche Läden haben die Umkleidekabinen gesperrt.

© John MacDougall/AFP

Die durchschnittlichen Kosten für ihr Geschäft wiederum seien bei fast drei viertel der Befragten nicht oder kaum gesunken. 11,4 Prozent gaben sogar an, dass die Kosten gestiegen sind. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbands, hatte bereits im Zuge der Öffnung der Karstadt/Kaufhof- und KaDeWe-Filialen Anfang Mai betont, dass besonders die Läden, die in Top-City-Lagen sind, besonders hart von der Krise getroffen würden – insbesondere natürlich wegen der fehlenden Touristen. Die Händler und kleinen Shopping-Malls im Kiez stünden dagegen etwas besser da. „Die Leute besorgen das, was sie brauchen, eher im Kiez“, sagte er.

Handwerker legen gebremst los: Nicht alle Gewerke haben Aufträge

Das Handwerk ist nun wieder komplett arbeitsfähig – doch die Verluste, die bei den meisten Gewerken während des Shutdowns entstanden sind, seien nur schwer wieder aufzuholen, erklärte Handwerkskammer-Präsidentin Carola Zarth. Das Hochfahren vieler Leistungen sei oft nur eingeschränkt wieder möglich – vor allem für Zulieferer, etwa Tischler für den Messebau, aber auch Zahntechniker. Sie werden von Dentisten weniger nachgefragt, weil diese nur noch Notdienste anbieten.

Gleiches gilt für Gebäudereiniger: Abgesagte Großveranstaltungen und die geschlossene Hotellerie treffen auch sie.

Attraktionen ohne Gedränge: Berliner sollen für Touristen einspringen

Nach mehreren Wochen Pause darf man seit heute wieder gucken bei „Madame Tussauds“. Aber nichts anfassen! Ganz nah auf Tuchfühlung gehen mit den täuschend echt aussehenden Starfiguren ist nicht mehr erlaubt. So dürfen Besucherinnen und Besucher zum Beispiel keine blonde Perücke mehr ausleihen, um neben Filmikone Marilyn Monroe über dem berühmten Lüftungsschacht fürs Foto zu posieren. „Aus Hygienegründen“, erklärt Ulf Tiedemann, Marketingchef der Merlin Entertainments Group Deutschland GmbH.

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Das Unternehmen betreibt neben dem berühmten Wachsfigurenkabinett in der Straße Unter den Linden allein in Berlin vier weitere Attraktionen, die zusammen in normalen Zeiten jedes Jahr Hunderttausende Touristen und einheimische Gäste begrüßen – die Miniaturwelt „Little Big City“ am Alex, das Legoland im SonyCenter, das „Sealife“ im Dom Aquarée in der Spandauer Straße in Mitte sowie die Grusel-History-Show „Berlin Dungeon“ gleich nebenan. Alle diese Einrichtung sind klar kommerziell ausgereichtet, nicht von Zahlungen der Mehrwertsteuer befreit. Merlin Entertainments hat auch keinen direkten Zugang zu dem zuletzt aufgesetzten Soforthilfeprogramm für Kultureinrichtungen, beschäftigt trotzdem allein in Berlin rund 300 Leute. „Wir schielen auch nicht auf Staatshilfen, wir wollen einfach nur wieder Gäste begrüßen“, sagt Merlin-Manager Tiedemann.

Nah am Original. Diese Figuren der zeitgenössischen Weltpolitik im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds Berlin können seit heute wieder besucht werden.
Nah am Original. Diese Figuren der zeitgenössischen Weltpolitik im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds Berlin können seit heute wieder besucht werden.

© Britta Pedersen/dpa

Daher hatte das Unternehmen bereits vorvergangene Woche Briefe an den Regierenden Bürgermeister, Kulturstaatsministerin und den Kultursenator geschickt. Darin hieß es: „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und können mit unserem Sicherheitskonzept für die Sicherheit der Besucher und Mitarbeiter garantieren. Dass unsere Branche von der Stadt bisher vollkommen ignoriert wird, ist nicht nur enttäuschend, sondern für einen gesamten Wirtschaftszweig auch existentiell gefährdend.“

Als globale Gruppe könne man zudem auf die Erfahrungen ihrer Attraktionen mit der Wiedereröffnung in Asien aufbauen. Der Senat billigte dann die Öffnung von Madame Tussauds und Little Big City. Warum er die anderen Häuser nicht öffnen darf, erschließt sich Tiedemann nicht. „Auch da können wir unsere stark verschärften Hygienepläne umsetzen“.

In der Miniaturwelt zum Beispiel haben Techniker in den vergangenen beiden Tagen Druckknöpfe durch Lichtsensoren ersetzt. Auch gilt Maskenpflicht, und es werden keine Speisen verkauft. Es kommt nur eine Person pro zehn Quadratmeter Ausstellungsfläche hinein. Das bedeutet für Merlin Entertainments deutlich weniger Umsatz. „Dafür bietet sich Berlinerinnen und Berlinern die bisher einmalige Gelegenheit, ohne jedes Gedränge unsere Attraktionen zu besuchen“.

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