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Von Kienberg zur Kathedrale mit der U5: Wie Berlin zu seiner Kanzlerlinie kam

1930 eröffnete die Stammstrecke der U5. Bis zur Linie Hauptbahnhof–Hönow war es ein langer Weg. Und nicht immer war klar, wo Züge einmal enden. Ein Rückblick.

Kanzlerlinie. Wer spricht eigentlich noch von der Kanzlerlinie? 25 Jahre sind verstrichen zwischen dem ersten Spatenstich 1995 und der ersten Fahrt 2020, eine sehr lange Zeit. Die Popularität des Spitznamens hat darunter gelitten.

Am 4. Dezember bekommt Berlin eine neue U-Bahn-Linie. Die U5 aus Hönow endet dann nicht mehr am Alexanderplatz, sondern am Hauptbahnhof. Die letzte echte Erweiterung des Netzes ist übrigens 26 Jahre her, im September 1994 kam der Nordast der U8 hinzu, vom Paracelsus-Bad bis Wittenau. Danach wurden nur noch ein paar Hundert Meter gebaut, einige Verlängerungen um jeweils eine Station, bis Hermannstraße an der U8 und die U2 nach Pankow.

Die U5 ist also von einiger Bedeutung, wegen der Kosten, der Geschichte, der Zentralität – um nur einige Punkte zu nennen.

Drei Stationen kommen hinzu, eine muss man noch in Klammern nennen: Der Bahnhof Museumsinsel wird erst kommendes Jahr fertig, so lange fahren die Züge durch ohne Halt. Die zwei Kilometer Strecke kosten (bislang) 525 Millionen Euro, das sind noch deutlich mehr als die 150 Millionen pro Kilometer, die der Weiterbau der Autobahn 100 nach Treptow derzeit verschlingt.

Und natürlich müssen noch die 320 Millionen addiert werden, die die U55 gekostet hat. Denn das westliche Ende der neuen U5 war bereits 2009 fertig. Bis März dieses Jahres pendelte ein Minizug zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor, eine komplett unsinnige Linie. Sie ist durch den Lückenschluss nun Geschichte.

2002 hatte der Senat den U5-Bau aus Geldmangel gestoppt – das passte dem Bund gar nicht

Da sind wir wieder ein wenig auch beim Kanzler. Denn 2002 hatte der Berliner Senat den U5-Bau aus Geldmangel gestoppt. Die Stationen Hauptbahnhof und Reichstag waren da schon im Rohbau fertig. Der Bau der Linie durch die Mitte der Mitte, direkt am Reichstag vorbei, war Renommierprojekt der Bundesregierung, im Hauptstadtvertrag zwischen Bund und Berlin geregelt. Der Spitzname „Kanzlerlinie“ stammt aus dieser Zeit. Helmut Kohl hatte 1995 den ersten Spaten in die Hand genommen, für das Gesamtprojekt aus Fernbahntunnel, Autotunnel und eben der U-Bahn.

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Der städtische Baustopp passte dem Bund gar nicht, er forderte 170 Millionen Euro Fördergeld zurück. Also griff Berlin in die Trickkiste, baute ab 2003 das Stückchen zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor als U55 fertig und vergaß erst einmal das Mittelstück.

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Einige Jahre später dämmerte es der Stadt, dass die Stummelstrecke keine Zukunft hat, und man beschloss, das Mittelstück nun doch zu bauen. Am 13. April 2010 gab es den zweiten ersten Spatenstich, nun für das Mittelstück, nun durch Klaus Wowereit. Geplante Fertigstellung: 2017. Im BER-Maßstab gesehen ist also alles gut.

Berlin macht auf Moskau

Es sind, für Berliner Verhältnisse, grandiose Stationen. Berlin macht auf Moskau, möchte man sagen, die Bahnhöfe sind ebenso großzügig wie schick. Am Roten Rathaus lassen sich Gleise und Bahnsteig mit den sieben pilzförmigen Mittelstützen von einem verglasten Quergang aus überblicken.

Der Bahnhof mit dem Sternenhimmel: Die Station Museumsinsel soll erst 2021 eröffnet werden.
Der Bahnhof mit dem Sternenhimmel: Die Station Museumsinsel soll erst 2021 eröffnet werden.

© Simulation: Max Dudler

Die Station Museumsinsel bekommt einen „spektakulären Sternenhimmel“ (O-Ton BVG) aus 6662 Lichtpunkten, die an einer 80 Tonnen schweren Stahlkonstruktion hängen. Der Architekt hatte sich von Schinkels Entwurf für Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ von 1815 inspirieren lassen.

Die größte Bedeutung hat natürlich Unter den Linden, wo in einer unterirdischen „Kathedrale“ umgestiegen werden kann in die U6. Eine Begründung für den Bau der U5 war ja die gewünschte Entlastung der Stadtbahnstrecke der S-Bahn.

Die Zwischenebene zwischen U5 und U6 am Bahnhof Unter den Linden.
Die Zwischenebene zwischen U5 und U6 am Bahnhof Unter den Linden.

© Simulation: hentschel-oestreich

Die U6 dürfte, so die Prognosen, eine große Zahl Fahrgäste gewinnen. Sobald genügend Neubauzüge fertig sind, soll der Takt auf der Linie auf 3,3 Minuten verdichtet werden, bislang sind es fünf Minuten. Die U5 soll laut Senatsplänen zwischen Kaulsdorf-Nord und Hauptbahnhof auch einen 3,3-Minuten-Takt bekommen, wenn es wieder Züge gibt.

Der Bahnhof Wuhletal ist berlinweit einmalig

Auf 22 Kilometern wird es sieben Umsteigebahnhöfe geben, außer dem zur U6 und am Alexanderplatz übrigens alle zur S-Bahn. Ein Bahnhof ist berlinweit einmalig: In Wuhletal kann am gleichen Bahnsteig in die S-Bahn gewechselt werden, und zwar in die gleiche Richtung. Ein solch vorbildliches Angebot gibt es nur selten in Deutschland.

Wuhletal stammt aus den 80er Jahren, wie auch große Teile der U5. Ende der 1970er Jahre plante die DDR ein riesiges Wohngebiet, aus dem später der Bezirk Hellersdorf wurde. Alle anderen Plattenbaugebiete im Osten waren an die S-Bahn angebunden worden, zum Beispiel Marzahn. Doch die Stadtbahn war bereits überlastet, sie konnte keine weiteren Züge aufnehmen. So entsann man sich der U5.

[Wenn die U5 vom Alexanderplatz zum Hauptbahnhof in Betrieb geht, schließt der Bahnhof Französische Straße. Er hat eine bewegte Vergangenheit. Lesen Sie den Nachruf auf Tagesspiegel Plus.]

Jahrzehntelang sollte die 1930 zwischen Alexanderplatz und Friedrichsfelde eröffnete Strecke weiter gebaut werden Richtung Karlshorst und Oberschöneweide, 1973 war als erster neuer und einziger unterirdischer U-Bahnhof Ost-Berlins der neue Endpunkt Tierpark eröffnet worden. Der damalige Tierpark-Direktor Dathe hatte sich sehr für eine Anbindung des 1955 eröffneten Ost-Berliner Zoos eingesetzt. In der großzügigen Station weist ein buntes Wandmosaik mit Tiermotiven den Weg zum Eingang des Tierparks.

Ein Blick auf den Stadtplan zeigt: Die Strecke führt hier nach Südosten. Doch die Not, Hellersdorf anzubinden, war so groß, dass ein bestehender Tunnelstutzen Richtung Karlshorst einfach abgerissen und die Strecke in scharfer 90-Grad-Kurve abgeknickt wurde. Nun führt die Strecke vom Tierpark nach Nordosten.

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Praktischerweise lag direkt hinter der Kurve eine alte Eisenbahnstrecke, die genutzt werden konnte. Geld war knapp, oberirdisches Bauen viel billiger. An der Kreuzung mit der S-Bahn-Strecke nach Strausberg entstand besagter Bahnhof Wuhletal, dahinter ging es bis Kaulsdorf-Nord ein kurzes Stück in den Tunnel, das bestehende Wohngebiet sollte nicht zerschnitten werden. 1988 war der Elsterwerdaer Platz erreicht, im Juli 1989 Hönow.

1990 wurde das Areal bis zum Bahnhof Hönow nach Berlin eingemeindet

Vier Monate später fiel die Mauer und zwei Jahre später die Namensschilder an zwei Stationen. Der NVA-General Heinz Hoffmann und der stellvertretende Staatsratsvorsitzende Paul Verner waren unerwünscht. Unerwünscht war auch, dass die beiden letzten Bahnhöfe, Paul-Verner-Straße und Hönow, im Bezirk Frankfurt (Oder) lagen. Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde das Areal bis zum Bahnhof Hönow flugs nach Berlin eingemeindet, damit die gesamte U-Bahn zur Hauptstadt gehört.

Am anderen Ende der Strecke hat es viele Ideen für einen Weiterbau gegeben, ganz früher sollte es über Moabit und Siemensstadt nach Haselhorst gehen, nach Eröffnung des Flughafens Tegel ebendorthin. Der Bahnhof Jungfernheide (U7) hatte beim Bau Ende der 70er Jahre zwei Bahnsteige übereinander bekommen, als Vorleistung für die Anbindung des Flughafens.

Mittlerweile ist der Flughafen Tegel geschlossen, im nicht genutzten mehrere Hundert Meter langen Tunnel übt seit fast 20 Jahren die Feuerwehr die Bekämpfung von Bränden im Untergrund. Ob die U5 jemals über den Hauptbahnhof weiter nach Westen verlängert wird, ist offen. Derzeit wird in Berlin an etwa zehn Stellen über eine Erweiterung des Netzes diskutiert, die U5 gehört nicht dazu. Zudem soll nun oberirdisch die Straßenbahn vom Hauptbahnhof nach Moabit verlängert werden.

2025 sollen die Züge auf der U5 und 8 halbautomatisch fahren

Die U5 soll aber in fünf Jahren wieder im Mittelpunkt stehen. 2025 sollen auf dieser Linie und der U8 die Züge halbautomatisch fahren. Ganz auf Fahrer will die BVG wie berichtet nicht verzichten. Doch auf den beiden Großprofillinien soll modernste Zugsicherungstechnik getestet werden – die Hindernisse im Gleis erkennen und den Zug automatisch bremsen soll.

Schon von 1996 bis 2000 war ein automatisierter Betrieb auf der U5 getestet worden zwischen den Bahnhöfen Friedrichsfelde und Biesdorf-Süd. Die U5 sollte die modernste U-Bahn in Deutschland werden. Als die Verlängerung 2002 gestoppt wurde, wurden diese Pläne allerdings gleich mitbegraben. Den Titel hat längst Nürnberg inne, wo zwei der drei Linien unter der Stadt völlig ohne Fahrer verkehren.

Dafür hat Berlin ab Freitag eine U-Bahn, mit der die aktuelle Kanzlerin von ihrer Wohnung direkt ins Regierungsviertel fahren kann. Gegen 12 Uhr mittags startet der reguläre Betrieb. Eine große Eröffnungsparty mit Abfertigung des ersten Zuges durch den Regierenden Bürgermeister, so wie 1994 auf der U8, fällt aber pandemiebedingt aus.

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