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Zur Eröffnung werden nur 95 der geplanten 111 Geschäfte im neuen Terminal am Start seien.

© Armin Weigel/dpa

Von der Toplage zum Risiko: Warum am BER so manches Geschäft leer steht

Läden am neuen Flughafen waren einst regelrecht umkämpft. Das hat sich geändert. Schuld sind aber nicht nur die vielen Probleme beim Bau.

Von Sandra Dassler

Vor zehn Jahren waren sie heiß umworben - fast schon umkämpft: die Ladenflächen am zukünftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg. Wer den Zuschlag erhielt, schätzte sich glücklich, schließlich war die Lage exklusiv, der Umsatz angesichts von Millionen Passagieren garantiert.

Viele Geschäftsinhaber und Restaurantbesitzer hielten noch an ihren Verträgen fest, als die Eröffnung des Großflughafens immer wieder verschoben wurde und sie dadurch große finanzielle Verluste erlitten.

Jetzt hat sich die Situation verändert. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen sind skeptisch, was ihren Umsatz am BER angeht. Erst kürzlich teilte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup mit, dass zur Eröffnung nur 95 der geplanten 111 Geschäfte im neuen Terminal am Start seien. Einige würden nicht rechtzeitig fertig werden, andere seien der Corona-Krise zum Opfer gefallen, sagte er.

Eine dieser anderen ist die bekannte Berliner Modeunternehmerin Evelin Brandt. Sie wollte eigentlich zusätzlich zu ihren vier Verkaufseinrichtungen in Berlin und Hamburg ein Geschäft auf etwa 65 Quadratmetern Verkaufsfläche am Airport betreiben.

Jetzt hat sie freiwillig darauf verzichtet – mehr noch: darum gebeten, sie aus dem Vertrag zu entlassen. „Ich bin der Flughafengesellschaft sehr dankbar, dass sie mir das ermöglicht hat“, sagt Evelin Brandt.

Die Berliner Modeunternehmerin Evelin Brandt ist froh, dass sie aus dem Mietvertrag am Großflughafen aussteigen konnte.
Die Berliner Modeunternehmerin Evelin Brandt ist froh, dass sie aus dem Mietvertrag am Großflughafen aussteigen konnte.

©  Mike Wolff

„Alle gehen ja von einem Rückgang der Passagierzahlen von 100 auf 20 Prozent aus. Wenn sich diese Tendenz auch nur annähernd ähnlich in unserem Geschäft durchsetzt, stehen wir das nicht lange durch.“

Die Einrichtung ist inzwischen unbrauchbar

Schließlich fielen trotz Corona jeden Monat die Mieten in Höhe von etwa 6500 Euro an und das Personal müsse auch bezahlt werden, sagt die Modeunternehmerin: „Wir sind nicht die einzigen, die sich deshalb gegen ein Geschäft am BER entschieden haben.“

Und so wurde dort in den vergangenen Tagen nicht auf-, sondern rückgebaut, denn als die BER-Eröffnung im Jahr 2012 kurzfristig abgesagt wurde, war das Modegeschäft bereits fast komplett eingerichtet. „Wir haben die kleine Küche und ein paar andere Einbauten wie Umkleidekabinen herausgenommen“, sagt Evelin Brandt.

[Endlich fertig! Aus der Dauerbaustelle BER wird ein internationaler Flughafen. Doch viele Probleme bleiben. Lesen Sie alle Beiträge zum neuen Hauptstadtflughafen auf unserer Themenseite.]

„Zu gebrauchen ist das nach so langer Zeit nicht mehr. Zum einen sind es Spezialanfertigungen, die anderswo nicht einsetzbar sind. Zum anderen hat sich auch der Geschmack verändert. Das geht schon bei den Lampen los. Damals hatten wir noch gar keine LED-Leuchten.“ Doch die Kosten für den Rückbau sind im Vergleich zu den befürchteten Umsatzeinbußen überschaubar.

Evelin Brandt gehörte zu den wenigen Unternehmern, die wegen ihrer finanziellen Verluste, die sie durch die Absage der BER-Eröffnung erlitten hatte, vor Gericht gegangen war. Sie schätzte sie auf 400.000 Euro und hatte dennoch lange gezögert, ob sie klagen sollte.

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„Ich habe das erst getan, als mir klar wurde, dass es entgegen aller Versprechen auch vonseiten der Politik keinerlei Angebote zur Kompensation geben würde“, sagt sie: „Es hat eine Weile gedauert, denn die ersten Angebote waren lächerlich. Aber 2018 habe ich einem Vergleich zugestimmt, der einigermaßen in Ordnung war.“

Pandemie und Proteste machen Händlern zu schaffen

Vertreten wurde Evelin Brandt von dem Karlsruher Anwalt Oliver Klein, der auch für andere Unternehmer ähnliche Vergleiche erstritt. Viele hätten allerdings auf eine Klage verzichtet, weil sie befürchteten, dass sich das negativ auf ihre Verträge auswirken würde, sagte er damals: „Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Evelin Brandt wird selbstverständlich ihren Laden bekommen, wenn der BER irgendwann eröffnet wird.“

Nun wird der Flughafen eröffnet und Evelin Brandt ist heilfroh, dass sie ihre Ladenflächen aufgeben konnte. „Wir haben in unseren anderen Geschäften schon leidvolle Erfahrungen mit der Corona-Krise gemacht. Besonders in der Friedrichstraße, wo kaum jemand nach 16 Uhr unterwegs war. Oder gerade wieder eine Demonstration stattfand. Oder alles abgeriegelt wurde, damit keine Demonstration stattfinden konnte.“

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Das Ganze unter Flughafen-Bedingungen mit Verkaufsbeginn um 5 Uhr morgens will sich Evelin Brandt gar nicht vorstellen. Wenn da etwa eine Verkäuferin um 4 Uhr anruft und sagt, dass sie krank ist, wie soll sie so schnell eine andere finden und durch die Sicherheitsschleusen bringen?

Da konzentriere sie sich lieber darauf, ihre anderen Geschäfte gut durch die Krise zu bringen, sagt die Unternehmerin, der die Ideen nicht auszugehen scheinen. Den ersten Lockdown hat sie überstanden, in dem sie als eine der ersten Firmen überhaupt Gesichtsmasken produziert hat. Auch das Scheitern am BER nimmt sie sportlich: „Dinge können sich eben ganz schnell ändern. Das muss man einfach wissen.“

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