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Taxifahrer sind derzeit eine besonders gefährdete Berufsgruppe.

© Sina Schuldt/dpa

Von der Teststelle in die Quarantäne: Wenn Corona-Patienten Taxi fahren

Wer an Covid-19 erkrankt ist, ist unterwegs zur Teststelle eine Gefahr für andere. Krankentransporte wollen Fahrten übernehmen. Bislang nehmen viele das Taxi.

Von Ronja Ringelstein

Die Frage ist nach wie vor ungeklärt: Wie soll jemand, der Anzeichen der Lungenkrankheit Covid-19 aufweist, sich durch die Stadt bewegen, um den nötigen Test zu machen? 

Wer die Sorge hat, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben – Halskratzen, Fieber und Gliederschmerzen hat – der kann etwa nach einer telefonischen Erstberatung an einer der acht extra eingerichteten Untersuchungsstellen einen Test machen, ob er an Covid-19 erkrankt ist. Danach sollte er sich in die häusliche Quarantäne begeben. 

Aber wie, wenn er keinen eigenen Pkw hat? In die U-Bahn steigen? In den Bus? So wird jeder Infizierte zur Gefahr für andere.

Aktuelles zum Thema Coronavirus in Berlin lesen Sie hier in unserem Blog.

Ob Taxifahrer Corona-Patienten fahren, ist ihre Entscheidung

Und darum steigen viele ins Taxi. Dem Tagesspiegel liegen Beispiele aus Taxirufzentralen vor. Da steht beispielsweise: „Vivantes Klinikum. Haupteingang. KD ist Corona positiv. Ist aber ausgerüstet mit Handschuhen und Mundschutz.“ Oder: „Mitte, Weydingerstraße 18. Vor dem Ärztehaus - Verdacht auf Corona.“ 

Ob Taxifahrer diese Fahrten annehmen, sei ihre Sache, sagt der zweite Vorsitzende der Berliner Taxiinnung, Rolf Feja. Als Feja an diesem Montag ans Telefon geht, erzählt er, er sei gerade bei einer Firma in Neuruppin, die für Taxen Plastik-Trennwände herstellt.

Sie werden mit Kabelbindern an der B-Säule des Wagens hinter den Vordersitzlehnen befestigt. Sind quasi ein durchsichtiger Spuckschutz. „Die bauen wir jetzt serienmäßig ein“, sagt Feja. Die Kosten beliefen sich auf rund 50 Euro, der Taxifahrer muss sie grundsätzlich selbst tragen, wobei Feja die Taxiunternehmer, die von Bund und Land Soforthilfen bekommen haben, dazu auffordert, sie ihren Fahrern zu erstatten.

„Wir haben viele Anfragen von Corona-Patienten, das ist derzeit schon heikel. Aber mit dieser Schutzwand und Mundschutz, denke ich, kann das gehen“, sagt Feja.

Wie groß ist die Ansteckungsgefahr im Taxi für die Gäste?

So sehen die Trennscheiben etwa aus, die Taxifahrer und Fahrgast schützen sollen.
So sehen die Trennscheiben etwa aus, die Taxifahrer und Fahrgast schützen sollen.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Wie groß die Infektionsgefahr im Taxi für nacheinander einsteigende Fahrgäste ist, ist nicht eindeutig geklärt. Es gibt ein gewisses Infektionsrisiko, wenn ein Infizierter im Taxi gehustet hat und die Viren-beladenen Tröpfchen auf dem Sitz oder den Armaturen landen.

Der nächste Fahrgast könnte sich über die Hände, also über eine Schmierinfektion, infizieren, wenn er sich an Auge, Nase oder Mund fasst. Allerdings ließe sich ein Taxi nach dem Transport eines bekannt Infizierten mit einem Desinfektionsspray wenigstens teilweise säubern.

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Weiter senken lässt sich das Infektionsrisiko, indem möglichst jeder Fahrgast, vor allem natürlich solche, die um ihre Infektion wissen, Maske zum Fremdschutz trügen – denn die meisten Tröpfchen bleiben darin hängen. Das Infektionsrisiko über noch in der Luft befindliche Tröpfchen dürfte sich zusätzlich über gutes Lüften minimieren lassen. Völlig ausschließen lässt sich das Infektionsrisiko jedoch nicht.

Hilfsorganisationen hatten Sonderfahrten angeboten - aber die Senatsverwaltung antwortet nicht

„Das ist für die Fahrer und die nachfolgenden Fahrgäste eine absolute Zumutung“, sagt Tim-Christopher Zeelen, Gesundheitsexperte der Berliner CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Zeelen verweist auf ein vorliegendes Angebot von den Hilfsorganisationen Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Malteser, Johanniter und ASB. 

Diese haben der Senatsverwaltung ihre Fahrdienste angeboten, um Menschen, bei denen der Verdacht auf eine Ansteckung durch das Coronavirus bestehe, von den Kliniken nach Hause zu transportieren.

Das konkrete Angebot liegt dem Tagesspiegel vor. Es ist datiert auf den 5. März und Antwort auf eine mündliche Anfrage der Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). "Wir können Ihnen die Leistungen ab dem 09.03.2020 von Montag bis Freitag in der Zeit von 09:00 bis 19:00 Uhr zusagen." Sechs Kliniken könnten angefahren werden. 

"Die Kosten werden sich pro Einsatzstunde auf 120,00 Euro belaufen. In den Kosten sind die Fahrzeugkosten, Kraftstoff, Personal und die Desinfektionsmaßnahmen inbegriffen, die nach jedem Transport erforderlich sind", heißt es in dem Angebot. Doch die Senatsverwaltung hat es bislang weder angenommen noch abgelehnt.

Die Kosten für die Sonderfahrten wären vergleichsweise hoch

Im Gesundheitsausschuss am Montag verwies Kalayci darauf, dass dieses und andere Angebote noch geprüft würden. „Seit über einem Monat liegt dieser Vertrag unterschriftsreif bei der Senatsgesundheitsverwaltung. Ich bin ratlos, warum an dieses Problem nicht einfach ein Haken gesetzt wird“, sagt Zeelen. 

Er glaubt, im schlimmsten Fall könnte nach dem Corona-Positiven noch ein Dialyse-Patient – also ein Teil der Risikogruppe – ins Taxi steigen und sich womöglich anstecken: „Das Krisenmanagement des Senats ist nicht da, wo es sein sollte.“

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Ob die vergleichsweise hohen Kosten ein Faktor sein könnten, weshalb der Senat das Angebot bisher nicht angenommen hat, ließ die Senatorin offen. Im Gesundheitsausschuss am 23. März betonte Kalayci, dass nicht alle Menschen, die sich an den Untersuchungsstellen testen ließen, auch positive Fälle seien. 

Damals sagte sie: „Am Ende sind es etwa fünf Prozent der Getesteten, die positiv sind.“ Es wären also 120 Euro pro Stunde für 95 Prozent gesunde – beziehungsweise nicht an Covid-19 erkrankte – Fälle. Allerdings steigen die Zahlen der Infizierten schließlich nach wie vor stetig an.

Grüne: Vieles bleibe derzeit liegen

Catherina Pieroth, Gesundheitsexpertin der Grünen-Fraktion, glaubt, die Gesundheitsverwaltung sei von der Fülle der Aufgaben überfordert, „das Angebot ist nicht das einzige, was liegen geblieben ist“, sagt sie. 

Die Senatsverwaltung sei schlicht nicht wie ein Unternehmen auf Beschaffung und Logistik eingestellt – das sei eine neue Situation.

Die CDU-Fraktion hatte im Gesundheitsausschuss beantragt, in jedem der zwölf Bezirke eine eigene Abklärungsstelle zu schaffen. „Diesen Antrag befürworte ich, so hätte jeder nah am Wohnort die Möglichkeit, sich testen zu lassen“, sagt Pieroth. „Denn es geht überhaupt nicht, dass die Leute durch die ganze Stadt fahren.“

Mitarbeit: Sascha Karberg

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