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Ein Rollstuhl steht unter einer Treppe in einem Wohnhaus (Symbolbild).

© dpa

Von der Privatwirtschaft im Stich gelassen: Kaum Wohnungen für Menschen mit Behinderung

Der 10. Berliner Sozialgipfel sucht nach Lösungen für Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Besonders Menschen mit Behinderung haben es dort schwer.

Eine Schlafsofa im Wohnzimmer, mehr kann er nicht anbieten. Seine Wohnung hat nur zwei Zimmer, und das Bad ist so klein, dass er eine Duschwand ausbauen musste, sonst hätte er es nicht richtig nützen können. Also schlafen seine fünf Assistenten abwechselnd auf der Couch, sie sind ja im Schichtdienst rund um die Uhr bei ihm. Der Sozialarbeiter Hemme ist auf sie angewiesen, er sitzt im Rollstuhl, behindert seit seiner Geburt. Ein genetischer Defekt.

Seit Dezember 2018 lebt er in dieser Wohnung in Kreuzberg, eigentlich als Übergangswohnung gedacht, bis er etwas Besseres, Größeres findet. Seit seinem Einzug sucht er. Bisher vergeblich.

Man könnte auch sagen: natürlich vergeblich. In Berlin fehlen tausende Wohnungen, und Behinderte wie Hemme stehen bei der Suche „ganz hinten in der Warteschlange“. Das sagt Reiner Wild, der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.

Um Menschen wie Lars Hemme, um Menschen, die aus verschiedenen Gründen, einen besonderen Förderbedarf haben, geht es am Montag beim 10. Berliner Sozialgipfel. Er steht unter dem Titel „Wohnen für alle?!“, Gewerkschaften, Sozialverbände und Mieterverein Berlin analysieren dabei die Probleme und diskutieren über Lösungsmöglichkeiten.

„Da kommt fast gar nichts.“

Die Probleme zu benennen, ist sehr einfach. Bei einem gemeinsamen Gespräch mit mehreren Organisationen passiert das in Sekundenschnelle. Wild beklagt, dass es viel zu wenige Sozialwohnungen in der Stadt gibt. 40 000 Wohnungen sind seit Anfang 2016 entstanden, listet er auf, nur 3500 davon sind aber Wohnungen für Menschen mit besonderem Förderbedarf.

Gut, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind verpflichtet, bei Neuvermietungen elf Prozent ihres Bestands an solche Betroffenen zu vergeben, und die aktuelle Quote liegt sogar bei 16 Prozent, „aber das reicht noch nicht“, sagt Wild. Aber 16 Prozent ist immerhin eine gewisse Quote; wenn er an die Privatwirtschaft denkt, bleibt Wild nur noch ein Seufzer: „Da kommt fast gar nichts.“

Sozialverband stellt umfangreiche Forderungen

Zumindest aber verfügt Wild über qualifizierte Zahlen. Ursula Engelen-Kefer, die Landesvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, weiß nur, dass in Berlin 613 000 Menschen mit Behinderung leben, aber nicht, wie viele barrierefreie Wohnungen es in der Hauptstadt gibt. Dazu gebe es keine verlässlichen Unterlagen. Ihre erste Forderung lautet deshalb: die Zahl dieser Wohnungen feststellen.

Zweite Forderung: Sachverständige sollen kontrollieren, dass bei Neubauten auch die Barrierefreiheit berücksichtigt wird. Laut Bauordnung, sagt Wild, müsse jede zweite, neu gebaute Wohnung barrierefrei sein.

Dritte Forderung von Engelen-Kefer: das Ende „eines unmöglichen Tatbestands“. Menschen, die ihre Wohnung behindertengerecht umbauen, müssen bei ihrem Auszug die Unterkunft wieder in den Originalzustand versetzen – auf eigene Kosten. Diese Vorschrift bringt die Sozialverbands-Chefin auf die Palme.

Auf dem Weg zur Inklusion sind noch einige Barrieren zu beseitigen.
Auf dem Weg zur Inklusion sind noch einige Barrieren zu beseitigen.

© picture alliance / dpa

Und dann ist da noch die Geschichte mit den „Inklusionstaxis“. Viele behinderte Menschen sind auf solche Fahrdienste angewiesen, im Etat von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) sei auch Geld für den Umbau von Taxis auf Inklusionstauglichkeit vorhanden, sagt Engelen-Kefer. Nur: Bisher hätten Taxiunternehmen kaum Förderanträge gestellt. Daran habe auch eine Änderung der Richtlinien nichts geändert. Ursprünglich hätte, so lautete die Vorgabe, ein Auto nicht älter als ein Jahr sein dürfen. Jetzt darf es maximal zwei Jahre auf den Straßen gerollt sein, um noch gefördert zu werden. Nächste Forderung des Sozialverbands also: mehr von diesen Inklusionstaxis.

Lars Hemme wäre schon mit einer neuen Wohnung zufrieden. Vier sind ihm seit 2018 angeboten worden, alle als behindertengerecht ausgewiesen. Viermal hat er abgelehnt. Aus einem einfachen Grund: „Die waren nicht besser als meine jetzige.“

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