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Volksentscheid: Senat fühlt sich bestätigt – und kritisiert die Kirchen

Nach der Niederlage fordert Pro Reli, Rot-Rot solle auf Christen zugehen. Die SPD hingegen will Ethik weiterentwickeln, sieht aber keinen Anlass für Kompromiss.

Nach dem gescheiterten Volksentscheid sehen die Anhänger eines Wahlpflichtfaches Religion jetzt dennoch den Senat in der Pflicht. Einhellig forderten die Initiative Pro Reli wie auch die Fraktionen von CDU und FDP, die den Volksentscheid unterstützt hatten, vom Senat, auf die Kirchen zuzugehen und mit ihnen Kompromisslinien beim Ethik- und Religionsunterricht zu suchen. Demgegenüber zeigen sowohl die Koalitionsfraktionen SPD und Linke wie auch der Senat die Bereitschaft, mit den Kirchen bei der Wertevermittlung an den Schulen zusammenzuarbeiten, sehen aber überhaupt keinen Anlass, derzeit aktiv Kompromisse zu erarbeiten.

Die Abstimmung sei sehr eindeutig für das bisherige Modell des gemeinsamen, verbindlichen Ethik-Unterrichts ausgegangen, sagte Senatssprecher Meng. Jetzt sei es notwendig, wieder Ruhe in die Schulen zu bringen. Im Zuge von Evaluationen gebe es bei Ethik – so wie bei anderen Fächern – natürlich die Möglichkeit, den Unterricht weiterzuentwickeln. Dessen ungeachtet seien „die Arme für eine Kooperation mit den Kirchen immer offen“. SPD-Landeschef Michael Müller signalisiert entsprechende Gesprächsbereitschaft. Gegenüber dem „Deutschlandfunk“ übte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Montag Kritik am evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber wegen der Polarisierung in der Pro-Reli-Debatte. Das habe den Kirchen insgesamt geschadet.

Ein Vorschlag für einen Kompromiss mit dem Senat kam von dem Verein „Christen pro Ethik“. „Es sollte ein Beirat für das Fach Ethik eingerichtet werden, in dem die Kirchen zusammen mit der Bildungsverwaltung über eine Verbesserung der Qualität des Faches nachdenken und darüber, wie religionskundliche Elemente stärker zum Tragen kommen“, sagte Josef Göbel, katholischer Theologe und Sprecher des Vereins. Schon vor einigen Monaten habe die Gruppe mit Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) über die Einrichtung eines solchen Beirates gesprochen. „Zöllner war durchaus aufgeschlossen“, sagte Göbel. Auch sollte der Name für das Fach geändert werden. „Der jetzige Name spiegelt zu sehr das Verständnis des Faches wider, wie es in den westdeutschen Ländern praktiziert wird“, sagte Göbel. Dort sei Ethik nur ein Ersatzfach für Religion.

In der Bildungsverwaltung wollte man den Vorschlag nicht kommentieren. Die Wähler hätten den Berliner Weg, der freiwilligen Religions- und Weltanschauungsunterricht in den Klassen 1–13 und gemeinsamen verbindlichen Ethikunterricht in den Klassen 7–10 vorsieht, bestätigt, sagte Zöllner. Dazu gehöre auch, dass Ethik- und Religionsunterricht zusammenarbeiten sollten. „Vor allem diesen im Schulgesetz angelegten Aspekt der Kooperation gilt es verstärkt weiter zu entwickeln“, sagte Zöllner.

Unterdessen warf CDU-Fraktionschef Frank Henkel dem Regierenden Bürgermeister erneut vor, nicht schon vor dem Volksentscheid einen Kompromiss mit den Kirchen gesucht zu haben. Dies sei ein schweres Versäumnis gewesen. Henkel plädierte dafür, nach Lösungen zu suchen, wie Religionsunterricht in den Ethikunterricht integriert werden könne. Möglich sei etwa, diesen als Modul anzubieten.

Auch der Vorsitzende der Initiative Pro Reli, Christoph Lehmann, sieht jetzt den Senat am Zug: „Wer jetzt nicht bereit ist, aufeinander zuzugehen, versöhnt die Stadt nicht, sondern spaltet sie.“ Demgegenüber appellierten die Fraktionsvorsitzenden der Bündnisgrünen, Franziska Eichstädt-Bohlig und Volker Ratzmann, an beide Seiten, sich aufeinander zuzubewegen. Wichtig sei eine qualitative Verbesserung des Ethikunterrichts mit einer stärkeren Verankerung der Religion.

Weiter gehende Vorschläge entwickelte die FDP. Der neue Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Christoph Meyer, sowie Schulexpertin Mieke Senftleben regten an, dass Schulen künftig eigenständig entscheiden sollen, ob sie einen verpflichtenden Ethikunterricht anbieten wollen oder lieber den Wahlpflichtbereich Ethik/Religion. Die unterschiedlichen Ergebnisse in den Bezirken zeigten, „dass es in der Stadt den starken Wunsch nach individuellen Angeboten gibt“, sagte Meyer. 

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