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Protest gegen zu hohe Mieten. In Berlin wurde ein Volksbegehren mit dem Ziel gestartet, Mieter vor Verdrängung zu schützen.

© imago images/Peter Homann

Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“: Eine Kämpferin für bezahlbare Wohnungen in Berlin

175.000 Unterschriften muss die Enteignungs-Initiative in Berlin beim Volksbegehren sammeln. Warum sich die Mariendorferin Sebahat Aslan dafür engagiert.

Bis zum 25. Juni hat die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ Zeit, Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. Sieben Prozent der Berliner Wahlberechtigten, also rund 175.000 Menschen, müssen unterschreiben, damit es zu einem Volksentscheid kommen kann. Dessen Ziel ist es, Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu „vergesellschaften“, also gegen eine Milliardenentschädigung zu enteignen und somit den Anstieg der Mieten zu stoppen.

Über einen Volksentscheid könnten die Berlinerinnen und Berliner voraussichtlich am 26. September zeitgleich mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und dem Bundestag abstimmen. Damit dieser erfolgreich ist, müssen mindestens 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten sowie die Mehrheit der Teilnehmenden dafür stimmen. In Zeiten der Pandemie ist es natürlich nicht so leicht, Stimmen zu sammeln wie normalerweise.

Aber in den Bezirken organisieren sich die Unterstützer in den Kiezteams. Rund 145 Menschen sind es, die sich in unterschiedlicher Weise und Intensität in Tempelhof-Schöneberg für das Gelingen des Volksbegehrens einsetzen.

Eine von ihnen ist Sebahat Aslan. Die Mariendorferin ist Erzieherin und arbeitet in einer Freizeiteinrichtung in Neukölln. Sie ist zudem im Verband DIDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine) aktiv, in dem sich Vereine von aus der Türkei stammenden Migranten organisiert haben. „Wohnungen sind keine Ware. Jeder Mensch hat das Recht auf eine bezahlbare Wohnung“, sagt Aslan. Deshalb sei es ihr wichtig, die Initiative aktiv zu unterstützen.

„Die Mieten steigen, die Menschen werden verdrängt. Da muss man etwas tun.“ Der vor einem Jahr in Kraft getretene Mietendeckel reiche nicht aus, da er nur für fünf Jahre gelte und die Mieten danach wieder steigen könnten. „Die Vergesellschaftung wirkt langfristig und ist eine gute Möglichkeit, bezahlbaren und menschenwürdigen Wohnraum für die Menschen in der Stadt zu erhalten“, ist Aslan überzeugt.

Die Unterschriftensammlung hat Ende Februar in Berlin begonnen. Im ersten Monat hat die Initiative nach Angaben der Landeswahlleitung 48.172 Unterschriften eingereicht. Die Berliner Bezirkswahlämter hatten davon vor zehn Tagen 10.653 Unterschriften geprüft, davon seien 7817 gültig. Diese Differenz zwischen gültigen und nicht-gültigen Stimmen nehmen die Initiatoren bewusst in Kauf. Abstimmungsberechtigt beim Volksentscheid sind nur Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Engagiert beim Volksbegehren. Sebahat Aslan sammelt Stimmen und wirbt in der kurdisch-türkischen Community.
Engagiert beim Volksbegehren. Sebahat Aslan sammelt Stimmen und wirbt in der kurdisch-türkischen Community.

© Privat

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„Aber auch Migranten ohne deutsche Staatsangehörige können jetzt unterscheiben, selbst wenn ihre Stimmen dann nicht mitzählen. Wir wollen damit einfach zeigen, wie groß das Problem in der Stadt ist“, sagt Aslan. Sie selber nutzt ihre Kontakte und ihr Engagement in den Berliner kurdischen und türkischen Communities, um auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Unterstützer für das Volksbegehren zu gewinnen.

2004 wurde die GSW vom rot-roten Senat verkauft

Aslan hat als Mieterin selber Erfahrungen damit gemacht, wie es ist, wenn ein privater Konzern ehemals städtische Wohnungen übernimmt. Seit Jahren wohnt sie in einem Gebäudekomplex der „Deutsche Wohnen“ in Mariendorf, der einst zum Bestand der früheren städtischen Wohnungsbaugesellschaft GSW gehörte. Das Unternehmen mit seinen rund 65.000 Wohnungen wurde 2004 unter dem ersten rot-roten Senat von Klaus Wowereit für 405 Millionen Euro an ein Investment-Konsortium verkauft. 2013 wurde es von der Deutschen Wohnen übernommen.

Vor einiger Zeit hatte Aslan einen Wasserschaden im Keller. Auf die Schadensmeldung hin passierte lange nichts. Die Dienstleistungen der Deutschen Wohnen könne man vergessen, sagt Aslan.

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