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Peter Platzek aka Platten Pedro, schrulliger Plattenhändler aus Berlin-Charlottenburg.

© Mike Wolff

Vinyl in Berlin-Charlottenburg: 49 Jahre Platten-Pedro: Viel Witz und null Service

Vinyl only, heißt es bei Platten-Pedro seit fast einem halben Jahrhundert. Auf das Null-Service-Konzept ist Peter Platzek alias Platten-Pedro regelrecht stolz.

„CDs sind Sondermüll mit Verpackung“, steht auf einem Schild am Schaufenster von Platten-Pedros Laden in Charlottenburg. Klare Ansage. Für Peter Platzek, der in den Schallplattensammlerkreisen Berlins und weit darüber hinaus nur als Platten-Pedro bekannt ist, gab es immer nur ein Medium für Musik, das wirklich zählt: die Vinylschallplatte. Am 19. April wurde sein von ihm sogenanntes „Schallplatten-Antiquariat“ exakt 49 Jahre alt, zwei Tage später ist Record Store Day, bei dem Plattenläden in aller Welt ihren Kunden etwas Besonderes anbieten: Livemusik, Partys und besondere Platteneditionen.

Platten-Pedro im Tegeler Weg 109 ist allein schon besonders. CDs kamen ihm in all den Jahren nie ins Sortiment. Keiner in Berlin hat so lange in diesem Business durchgehalten wie der inzwischen 76-jährige Pedro, der sagt, er wolle weitermachen, bis er umkippt, denn: „Gar nichts tun, macht auch keinen Spaß.“ Unzählige Secondhand- Plattenläden mussten schließen in den letzten Jahrzehnten, weil es eine Zeit lang mit dem Medium Vinyl bergab ging, bevor es nun wieder zahllose von ihnen gibt in Berlin.

Aber Pedro hat alle Krisen überstanden. Und das ganz ohne CDs und auch ohne den Verkauf übers Internet, auf den die meisten Secondhand-Plattenläden heute zusätzlich setzen. Vielleicht kann man auch sagen: Gerade deswegen. „Irgendwas werde ich ja richtig machen“, sagt er, „sonst gäbe es meinen Laden nicht so lange.“

„Der Laden lebt von seiner Schludrigkeit“

Platten-Pedro hat sein Ding schon immer auf seine ganz spezielle Art und Weise durchgezogen und auf alle Veränderungen des Marktes und wandelnde Kundenwünsche einfach mit einem Schulterzucken reagiert. Platten liegen in seinem Laden kreuz und quer im Raum verteilt herum, auf dem Boden stolpert man über irgendwelchen schwer zu identifizierenden Krempel, man kommt sich vor wie in einer Schallplatten-Höhle. „Der Laden lebt von seiner Schludrigkeit“, weiß Pedro, „ein Antiquariat darf nicht aufgeräumt wie eine Apotheke wirken.“

Die Art und Weise, wie er arbeitet, würde kein Wirtschaftsberater und Geschäftsoptimierer der Welt verstehen. Sie würden sagen: Einen gerade mal 40 Quadratmeter großen Laden mit über hunderttausend Platten von unten bis oben und von vorne bis hinten vollzustellen und dieses Chaos seinen Kunden zuzumuten, das kann einfach nicht klappen. Doch das Pedro-Prinzip funktioniert, er könne sich nicht beklagen über die Geschäfte, sagt der Plattenhändler.

„Der Service hier geht gegen Null“, sagt ein Kunde, der mit seinem Hund vorbeigekommen ist und die Plattenregale durchwühlt. Er sagt aber auch, dass er gerade das großartig finde, „weil man so hier machen kann, was man will.“ Der Kunde, stellt sich bald heraus, ist Holger Wobker, der in den Achtzigern mal Kopf der Synthieband Boytronic war, die eine Zeit lang groß angesagt war.

Auf das Null-Service-Konzept ist Platten-Pedro regelrecht stolz. Er setzt sich vor seinen verstaubten Rechner in seinem sowieso verstaubten Laden und simuliert ein typisches Kundengespräch. „Ich sitze hier und spiele Karten am Computer und wenn ein Kunde fragt: ‚The Who? Led Zeppelin?', deute ich zum The-Who oder Led-Zeppelin-Fach, ohne dabei vom Rechner aufzuschauen.“ Und er haut noch den Spruch hinterher: „Faulheit ist der Weg zum Erfolg.“

So schlecht, dass es schon wieder gut ist

Dabei ist Pedro kein Stück unfreundlich, sondern einfach nur liebevoll kauzig. Und er pflegt seinen ganz speziellen Witz. Die Öffnungszeiten seines Ladens, die er auf seiner Homepage angibt, sind 10.07 bis 16.53. Nur nicht am Samstag, da laufen die Geschäfte zwischen 9.59 Uhr und 13.02. Überall an den Plattenregalen hat der passionierte Raucher, der auch beherzt seinen Laden vollqualmt, ein paar spezielle Kalendersprüche angebracht: „Rauchen macht locker“ etwa, oder „Rauch enthält Benzol, Nitrosamine und Blausäure. Das ist super.“ Das nennt man dann wohl Galgenhumor. Zudem bietet er auf seiner Homepage Platten unter einer Rubrik an, die er „Furchtbares Zeug“ genannt hat.

Peter Platzek in seinem Plattenladen.
Peter Platzek in seinem Plattenladen.

© Mike Wolff

Er kramt einen typischen Kandidaten für diese Kategorie raus, eine Single von einem gewissen Rocky, dem Irokesen, der volltätowiert und mit Iro auf dem Cover abgebildet ist und seinen schaurigen Schlager „Ich such’n Job“ zu einem scheppernden Saxophon singt. „Das ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist“, sagt Pedro dazu und holt gleich noch eine Single hervor, auf die wohl eine ähnliche Einschätzung zutrifft: seine eigene. Den Schlager „Kalaban“ aus dem Jahr 1967. Pedros vor über 50 Jahren unternommener Versuch, im Schlagergewerbe zu reüssieren, wurde ein veritabler Flop, und er nennt sich selbst einen „missverstandenen Liedermacher“. Aber „Kalaban“ muss man alleine schon deswegen gehört haben, weil auf dem Stück neben Pedro niemand Geringeres als Howard Carpendale zu vernehmen ist, der jedoch nicht singt, sondern verrückte Gurgellaute von sich gibt.

Hip Hop und Techno gibt es nicht

Wer bei Platten-Pedro einfach mal ein wenig rumkramen will, hat wirklich etwas zu tun. Viele seiner Kunden, so der Vinylhändler, kämen jedoch sowieso lieber mit Suchlisten. Und sie kämen auch aus Chile, Argentinien oder Russland. Oder aus Holland, wie das Pärchen, das gerade ebenfalls eine mitgebrachte Liste abarbeitet. Er gibt sich als Beatles-Fan zu erkennen und hat schon einen ganzen Stapel mit Platten der Fab-Four gefunden. Und wo er schon mal hier ist in Deutschland, würde er auch noch gerne das Album von Nena mitnehmen, auf dem „99 Luftballons“ enthalten ist. Die gibt es dann noch auf den Beatles-Stapel obendrauf.

Auffallend ist die Stille in Pedros Laden, wenn er nicht gerade mal eine Vorführ-Single auflegt. Er müsse nicht immer irgendein Gedudel um sich haben, erklärt er. Hören würde er aber alle Arten von Musik, alles von Soul bis Oper, sein Geschmack ist da so weit gefächert wie das Programm in seinem Laden. Nur Hip Hop und Techno führe er nicht, damit könne er nichts anfangen. Dafür habe er auch so schon um die 30.000 Lieblingsplatten. Eine davon legt er auf, eine frühe Single der britischen Bluesrockband Steamhammer. „Die ist nicht zu toppen“, sagt er. Dann drückt er einem noch ein Buch in die Hand, sein eigenes, mit dem eigentümlichen Titel „Erzählungen der Historie & Imagepflege – Schallplattengeschichte (n)“. Das fast 20 Jahre alte Werk ist ein Bildband mit abseitigen Geschichten aus dem Leben eines Plattenverkäufers. Das habe er richtig gut verkauft, sagt er. Zur Zeit aber würde er das Werk ausschließlich verschenken.

Konzerte und Veranstaltungen unter www.recordstoredaygermany.de

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