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Das Eva-Maria-Buch-Haus in der Götzstraße beherbergt die Bezirkszentralbibliothek von Tempelhof-Schöneberg.

© imago/Joko

Vier Wochen nach erstem Vorfall: Erneut Bücher in Berliner Bibliothek zerstört – stecken Reichsbürger dahinter?

Mitte August wurden sieben Bücher in der Zentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg zerstört. Jetzt traf es weitere. Doch der Bezirk setzt ein Zeichen dagegen.

Vier Wochen nach dem letzten Vorfall sind in der Zentralbibliothek des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg erneut Bücher mutwillig zerstört worden. Und wie beim ersten Fall hat es Bücher getroffen, die sich kritisch mit rechten Tendenzen, linken Theorien oder mit der Geschichte des Sozialismus befassen. Dies teilte Bezirksstadtrat Matthias Steuckardt (CDU), zuständig für Kultur, am Mittwoch mit.

Betroffen sind nach Steuckardts Angaben diesmal vier Bücher. Beim ersten Vorfall Mitte August waren es sieben. Unter den Büchern, die wahrscheinlich auf der Toilette zerstört wurden, ist auch das Buch „Tatworte – denn AfD und Co meinen, was sie sagen“ von Michael Kraske.

Dass ausgerechnet dieses Buch zerstört wurde, hat eine besondere Note. Nach der ersten Zerstörung hatte der Verlag, in dem „Tatworte“ erschienen ist, aus Solidarität genau dieses Buch der Bibliothek geschenkt. Die hatte es allerdings schon in ihrem Sortiment. „Dass es dieses Buch getroffen hat, ist ein stückweit Zufall“, sagte Steuckardt dem Tagesspiegel. „Es ist ein sehr gutes Buch.“

Entdeckt wurden die jüngsten Zerstörungen am vergangenen Samstag. Die Bibliothek hatte daraufhin eine Gesamtinventur gemacht und stieß auf ein erschreckendes Ergebnis: acht weitere Bücher waren zerstört, wurden aber jetzt erst gefunden.

„Ich verurteile diese Zerstörungen“, sagte der Bezirksstadtrat, „auch meine Mitarbeiter sind beunruhigt, aber dieser Vorfall stärkt unsere Reihen. Wir wollen ein Signal setzen, dass wir uns nicht kleinkriegen lassen. Die Verwaltung will ein Zeichen der wehrhaften Demokratie setzen.“

Täter kommen vermutlich aus dem Reichsbürger-Spektrum

Der oder die Täter sind unbekannt, Steuckardt vermutet, „dass sie aus dem Reichsbürger-Spektrum oder sogar aus dem rechtsextremen Bereich kommen“. Die Bücherei hat jetzt den Wachschutz, der jährlich in der Winterzeit kommt, einen Monat früher als üblich verpflichtet. Im Foyer der Bibliothek ist vor kurzem eine Ausstellung der zerschnittenen Bücher eröffnet worden.

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Beim ersten Vorfall Mitte August wurden unter anderem folgende Bücher zerstört: Wolfgang Wippermann: „Denken statt denkmalen: Gegen den Denkmalwahn der Deutschen“, Lou Zucker: „Clara Zetkin - eine rote Feministin“ und Patrick Stegemann und Sören Musyal: „Die rechte Mobilmachung: Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen“.

Zerstörungen wurden zeitverzögert bekannt gegeben

Die Zerstörungen wurden damals zeitlich verzögert bekannt gegeben, um damit dem Täter oder den Tätern keine Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Empörung über die Zerstörung sei jedoch irgendwann so groß geworden, dass man den Vorfall öffentlich gemacht habe, sagte Steuckardt damals.

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Die Solidarität mit der Bibliothek nach diesem ersten Vorfall war enorm. „Der Autor eines der zerstörten Bücher hat uns angeboten, dass er uns ein neues Buch zur Verfügung stellt“, sagte Steuckardt. „Es haben auch Bürger angeboten, dass sie für die Wiederbeschaffung der Bücher spenden wollen.“

[Am 28. Oktober 2021 um 19 Uhr findet die Auftaktveranstaltung der Veranstaltungsreihe „Starke Seiten“ in der Bezirkszentralbibliothek statt. Das Autoren-Duo Patrick Stegemann und Sören Musyal liest dabei unter anderem aus „Die rechte Mobilmachung - Wie radikale Netzwerkaktivisten die Demokratie angreifen“. Anschließend erfolgt eine Diskussion. Anmeldung per E-Mail an stabi-anmeldung@ba-ts.berlin.de.]

Die Bibliothek hat Steuckardt zufolge seit Jahren auch Probleme mit Schmierereien in den Innenräumen. Die Parolen gehörten zum „Reichsbürger-Spektrum“. Auch der Gehweg vor der Bibliothek sei schon wiederholt mit Parolen aus dem Reichsbürger-Spektrum beschmiert worden, berichtete der CDU-Politiker weiter. Diese Parolen habe man ebenfalls sofort beseitigt.

Steuckardt erinnerte außerdem an die Beschädigung mehrere Stolpersteine in Schöneberg kurz nach ihrer Verlegung im April.

Der CDU-Stadtrat berichtete auch am Mittwochabend der Bezirksverordnetenversammlung von dem neuerlichen Vorfall. Die Politik verurteilte daraufhin - bei Enthaltung der AfD - die Schändung der Bücher und fasste den Beschluss, dass von den beim ersten Vorfall zerstörten sieben Büchern neue Exemplare erworben werden sollen, um sie in allen Bibliotheken des Bezirks gut sichtbar zur Ausleihe und Lektüre zu präsentieren. Ein erklärender Text über die Ereignisse soll das Angebot ergänzen.

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