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Vier Tage vor einer Katastrophe: Schwedt rätselt über den Einsturz des Schwimmhallendachs

Wie durch Zufall kam niemand zu Schaden. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin muss dennoch klären: Wie konnte es zu dem schweren Unglück überhaupt kommen?

Von Sandra Dassler

„Die ganze Stadt ist im Schockzustand“, sagte der Bürgermeister von Schwedt, Jürgen Polzehl (SPD), am Montag dem Tagesspiegel: „Es war wirklich Glück, dass das Unglück an einem Sonntagnachmittag geschah, als weder Besucher noch Bauarbeiter im Gebäude waren. Nicht auszudenken, wenn es später, also nach der geplanten Eröffnung am kommenden Donnerstag, passiert wäre.“

Diese Vorstellung treibt derzeit viele der rund 31 000 Schwedter um, nachdem am Sonntag – wie berichtet – das Dach einer Schwimmhalle, die zur Zeit saniert wird, eingestürzt war. Ein Polizeisprecher sagte, wenn dies wenige Tage später geschehen wäre, „hätte es Tote gegeben“. So aber hielten sich zum Zeitpunkt des Einsturzes nur gastronomische Mitarbeiter in dem Gebäude auf, die sich auf die vier Tage später geplante Wiedereröffnung vorbereiteten. Allerdings befanden sie sich einem anderen Teil des Hauses, weshalb sie unverletzt blieben.

„Die Schwimmhalle beziehungsweise das Sportbad ist nur ein Teil des Freizeit- und Erlebnisbades Aquarium“, erklärte eine Sprecherin der Technischen Werke, die als hundertprozentige Tochter der Stadt Schwedt das 1999 fertig gestellte Bad betreiben. Zu diesem gehören neben dem Sportbad auch noch eine Sauna, ein Fitnessbereich und ein Spaßbad. „Diese drei sollten am kommenden Donnerstag öffnen, was aber nun erst einmal nichts wird“, sagte die Sprecherin. Man wisse derzeit noch nicht, ob durch den Dacheinsturz auch diese Bereiche in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Mit den Sanierungsarbeiten für das Schwimmbecken habe man am 7. Juni dieses Jahres begonnen, Ende September sollten sie abgeschlossen sein. Es ging um eine Kernsanierung der Fliesen und nicht um das Dach, sagte die Sprecherin, wollte sich aber im Hinblick auf die laufenden Untersuchungen nicht detaillierter zu den Baumaßnahmen äußern.

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Denn bereits am Montagmorgen hatte die Kriminalpolizei von Amts wegen eine Strafanzeige wegen Baugefährdung erstattet, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Frankfurt (Oder): „Die Anzeige richtet sich gegen Unbekannt und liegt der zuständigen Staatsanwaltschaft in Neuruppin vor.“ Die teilte am Nachmittag mit, dass man Ermittlungen aufgenommen habe. Zur Spurensicherung und für technische Untersuchungen wurde der Unglücksort gegen das Betreten von Unbefugten gesichert.

Besucher: Dach sei schon länger undicht gewesen

Die Stadt werde alles tun, um die Ursachenforschung zu unterstützen, sagte Bürgermeister Polzehl. Er hatte sich bereits unmittelbar nach dem Einsturz des Daches gemeinsam mit dem Geschäftsführer und dem Leiter des Schwimmbades einen Eindruck vor Ort verschafft. Am Montagmorgen tagte dann der Krisenstab. Der Sachschaden wurde von der Polizei angesichts der riesigen betroffenen Fläche von etwa 50 mal 70 Metern auf mindestens fünf bis acht Millionen Euro geschätzt.

„Das ist zwar eine große Belastung für die Stadt, aber allemal besser als ein Personenschaden“, sagt der Bürgermeister. Was die Ursachen für den Dacheinsturz anbelangt, ist er ebenso ratlos wie viele andere. Der letzte Winter war schneearm, es gab also keine größere Last über längere Zeit auf dem Dach. Im Jahr 2006 war im bayerischen Bad Reichenhall das Dach einer Eislaufhalle unter den Schneemassen zusammengebrochen. Dabei kamen 15 Menschen ums Leben, 34 wurden verletzt.

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Auch schwere Unwetter mit Sturm oder Hagel hat es zuletzt in Schwedt nicht gegeben. Allerdings berichtete ein Mann, der mit seiner Familie häufig das „Aquarium“ besucht, dem Tagesspiegel, dass es im vergangenen Jahr bei Regen durch das Dach des Spaßbades getropft habe: „Das war ganz eindeutig nicht dicht. Und geregnet hat es ja auch in den vergangenen Tagen immer mal wieder.“

Staatsanwaltschaft befragt Zeugen in den nächsten Tagen

Auch die naheliegende Vermutung, dass der Dacheinsturz in unmittelbarem Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten stehen könnte, leuchtet Bürgermeister Polzehl nicht ganz ein. „Am Sonntag wurde dort ja nicht gearbeitet“, sagt er. Anwohner hatten allerdings einigen Medienberichten zufolge um die Mittagszeit ein lautes Knacken gehört. Drei, vier Stunden später habe es erneut geknackt, diesmal allerdings folgte ein riesengroßer Knall. Das Aquarium sei in eine Staubwolke gehüllt gewesen.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin will in den kommenden Tagen Zeugen anhören und prüfen, ob und welche technischen Gutachten zu erstellen sind. „Dabei geht es um die Frage, ob eine Gefährdung von Menschen vorgelegen hat“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Nur dann könne man von einem Straftatbestand sprechen. Ansonsten sei die Frage, was zum Einsturz des Daches geführt habe, allein zivilrechtlich relevant.

Wie lange die Untersuchungen dauern werden, könne man jetzt noch nicht abschätzen, sagte der Sprecher. Die Schwedter werden daher wohl noch weiter auf ein Bad im „Aquarium“ verzichten müssen. Zum Glück haben sie noch die neue Flussbadestelle an der alten Oder – ganz ohne Dach über dem Kopf.

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