zum Hauptinhalt
Das Ankunftszentrum für Asylsuchende Flüchtlinge auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik.

© imago images / Jürgen Ritter

Verwahrlosung, Drogenmissbrauch, Platznot: Plötzlich viele Asylbewerber aus Moldawien – Verdacht auf Schleuserkriminalität in Berlin

Ein Ankunftszentrum für Geflüchtete in Wittenau ist völlig überlastet. Nun ermittelt auch die Polizei.

Das Personal muss Sonderschichten schieben und arbeitet nun auch am Sonnabend. Studenten werden zur Unterstützung neu eingestellt, Unterkunftsplätze werden rar: Die abrupte Zunahme von Asylbewerbern am „Ankunftszentrum für Geflüchtete“ in Wittenau stellt das Landesamt für Flüchtlingsfragen (LAF) vor enorme Herausforderungen. Zuerst berichtete der rbb.

Im Juli baten rund 1800 Menschen um Asyl. „An Spitzentagen kamen 200 Menschen“, sagte LAF-Präsident Alexander Straßmeir am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

200 übersteigt bei weitem die Belastungsgrenzen der Mitarbeiter. Im Juni lag die Zahl noch bei 80 Menschen. „Wir können bis zu 80 Personen am Tag bewältigen“, sagte Jana Borkamp, die Leiterin der LAF-Abteilung Unterkünfte.

Die nicht bearbeiteten Fälle müssten aufgeschoben werden. Sehr viele der Asylbewerber kommen aus Moldawien. „Es ist, als hätte jemand einen Schalter umgelegt“, sagte Borkamp.

Straßmeir kann den Grund für den enormen Zuwachs an Moldawien nur vermuten: „Meine Mutmaßung lautet, dass diese Menschen in ihrer Heimat so arm sind, dass sie nach Berlin kommen, weil sie dort die Leistungen erhalten, die einem Asylbewerber zu stehen.“ Einige der Moldawier hätten bereits den vierten Asylantrag gestellt. „Dreimal sind sie abgelehnt worden.“

Polizei untersucht Verdacht auf Schleuser

Dass die Situation inzwischen sehr problematisch ist, haben Jana Borkamp und eine Kollegin vor Kurzem an die Senatsverwaltung für Arbeit, die übergeordnete Behörde des LAF, geschrieben.

In dem Brief, den der rbb zuerst veröffentlicht hatte, heißt es: Man habe „große Angst beim Durchqueren der Parkanlage“. Das Zentrum liegt auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Klinik.

[Immer konkret und schon über 250.000 Abos: Hier gibt es die Tagesspiegel-Newsletter für jeden Berliner Bezirk - jetzt kostenlos: leute.tagesspiegel.de]

Im Brief ist die Rede von Schleuserkriminalität, Verwahrlosung und Drogenmissbrauch. Dem Schreiben sind nach rbb-Informationen auch Belegfotos beigefügt. Demnach würden aus Kleinbussen und Pkw mehrere Menschen gezielt abgesetzt. „Es wird vermutet, dass es sich hier um organisierten und von den Nutzern:innen bezahlten Transport handelt.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Der Verdacht hat seine Berechtigung. Die Polizei habe Hinweise auf Schleuserkriminalität, erklärte Polizeisprecher Thilo Calbitz dem rbb. Die Polizei habe 70 Einsätze vor Ort gehabt, unter anderem wegen Ermittlungen zu Körperverletzung, Drogendelikten oder Diebstahls.
Dass finanzielle Interessen eine große Rolle spielen könnten, liegt auf der Hand. Eine zehnköpfige Familie könne maximal bis zu 4200 Euro an Unterstützung erhalten, erklärte Jana Borkamp. In dem von ihr unterzeichneten Brief heißt es über finanzielle Zuwendungen: „Die Freude darüber ist enorm und es wird umgehend jeder Bekannte kontaktiert, um darüber zu berichten.“

Der Platz reicht nicht mehr – mehr Unterkünfte müssen her

Im Ankunftszentrum selber kann das LAF 590 Personen unterbringen. Doch dieser Platz reicht nicht mehr aus. Nun wird eine benachbarte Unterkunft mit rund 100 Plätzen zusätzlich für Übernachtungen genützt.
Das LAF hat auf die Zustände zumindest teilweise reagiert. Das Hausrecht für ein Gebäude, das bislang bei Vivantes lag, ist auf das LAF übergegangen. „Wir kontrollieren jetzt am Eingang, ob jemand Asyl beantragen oder ob er im Haus nur Bier trinken und Party feiern will“, sagte Jana Borkamp.
Die Frage, ob Schleuserkriminaltät vorliege, sei aber Sache der Polizei, sagte Straßmeir. Seine Sache ist freilich die Unterbringung der Menschen, sollte der Zustrom anhalten. „Dann müssen wir am Jahresende kreativ denken“, sagte Straßmeir. Es könne nötig werden, geschlossene Tempohomes zu öffnen. Aber dazu braucht man politischen Mut.“
Wenn es nach dem Bundesinnenministerium und dem Bundesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (BAMF) geht, ist dieser Mut nicht nötig. „Wir haben die Behörden gefragt, ob sie ihre Prognose bezüglich der Zuwanderung korrigieren“, sagte Straßmeir. „Aber die ändern nichts.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false