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Das Porträt hängt ab sofort im Abgeordnetenhaus.

© dpa

„Versuche, dein Leben zu machen“: Porträt der Ehrenbürgerin Margot Friedländer im Abgeordnetenhaus enthüllt

Die Holocaust-Überlebende wird mit einem Porträt geehrt. An der feierlichen Zeremonie am Montag nahmen auch Michael Müller und Sänger Max Raabe teil.

Unmittelbar nachdem in einer feierlichen Zeremonie im Abgeordnetenhaus am Montagvormittag ihr Porträt enthüllt wurde, erinnerte sich Berlins Ehrenbürgerin Margot Friedländer in ihren Dankesworten an den 20. Januar 1943. Sie wollte die Mutter und ihren jüngeren Bruder Ralph treffen, um noch einen weiteren Versuch zu machen, die Flucht vor den Nazis vorzubereiten.

Aber die Gestapo hatte Ralph abgeholt, und die Mutter war ihm gefolgt. Beide wurden in Auschwitz ermordet. Sie war 21 Jahre alt und musste untertauchen. 15 Monate später wurde sie „geschnappt“, wie sie sagte, kam ins Konzentrationslager Theresienstadt.

Sie überlebte Hunger, Krankheit, Schwerstarbeit. Der Tod war allgegenwärtig. Nach dem Krieg ging sie mit ihrem Mann nach New York, lebte dort mehr als 60 Jahre lang, bevor sie sich im Alter von 88 Jahren entschloss, nach Berlin zurückzukehren. Das war vor zehn Jahren.

Lange hat die Malerin Stephanie von Dallwitz darüber nachgedacht, wie sie eine so facettenreiche Persönlichkeit auf die Leinwand bannen soll, die Ausstrahlung, die Charakterstärke, die Ausdruckskraft. „Sie ist so ein gutes Beispiel für jeden Einzelnen von uns, wie wichtig es ist, verzeihen zu können“, sagte sie im Anschluss an die Zeremonie. Und weiter: „Dass man sich viel mehr wehtut, wenn man nicht verzeiht.“

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) war gekommen und viele Freunde, an der Spitze der frühere Staatssekretär André Schmitz, der sie in Berlin von Anfang an begleitet hat, aber auch Max Raabe, der ihr zu diesem Anlass einen Auftritt schenkte.„Ich bin nur wegen Dir hier“, sang er.

„Sie folgten Ihrem Herzensanliegen“

Abgeordnetenhaus-Präsident Ralf Wieland (SPD) würdigte in seiner Ansprache den „beachtlichen Schritt“, den Margot Friedländers Rückkehr „gegen den Rat der Freunde“ bedeutet habe: „Sie folgten Ihrem Herzensanliegen: Heute für all diejenigen zu sprechen, die es nicht mehr können, und jungen Leuten Ihre Botschaft mitzugeben: ,Seid Menschen‘, lasst es nie wieder geschehen.“

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Noch heute, im Alter von 98 Jahren, spricht Margot Friedländer vor Schülern über das, was ihr geschah. Künftig kann man ihr Porträt werktags von 9 bis 18 Uhr im Abgeordnetenhaus anschauen.

Das letzte Haus, in dem sie sich 1944 versteckte, bevor sie ins Konzentrationslager kam, lag in der Fasanenstraße 70 in Charlottenburg. Dort befindet sich heute das Atelier der Malerin des Porträts. Für Stephanie von Dallwitz ist das „Fügung“. Margot Friedländer betrachtet es eher als „Zufall“. Sie erinnerte auch an ihre Mutter, die ihr einen Zettel geschrieben hatte an jenem verzweifelten Januartag: „Versuche, dein Leben zu machen.“ So heißt übrigens auch ihr Buch.

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