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Im vergangenen Jahr kam es bei der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ zu antisemitischen Sprechchören.

© Kay Nietfeld/dpa

Versammlungen am Tag der Arbeit: 5000 Polizisten am 1. Mai in Berlin im Einsatz – Streit um Route von linker Demo

Die Polizei bereitet sich mit einem Großaufgebot auf den 1. Mai vor. Bei der „Revolutionären Demo“ werden Tausende erwartet. Doch um die Strecke gibt es Ärger.

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Nach zwei Jahren Pandemie bereitet sich die Polizei wieder mit einem Großaufgebot auf den 1. Mai in der Hauptstadt vor. 5000 Polizisten sollen nach jetzigem Stand im Einsatz sein, kündigte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung an. Gut die Hälfte der 40 Einheiten soll aus anderen Bundesländern nach Berlin kommen.

Stand Dienstag seien insgesamt 15 Versammlungen für den Tag angemeldet worden, sagte die Senatorin. Aus der Erfahrung wisse man aber, dass noch „bis zum letzten Tag Anmeldungen“ eintreffen können. Darauf bereite man sich dann entsprechend ebenfalls vor.

„Ich freue mich natürlich, dass der 1. Mai auch wieder so stattfindet nach Corona, dass man wieder Veranstaltungen macht“, sagte Spranger. Aber „leider“ müsse man da auch immer mit einer „gewissen Gewaltbereitschaft“ rechnen. „Das wird auch wahrscheinlich in diesem Jahr wieder so sein.“

Bei der sogenannten „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ in Berlin rechnet der Verfassungsschutz mit 5000 bis 20.000 Teilnehmern. Das sagte Claudia Langeheine von der Behörde am Montag im Ausschuss für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses.

„Wir gehen davon aus, dass sich gewaltbereite Personen im Aufzug verteilen werden.“ Die Autonomen haben eine Route von Neukölln nach Kreuzberg angemeldet. Die Demonstration soll um 18 Uhr am Hertzbergplatz starten und dann über Sonnenallee, Kottbusser Damm und Adalbertstraße bis zum Oranienplatz führen.

Veranstalter werfen Behörde vor, Routenplanung zu behindern

Die Veranstalter fühlen sich jedoch vom Bezirksamt Neukölln ausgebremst. Konkret werfen sie der Behörde vor, bei ihrer Routenplanung behindert zu werden, weil der Bezirk am gleichen Tag Straßenfeste in der Gegend abhalte.

Es gibt einen großen Flohmarkt mit Konzerten auf dem Hermannplatz, Live-Musik und eine Konzertbühne am Hermannplatz, ein großes Familien- und Kinderfest rund um das Rathaus Neukölln und die Erkstraße, ein Fußball- und Tischtennisturnier in der Lessinghöhe sowie das öffentliche Fastenbrechen in Kooperation mit dem Deutsch-Arabischen Zentrum auf der Sonnenallee um 19 Uhr.

[„Mir ist wichtig, dass es zu keiner Eskalation kommt“: Bezirksbürgermeister Martin Hikel im Interview über den 1. Mai in Neukölln und die Hintergründe der Straßenfeste (T+)]

In den Straßenfesten in Neukölln sieht nun die linke Gruppe „Migrantifa Berlin“, die die Demonstration am Abend des 1. Mai anführen will, ein „Myfest 2.0“. Sie wirft dem Bezirk „schmutzige Tricks“ vor. Die drei Straßenfeste seien nur angekündigt worden, um die Demonstration einzuschränken. Innensenatorin Spranger sagte dazu am Dienstag, dass alle Versammlungen ordnungsgemäß angemeldet worden seien.

Bündnis bezeichnet Straßenfeste als „gezielte Provokation“

Das Bündnis, das die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration organisiert, bezeichnete die geplanten Straßenfeste als „Frechheit“ und „gezielte Provokation“, wie Sprecherin Aicha Jamal dem Tagesspiegel sagte. Insbesondere das in der Sonnenallee geplante Fest zum Fastenbrechen habe keinen Rückhalt in der Community und sei mit 19 Uhr schlicht zu früh geplant. Man verstehe nicht, warum die Demonstration nicht vor dem Fest vorbeiziehen könne.

Bis zum Dienstagabend wollte das Bündnis entscheiden, ob es gegen die geplante Routenänderung gerichtlich vorgeht. „Polizei und Bezirksamt wollen aus unserer Sicht um jeden Preis verhindern, dass die Demonstration stattfindet“, sagte Aicha Jamal.

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Auch Innen-Staatssekretär Torsten Akmann sagte, möglicherweise werde noch vor Gericht über die Strecke gestritten. Im vergangenen Jahr hätten antisemitische Sprechchöre und Gewalteskalationen bei der „Revolutionären 1.-Mai-Demo“, die teils in Neukölln stattgefunden habe, dominiert. Zuletzt fand das „Myfest“ im Jahr 2019 statt, danach wurde es wegen der Corona-Pandemie wiederholt abgesagt.

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Vorwürfe, dass die Demonstration wieder eskalieren könnte, wies die Bündnissprecherin Aicha Jamal zurück: Schuld an den Auseinandersetzungen sei das Eingreifen der Polizei gewesen, die den sogenannten Schwarzen Block aus der Demonstration ausgeschlossen hatte. „Was nach dem Eingreifen der Polizei passiert, dafür haben wir keine Verantwortung“, sagte Jamal.

Auf die Frage, wie das Bündnis verhindern wolle, dass – wie im vergangenen Jahr – Teilnehmende der Demonstration juden- und israelfeindliche Parolen skandieren, sagte Jamal, dass die Äußerungen aus Sicht des Bündnisses nicht antisemitisch gewesen seien. Teilnehmende hatten unter anderem skandiert: „Stoppt den Krieg, Intifada bis zum Sieg“ und damit explizit zur Gewalt gegen Israel aufgerufen. Als Intifada werden palästinensische Aufstände gegen den israelischen Staat und dessen Zivilbevölkerung bezeichnet.

Weitere Demonstrationen am 1. Mai und davor

Die umkämpfte Kundgebung wird nicht der einzige linke Protest rund um den Tag der Arbeit sein. Schon am Nachmittag des 1. Mai werden mehr als 10.000 Demonstranten bei einem großen Fahrradkorso durch den Villen-Stadtteil Grunewald erwartet. Diese Demonstration spricht laut Verfassungsschutz sowohl linksextremistische als auch friedliche Teilnehmer an.

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Auch der 30. April wird ein Tag der Demonstrationen sein. In der Nähe des von Linksautonomen teilbesetzten Hauses in der Rigaer Straße ist am Nachmittag ein Straßenfest geplant, das angekündigt wird unter dem Motto „32 Jahre Gentrifizierung, Widerstand, selbstbestimmtes Leben und ganz viel Scheiß, Wir bleiben alle!“.

Um 16 Uhr wird am Kottbusser Tor gegen die geplante Polizeiwache protestiert. Parallel werden in Wedding bis zu 2000 Menschen bei der jährlichen linken Demonstration erwartet. Abends zieht dann eine linksradikale feministische Frauen-Demonstration mit dem Titel „Take Back the night“ durch Prenzlauer Berg nach Mitte.

Gewalt von kleineren Gruppen aus der linksautonomen Szene und Angriffe auf die Polizei gehörten in den vergangenen Jahrzehnten zum üblichen Ablauf der Demonstrationen am 1. Mai. Die großen Straßenschlachten der 80er- und 90er-Jahre gab es in Berlin allerdings schon lange nicht mehr.

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