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Schlaglöcher, wie hier auf der Straße des 17. Juni, marode Gehsteige und unbefahrbare Radwege gehören in Berlin zum Stadtbild.

© dpa

Verkehrssicherheit: Nußbaum geizt bei der Straßenreparatur

Fünf Millionen Euro stellt Finanzsenator Ulrich Nußbaum den Bezirken aus dem Schlagloch-Programm zur Verfügung. Das ruft Verärgerung und Kritik hervor. Was aber geschieht mit den restlichen 20 Millionen Euro?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) spart – zulasten der Berliner Straßen, die sich seit Jahren in beklagenswertem Zustand befinden. Zwar gibt es ein Sonderprogramm, mit dem Schlaglöcher und andere Winterschäden beseitigt werden könnten. Doch von den 25 Millionen Euro, die dafür im laufenden Jahr zur Verfügung stehen, sollen die Bezirke nur fünf Millionen Euro erhalten. Das teilte die Finanzverwaltung den bezirklichen Haushaltsämtern in einem internen Schreiben mit, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Unter den Straßenschäden in Berlin leiden Autofahrer und der Wirtschaftsverkehr, aber auch Radfahrer und Fußgänger. So ist es kein Wunder, dass die Baustadträte empört auf den Versuch Nußbaums reagieren, einen großen Teil des Budgets für die „saisonal bedingte Verstärkung der Tiefbauunterhaltung“ in seiner Sparbüchse zu behalten. Charlottenburg-Wilmersdorf beispielsweise soll mit 478 000 Euro für die Sanierung von zwei Straßen auskommen. „Das ist ein Fünftel der Summe, die uns im vergangenen Jahr zur Verfügung stand“, sagte Baustadtrat Marc Schulte (SPD) am Freitag.

Er vermutet: „Das ist die stille Rache des Finanzsenators für die 50 Millionen Euro, die die Regierungsfraktionen SPD und CDU den Bezirken im Landeshaushalt 2012/13 gegen seinen Willen zusätzlich zur Verfügung gestellt haben.“ Offenbar wolle Nußbaum das Geld an anderer Stelle wieder hereinholen. Auch Carsten Spallek (CDU), Baustadtrat in Mitte, ärgert sich. „Obwohl es schon Juli ist, wären die Bezirke sehr wohl in der Lage, bis zum Jahresende die gesamten 25 Millionen Euro, jedenfalls einen ganz großen Teil davon sinnvoll zu verbauen.“

Spallek erinnerte daran, dass Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) die Baustadträte vor den Sommerferien ermuntert hatte, die Ausschreibungen für Straßensanierungen schon einmal vorzubereiten, trotz der damals geltenden Haushaltssperre. Seit einem Monat, nachdem der Landeshaushalt beschlossen wurde, können die Aufträge vergeben werden. So wird in Mitte bereits die John-Foster-Dulles-Allee erneuert, das kostet eine halbe Million Euro. „Im Vertrauen auf das Sonderprogramm sind wir in Vorleistung gegangen“, sagt Spallek. Pech gehabt. Auf der Prioritätenliste, die von der Stadtentwicklungsbehörde nach einer Umfrage in den Bezirken zusammengestellt wurde, stehen zwei andere Straßen, und das Budget für Mitte beträgt nur 440 000 Euro.

Der Stadtrat spricht von „Ränkespielen, die nicht geeignet sind, den riesigen Investitionsstau in Berlin aufzulösen“. Auch Florian Graf, CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, kritisiert Nußbaums „Verwaltungstricks“. Er erwarte vom Senat, dass die gesamten 25 Millionen Euro eingesetzt werden. „Die Straßen müssen weiter von Schlaglöchern befreit werden, das merkt doch jeder sofort, der mit offenen Augen durch die Stadt geht.“ Ein Sprecher der Finanzverwaltung bestätigte, dass den Bezirken „zunächst“ nur fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden und lieferte für den eigensinnigen Umgang mit dem Sonderprogramm eine formale Begründung. Es handele sich um Mittel im Etat der Finanzverwaltung und nicht um eine Zuweisung an die Bezirke.

Die Stadtentwicklungsbehörde will mit der Sache möglichst nichts zu tun haben „Das ist eine Angelegenheit des Finanzsenators“, sagte eine Sprecherin. Die Prioritätenliste für lediglich fünf Millionen Euro sei aber „sinnvoll, um die wichtigsten Straßenreparaturen auf den Weg zu bringen“. Erst vor einem Jahr hatte der Senat auf Anfrage der Grünen als Schätzung angegeben, dass der „Instandhaltungsrückstau im Bereich der Straßen“ etwa 400 Millionen Euro betrage. Der wichtigste Grund dafür sei, dass Neu- und Ausbauprojekte nach dem Mauerfall Vorrang gehabt hätten. Aber was geschieht jetzt mit dem Finanztopf, auf dem Senator Nußbaum sitzt? Das Abgeordnetenhaus als Haushaltsgesetzgeber wird sich nach den Sommerferien aller Voraussicht nach damit befassen.

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