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Unschön: Radfahren in Berlin kann gefährlich werden.

© Alexander Heinl/dpa

Verkehrspolitik in Berlin: Berlins Radler sollen sicherer fahren

Die Berliner Grünen laden zu einer Radtour an neuralgische Orte im Straßenverkehr. Die Tour zeigt: Es ist noch viel zu tun.

Kaum trifft der Verkehrsstaatssekretär ein, fallen die Ampeln aus an der Einmündung der Katzbachstraße in die Yorckstraße. Eine schöne Pointe, aber auch nicht wirklich lustig an diesem östlichen Ausgang der Yorckbrücken, an dem es schon mit Ampeln knifflig ist für alle Beteiligten.

Die Ecke ist eine von mehreren, die ein grüner fahrradbewegter Pulk auf Einladung von Antje Kapek, Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, am Freitag abradelt. Neben Abgeordneten aus Land und Bezirken sind auch lokale Fahrradaktivisten dabei – und eben Jens-Holger Kirchner, Parteifreund und qua Amt oberster Fachmann für Verkehrsfragen. Er hat sein faltbares Elektrorad dabei, einen Helm mit Blinkerfunktion auf dem Kopf, eine Warnweste überm Jackett und ein Smartphone in der Tasche, in dem er Infos zu dieser Ecke gespeichert hat.

„Baubeginn am 4.6., also bewusst nach dem Karneval der Kulturen“, ruft Kirchner in die Runde, nachdem er sein Smartphone gecheckt hat. „Ende des letzten Bauabschnitts am 14.9.“ Die lange Kurve der Yorckstraße soll so verändert werden, dass sie weniger zum Rasen einlädt.

Außerdem werden Gehwege vorgestreckt, um Fußgängern das Queren zu erleichtern, und die Ampeln so umgebaut, dass sich Linksabbieger nicht mehr durch zweispurigen Gegenverkehr kämpfen müssen, hinter dem sie querenden Fußgängern und Radfahrern gefährlich werden.

Gefährlich und unverzichtbar

Es ist eine Ecke von hunderten in der Stadt, in denen gerade die ungeschützten Verkehrsteilnehmer gefährlich leben – ausweislich der Unfallstatistik und einer Petition von Anwohnern, die Angst um ihre Kinder auf dem Schulweg haben.

Zugleich ist die Yorckstraße trotz ihrer erbärmlichen Uralt-Radwege eine der meistgenutzten Radverkehrsstrecken: Die Leute müssen einfach hier lang. Sofern sie sich unter diesen Bedingungen überhaupt aufs Fahrrad trauen.

Darum geht es auch Kapek, die als Fraktionsvorsitzende nach eigenem Bekunden weder planen noch bauen kann, aber „zuhören, antreiben und Öffentlichkeit schaffen“. Treffpunkt war am Kaiser-Wilhelm-Platz, wo die Kolonnenstraße in die Hauptstraße mündet und im Januar eine links abbiegende Radfahrerin von einem in derselben Grünphase rechts abbiegenden Lastwagen überfahren wurde.

Am Tag nach dem Unfall erschienen die Verkehrssenatorin und der Chef der Verkehrslenkung am Ort, um schnelle Abhilfe in Gestalt einer breiter markierten Radspur zulasten der zuvor doppelten Autospur zu schaffen. Das war ein starkes Signal, aber im Alltag benutzen Autofahrer die neue Radspur kurzerhand mit. Die Stelle zeigt exemplarisch, warum die Verkehrsverwaltung künftig nur noch baulich geschützte Radwege anlegen will.

Mobilitätsgesetz noch nicht verabschiedet

Warum man nicht einfach Poller installiere, fragt einer der teils sowohl mit Orts- als auch mit Planungskenntnis gesegneten Fahrradlobbyisten. Kirchner sagt, dass das Mobilitätsgesetz leider noch immer nicht vom Parlament verabschiedet sei und „dass wir schon sehen müssen, dass wir halbwegs im Rahmen der Straßenverkehrsordnung bleiben“.

Gesetzliche Vorschriften sind eine Tücke, bauliche eine andere. So muss für die Gehwegvorstreckung an der Yorckstraße wohl ein Gully samt Kanal verlegt werden – ein Fall für die Wasserbetriebe. Hinzu kommt das ewige Nebeneinander aus Bezirks- und Senatsverwaltung. Gerade die Bezirksämter seien teils unwillig und personell noch immer nicht in der Lage, Gefahrenstellen zu entschärfen, klagen Radfahrer- und Anwohnervertreter.

Kirchner kündigt ein Radverkehrsbündnis als neues Gremium für bessere Abstimmung zwischen den vielen Beteiligten an und merkt an: „Wenn uns der Bezirk um Hilfe bittet, werden wir das wohlwollend prüfen.“ Aber erfahrungsgemäß ließen die Bezirksämter Dinge lieber liegen, als ihre Hoheit darüber abzugeben.

Vor der Weiterfahrt berichtet Kirchner noch, es gebe Planungen, je eine Autospur unter den Yorckbrücken zugunsten von Radfahrstreifen wegzunehmen. Vor der Entscheidung darüber müsse aber noch viel geprüft, gerechnet und simuliert werden, damit die Idee nicht im Verkehrschaos mündet: „Wir sind mutig, aber nicht blöd.“

Das mit dem Mut greift Kapek auf, die Familie in den Niederlanden hat, wo sie auch selbst lebte. „Dort haben nicht die Grünen die Radverkehrsförderung durchgesetzt. Es waren einfach praktische Überlegungen von teils auch konservativen Regierungen, die von Ingenieuren umgesetzt wurden.“

Kapek sieht das heutige Berlin am Beginn dieser Phase: Einerseits wird immer offenkundiger, dass das Verkehrssystem in der wachsenden Stadt nicht noch zusätzlich zehn Quadratmeter Auto pro Person verkraften kann. Andererseits werde sie immer öfter angesprochen, wann denn nun endlich der rad- und fußgängerfreundlichere Umbau der Stadt beginne. „Auch wenn es lange dauert: Wir sind gerade dabei, die Verkehrsplanung für die nächsten Jahrzehnte neu auszurichten. Das ist eine Revolution.“

Dann radelt der Pulk weiter – in die Linienstraße, in der die Radfahrer nicht nur in der Mehrheit sind, sondern auch formell Vorrang haben, da Autos nur im Anliegerverkehr erlaubt sind. Praktisch stauen sich aber alle gerade hinter einem Lieferwagen, der fast die gesamte Fahrbahnbreite blockiert. Zusammen mit den Autos, die rechts und links parken.

Für Radfahrer ist sogar in der Fahrradstraße zu wenig Platz. Langfristig werde es hier wohl nur mit weniger Autos funktionieren, sind sich alle einig. Also Parkplätze weg. Revolutionen sind anstrengend.

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