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Weil an der Spandauer Schleuse eine 3,5 Tonnen schwere Dichtung defekt ist, soll sie den gesamten Sommer ausfallen.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

Verkehr in Berlin-Spandau: „Das ist doch kein Zustand für die Schifffahrt“

Der Chef des Berliner Kreuzfahrtterminals über Frust wegen der kaputten Schleuse, Reisen an die Ostsee und ganz neuen Treibstoff.

Der Sommer ist da. Und prompt schwappt Frust ans Berliner Ufer. Denn dummerweise fällt im kompletten (!) Sommer die Spandauer Schleuse aus – die wichtigste Verbindung der Stadt, quasi die Nord-Süd-Schiffsautobahn. Grund ist eine Havarie, eine kaputte Dichtung, 3,5 Tonnen Gewicht, fünf Meter Länge.

Weil es die nicht im Baumarktregal gibt, sondern nur im Spezialitätengeschäft, dauert das alles. Erst im September kann die Schleuse an der Zitadelle wieder in Betrieb gehen, heißt es in der Zentrale des Schifffahrtsamtes in Kreuzberg. Die Folgen für die 200 Schiffe, die täglich durch diese Berliner Schleuse müssen, sind enorm.

Frachtkähne hängen fest, Kreuzfahrtkapitäne nehmen andere Routen, fahren die Touristen im Bogen um die Stadt herum und halten dann in Potsdam statt in Berlin. Ausflugsdampfer müssen ihre Touren streichen, klagt etwa die Reederei Lüdicke und schreibt dem Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau: „Es muss endlich mehr Geld für Schleusenpersonal und die Wartung der Schleusen in der Weltstadt Berlin in die Hand genommen werden!“ Die Besatzung des Feuerwehrbootes (liegt in Spandau vor Anker) müsste im Notfall einen 15-Kilometer-Umweg fahren – über Wedding. Da wird die Blaulicht-Fahrt zur Tagesreise.

Und bei Betrieben an Land wie der „Bootstankstelle Berlin“ an der Scharfen Lanke heißt es: „Ein Ersatzteil fehlt, und monatelang geht nichts mehr in Berlin? Dieser Zustand ist utopisch“, schimpft der Chef, Sascha Stegen, im Gespräch mit dem Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel. „Wir haben als Firma gerade 40 Prozent Umsatzverlust.“

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Hier ein Gespräch mit einem der Bekanntesten der Branche: Ingo Gersbeck, 55, Chef des Kreuzfahrtterminals in Berlin. Mitarbeiter: 11. Das Terminal liegt in Spandau – nahe dem Rathaus. Früher war er Geschäftsführer des Reederverbandes. Teile des Gesprächs erschienen zuerst im Spandau-Newsletter des Tagesspiegel - hier der Link.

Unterhalb der Schleuse Spandau befindet sich das Kreuzfahrtterminal. Die Pfeile zeigen die Umleitung quer durch Berlin.
Unterhalb der Schleuse Spandau befindet sich das Kreuzfahrtterminal. Die Pfeile zeigen die Umleitung quer durch Berlin.

© Bartel

Herr Gersbeck, die Schleuse ist den kompletten Sommer dicht. Gucken wir doch mal auf den Stadtplan: Sie könnten die Spree nach Osten nehmen, durch zwei Schleusen schippern, dann den Kanal zurück nach Westen befahren und dann …
Diese Umfahrung dauert zwei bis drei Stunden länger – pro Schiff, Tag für Tag. Und das drei Monate lang. Das ist doch kein Zustand für den Schiffsverkehr. Das bringt nicht nur erhebliche Umsatzeinbußen mit sich, auch meine Belegschaft ist durch den enormen zeitlichen Mehrstundenanfall am Limit. Denn nicht immer klappt es mit den Schleusungen. Weil dort alle lang müssen, staut sich der Verkehr. So eine Schleusung an sich dauert 15 bis 20 Minuten. Wenn aber der Schubverband größer ist und der aus zwei Ladungen besteht, muss der an der kleinen Schleuse Plötzensee auch zwei Mal rein, hoch, runter, raus. Das dauert.

Und alle anderen müssen warten.

Natürlich. Es kommt aber noch ein Problem hinzu: Die Schleuse in Plötzensee wird ferngesteuert aus Charlottenburg. Wenn sich ein Schiff in der Kammer der Schleuse Charlottenburg befindet, muss in Plötzensee alles warten. Denn: Es ist nur ein Schleusungsvorgang zeitgleich erlaubt. Und die Sportschiffer müssen dort ja auch noch durch. Kurzum: Die Zeit ist für uns Unternehmer nicht kalkulierbar, Schiffspersonal muss länger arbeiten, dadurch entstehen höhere Personalkosten, es müssen Aufträge abgesagt werden. Neulich fiel die Schleuse Plötzensee auch kurzfristig am Morgen stundenlang aus. Dann ist der Weg nach Norden nicht mehr möglich, die Schifffahrt somit abgeschnitten.

Die Klagen in der Branche sind groß, dauernd klingelt bei uns das Telefon und Unternehmer berichten von ihrem Ärger.

Leider haben wir vom Gewerbe den Eindruck, dass nicht mit oberster Priorität die Schleusenproblematik angegangen wird. Es sind durch Personalmangel die Schleusenzeiten reduziert worden, obwohl ja eigentlich durch die gesperrte Schleuse Spandau Personal verfügbar sein müsste, oder? Auskünfte erteilt uns das Amt nicht, auch wird immer wieder betont, man solle sich doch beim Ministerium beschweren. Dort wird man aber gar nicht für voll genommen. Da verliert man so langsam den Mut.

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Herr Gersbeck, wenn die Schleuse wieder in Betrieb ist und die Kreuzfahrtschiffe bei Ihnen starten – wo geht’s da eigentlich hin?

Im Idealfall: Sie können vom Ziegelhof direkt an die Ostsee fahren – von Spandau nach Stralsund, mit Stopp auf Hiddensee. Eine Woche dauert das, mit Übernachtungen und Ausflügen. Ein Bus fährt parallel mit. Oder auch nach Prag. Das ist richtig beliebt, mit Halt in Dresden. Bin ich aber noch nie mitgefahren.

Geht’s auch nach Westen?

Ja, aber nur zum Saisonende. Wenn es kalt wird und bei uns im Osten die Flüsse einfrieren, dann orientieren sich die Schiffe lieber gen Amsterdam, Basel.

Die Kreuzfahrtschiffe sind ein paar Nummern kleiner als die Pötte von Aida und Mein Schiff …

... ja, klar, und das Publikum ist auch anders – gediegener, älter. Wenn die Reisegäste hier in Spandau mit ihren Koffern an Bord gehen – der ICE-Bahnhof liegt ja ums Eck –, dann wird da nicht die Nacht durchgetanzt. Eine Disco an Bord gibt es nicht, da sitzt ein Alleinunterhalter am Klavier.

Wann ging's los am Kreuzfahrtterminal?

1998, da habe ich die Bunkerstation gekauft. Seitdem wohne ich auch in der Wilhelmstadt und …

… was ist denn eine Bunkerstation?

Na, eine Schiffstankstelle. Bunkern heißt ‚tanken und Schiffsbedarf einkaufen‘ im Schiffsjargon. Ich bin gelernter Bankkaufmann, komme von der Bank für Schiffahrt, mit zwei F – das ist nämlich ein Eigenname. Für diese Bank war ich nach meiner Lehrzeit in Hannover 14 Jahre als Niederlassungsleiter im Westhafen tätig. Ich war auch Geschäftsführer des Reederverbandes der Berliner Personenschiffahrt.

Kapitän bin ich nicht, kenne mich aber auch so in der Branche gut aus. 1999 legte das erste Flusskreuzfahrtschiff, die MS „Swiss Coral“, an meiner Bunkerstation an. Die Nachfrage nahm zu, 2004 habe ich das 1. Kreuzfahrtterminal eröffnet. Die Liegestelle hat Strom und Halteplätze für Reisebusse. Eine weitere Anlegestelle für kleine Schiffe befindet sich ganz in der Nähe. Mit meinen Bunkerbooten fahren wir zum Tanken bis zum Treptower Hafen und auch zum Wannsee an die BVG-Fähre. Oder zum Tegeler See – wenn die Schleuse in Spandau nicht gesperrt wäre.

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Kann man mit dem Diesel Auto fahren?

Ja, könnten Sie theoretisch, das ist ja kein Schweröl. Dürfen Sie aber nicht. Der Diesel sieht anders aus – er ist rötlich gefärbt, um das alles auseinanderzuhalten. Ich will aber einen neuen Treibstoff nach Berlin holen, den gibt es hier noch nicht: Shell GTL, Gas-to-liquids – ein synthetischer Dieselkraftstoff, der aus Erdgas gewonnen wird. Der hat 40 Prozent weniger Stickoxide, 90 Prozent weniger Rußpartikel, riecht man nicht, sieht man nicht – ist gut für die Umwelt, könnte gut funktionieren. Ich will der Erste sein.

Haben Sie ein Schiff?

Privat? Nein. Aber mir gehört der Dampfer „MS Rheinland“. Die ist gerade beim Tüv – neue Farben, Fünf-Jahres-Check, wir wollen sie umbauen. 2020 fährt sie wieder.

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Wo treffen sich die Schiffer?

Früher immer in der Sportgaststätte am Ziegelhof, beim Spandauer BC. Heute haben wir ein schwimmendes Vereinsheim am Ufer. Die „Fritz Gerhard“, ein altes Schiff, 90 Jahre. Ein Tresen und ein Kühlschrank sind da drin, Bewirtschaftung in Eigenregie, fertig. Ein schönes Schiff, das der Schifferverein geschenkt bekommen hat und das durch fleißige Vereinsmitglieder gehegt und gepflegt wird – das ist aber nicht öffentlich. Das Schiff kennen Sie bestimmt: Die „Fritz Gerhard“ ist die mit den vielen bunten Fähnchen am Ziegelhof und liegt seit fast 30 Jahren dort. Die meisten Binnenschiffer bringen Kohle nach Berlin. Denen empfehle ich dann ein Eis bei Florida. Kommt meistens gut an.

Sie haben einen bekannten Sohn, Herr Gersbeck: Marius Gersbeck, der Hertha-Torhüter. Er hat sogar schon in der Bundesliga gespielt.

Ja, aber Marius hatte leider viel Pech mit Verletzungen. Ich sage ihm immer: Marius, denk bitte an eine Alternative zum aktiven Fußball. Schiffsknoten kann er, und fit ist er auch (lacht). Mein anderer Sohn Julian ist schon ausgelernter Binnenschiffer. Wenn die beiden wollen, können sie meinen Betrieb in Spandau einmal weiterführen.

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