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Blick in die Oranienstraße in Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Verkehr in Berlin: Autos sollen raus aus der Kreuzberger Oranienstraße

Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg arbeitet an einem fahrradfreundlichen Konzept, das der Senat prüfen soll. „Es muss was passieren“, sagt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann.

Die Oranienstraße ist ein riskantes Experiment. Wenn es gut läuft, passen Autofahrer, Lastwagenlenker, Radfahrer und Fußgänger aufeinander auf. Wenn es schlecht läuft, kracht es. Unter Radfahrern firmiert die Straße als Verkehrshölle, vor allem wegen der vielen Zweite-Reihe-Parker. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) nennt die Kreuzberger Szenemeile nur „Chaosstraße“.

Sie möchte die Autos am liebsten aus der Straße verbannen, um mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Nur Anwohner, die Busse der BVG und Lieferanten sollen noch hineinfahren dürfen. Ein Planungsantrag für die Oranienstraße werde derzeit im Bezirksamt vorbereitet, sagte Herrmann dem Tagesspiegel. Wenn er fertig ist, soll der Antrag zur Prüfung an die Senatsverkehrsverwaltung gehen.

Autofreie Straßen und Siedlungen gehören für Berliner Grüne zum Arsenal politischer Grundüberzeugungen, auch wenn sie meistens utopisch bleiben. Im Koalitionsvertrag ist das Ziel formuliert, die Prachtmeile Unter den Linden vom Durchgangsverkehr zu entlasten, aber auf der realpolitischen Agenda ist das Projekt ziemlich weit nach hinten gerutscht.

Eine Machbarkeitsstudie sollte in Auftrag gegeben werden, aber auch davon ist nichts mehr zu hören. Die Idee, die Schönhauser Allee halbseitig für den Autoverkehr zu sperren, wurde ebenfalls zurückgezogen. Nun also die Oranienstraße. Ihr Querschnitt ist deutlich enger, ihre Bedeutung für den Stadtverkehr geringer als Unter den Linden oder Schönhauser, damit erhöhen sich die Chancen.

„Es muss was passieren“

„Es muss was passieren“, sagt Herrmann. Sie fährt selbst mehrmals in der Woche mit dem Rad durch die Oranienstraße und kennt das halsbrecherische Umkurven von Lkw und Transportern. Für das Aufbringen von Radfahrstreifen sei die Straße zu schmal, sagen Verkehrsplaner. „Das Optimum wäre, den Durchgangsverkehr herauszunehmen“, findet Herrmann.

Im Urlaub hat sie im französischen Toulouse gesehen, wie man das technisch hinbekommt: An den Straßenzugängen stehen dort versenkbare Poller. Lieferdienste, Müllabfuhr und Anwohner können die Poller mit einer Chipkarte verschwinden lassen, die anderen müssen sich neue Wege suchen. Für die BVG-Busfahrer wäre das wohl allerdings wenig praktikabel.

Eine Entlastung der Oranienstraße käme allerdings nur dann infrage, wenn umliegende Straßen durch die Sperrung nicht im Stau ersticken. Für Herrmann wäre Plan B denkbar: ein fahrradgerechter Umbau der Straße mit reduzierten Parkplätzen und intensiver Falschparkerkontrolle.

Aktivist Heinrich Strößenreuther, der auch Sprecher der Initiative Clevere Städte und Initiator des Volksentscheids Fahrrad ist, twitterte am Dienstag, er habe in der „Radfahrerhölle Oranienstraße“ 50 Falschparker angezeigt. Ladenbesitzer haben etwa Schilder in ihre Schaufenster gehängt: „Sei kein Falschparker“.

In Friedrichshain-Kreuzberg kommt diese Form von Eigeninitiative gut an. Auch am Boxhagener Platz, in der Simon-Dach-Straße und im Wrangelkiez würden Konzepte zur Verkehrsberuhigung diskutiert, sagt Herrmann.

In der Luisenstadt, zu der die Oranienstraße gehört, wird derzeit von zwei Planungsbüros unter Beteiligung der Anwohner ein Verkehrskonzept erarbeitet. Ziel ist, die Dominanz des Autoverkehrs zugunsten von Fußgängern und Radfahrern zu brechen und die vorhandenen Flächen neu aufzuteilen. Für die Oranienstraße wünschen sich die Anwohner „breitere Gehwege“ und „sichere Querungsmöglichkeiten“. Es sollte außerdem „funktionierende Lieferzonen“ und „ordentliche Radabstellanlagen“ geben.

Auch da lohnt ein Blick ins Nachbarland, erzählt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann: Leihfahrräder stünden in Toulouse auf der Straße – statt, wie in Berlin, die Gehwege zu blockieren und Fußgänger zu behindern.

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