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Abschied in der Bergmannstraße. Bereits 2014 musste der beliebte Saft Schubser"-Laden dort dicht machen. Der Vermieter hatte ohne Angaben von Gründen gekündigt, die Ladeninhaberin hatte keine Chance, sich dagegen zu wehren.

© Kai-Uwe Heinrich

Verdrängung in Berlin: Wie Gewerbemieter geschützt werden können

Mieterhöhungen und Kündigungen ohne Grund: Gewerbemieter sind kaum gesetzlich geschützt. Aber eine neue Studie zeigt Lösungen.

Für immer mehr Kleinunternehmen und soziale Einrichtungen werden die steigenden Mieten in Berlin zum Problem: Unzählige Mieter sind akut von Verdrängung bedroht oder mussten ihre Türen bereits schließen, besonders extrem ist die Situation in den innerstädtischen Bezirken wie Neukölln, Mitte oder Friedrichshain/Kreuzberg. In Neukölln beispielsweise musste die "Siebdruckwerkstatt Neukölln" 2017 am angestammten Ort ausziehen und sich eine neue Bleibe suchen, im Kreuzberger Bergmann-Kiez ist die Vertreibung beliebter Läden durch zahlungskräftigere "Ketten" ein häufiges Ärgernis. Und selbst der angesagte Watergate"-Club an der Oberbaumbrücke bekam im vergangenen Jahr Probleme wegen einer extrem überzogenen Mieterhöhung.

Eine Änderung wäre grundsätzlich verfassungsgemäß

Der Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser (Die Linke) hat nun den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages damit beauftragt zu prüfen, wie Gewerbemieter besser geschützt werden können. Die Ergebnisse zeigen: Eine Änderung der Gesetzeslage ist grundsätzlich möglich und verfassungsgemäß.

Im Gegensatz zu Wohnungsmieten sind Gewerbemieten generell frei verhandelbar und in ihrer Höhe nicht beschränkt. Mietverträge laufen meist nur über befristete Zeiträume, eine Verlängerung ist oft an eine Mieterhöhung gekoppelt. Auch unbefristete Gewerbemietverträge können, bei Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfrist, jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

Parlamentarische Initiativen sollen Gewerbemietern helfen

„Der Schutz für Gewerbemieter ist juristisches Neuland“, erklärt Meiser. „Es gibt bislang keine ausgearbeiteten Gesetzesentwürfe.“ Aus der nun vorliegenden Studie sollen parlamentarische Initiativen entwickelt werden. Die Ergebnisse sollen auch in die Gesetzesinitiative einfließen, die der rot-rot-grüne Berliner Senat im kommenden Jahr im Bundesrat anstoßen will. Aktuell wird vor allem über eine Gewerbemietpreisbremse diskutiert, die analog zur Mietpreisbremse für Wohnraum funktionieren soll.

Bislang gelten Schutzmechanismen wie eben die Mietpreisbremse lediglich für Wohnungen, da diese als Mittelpunkt der privaten Existenz verstanden werden. „Für die Gewerberaummiete lässt sich eine vergleichbare Interessenlage nicht, jedenfalls nicht durchgängig, festhalten“, erklärt die Studie. Eine Voraussetzung für eine Beschränkung der Interessen der Vermieter – also in erster Linie eine möglichen Gewinnabsicht – müsse daher „geeignet, erforderlich und angemessen“ sein, um das „verfolgte Gemeinwohlziel zu erreichen“. Das gelte insbesondere für Räume, die von sozialen Einrichtungen genutzt werden.

Ist es sinnvoll, erstmal nur soziale Initiativen besser zu schützen?

Man könnte also beispielsweise einen Schutz für Mieter mit nicht-kommerziellen Zwecken planen. Dieser würde etwa Kindertagesstätten, Jugendeinrichtungen und Einrichtungen für betreutes Wohnens zugutekommen. Der Dachverband der Berliner Schüler- und Kinderläden (DaKS) spricht beispielsweise von mindestens 50 Kinderläden, die berlinweit in den vergangenen zwei Jahren gekündigt wurden oder drastische Mieterhöhungen erhielten. Auch unzählige andere Einrichtungen sind akut von Verdrängung bedroht.

Dem Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, ginge ein Mietschutz, der auf soziale Einrichtungen beschränkt ist, nicht weit genug: „Uns geht es auch um den kleinen Zeitungskiosk, der ja ein kommerzielles Interesse verfolgt.“ Gerade bei Kleingewerbe gehe es oft um die Existenz des Ladeninhabers. Pascal Meiser pflichtet Wild bei: „Wenn Kleingewerbe in seiner Existenz bedroht ist, ist auch das aus meiner Sicht ein schützenswertes Gut.“

Die juristischen Definitionen sind oftmals schwierig

Die Studie zeigt zudem Wege auf, über das Baugesetzbuch (BauGB) gerade Kleingewerbe indirekt zu schützen, wenn diese „auch die städtebauliche Eigenart eines Gebietes prägen oder für eine bestimmte Zusammensetzung der Wohnbevölkerung mitbestimmend sind.“ Der Schutz von Kleingewerbe wie Bäckereien, Zeitungsläden oder auch sozialen Einrichtungen könnte so über die Bebauungspläne erfolgen. Kompliziert ist vor allem die Unterscheidung zwischen Gewerbeformen, sagt Reiner Wild. „Was ist eigentlich ein Kleingewerbe? Und was eine soziale Einrichtung?“ In der Studie heißt es, dass zunächst der Begriff „Gewerbe“ gesetzlich definiert werden müsste.

Vor einem reinen Schutz von sozialen Einrichtungen warnt indes der Berliner Senat. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald und Harald Gindra (Linke) zum Thema „Kann der Senat kleines Gewerbe vor Verdrängung schützen?" drückt Martina Gerlach, Staatssekretärin für Justiz, ihre Sorge aus: Eine bessere Rechtsposition für soziale Einrichtungen berge die Gefahr, dass gar keine Gewerberäume mehr an sie vermietet würden. Diese Bedenken teilt Pascal Meiser nicht: „In der Tat ist es nicht ideal, einen speziellen Schutz nur für soziale Einrichtungen zu haben“, erklärt er. „Allerdings wäre ein Mietschutz für soziale Einrichtungen immer noch besser als gar kein Schutz.“ Dieser könnte zumindest die Verdrängung angestammter Einrichtungen verhindern.

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