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Findet der ADAC ganz und gar nicht: „Car is over“ steht auf der autofreien Friedrichstraße.

© Jörn Hasselmann

Verbote statt Angebote: ADAC kritisiert „Autofrei“-Initiative in Berlin

Der ADAC lehnt den Gesetzesentwurf von „Berlin autofrei“ ab. Die Hauptstädter bräuchten Angebote, nicht Verbote. Und das Auto sei hier nicht wegzudenken.

Der ADAC hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs der Initiative Berlin autofrei“. Dies sagte Vorstand Volker Krane am Montag bei einer Online-Pressekonferenz. Das Vorhaben führe außerdem zu einem „Verlust von Spontaneität und Lebensqualität“.

Die Initiative will per Volksentscheid den Autoverkehr drastisch reduzieren. Innerhalb des S-Bahn-Rings sollen alle Straßen zu autoreduzierten Straßen umgewidmet werden. Private Fahrten sollen weitgehend verboten werden. „Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, kritisierte Krane.

Der Autoclub präsentierte eine Umfrage, nach der 77 Prozent der Berliner gegen das Vorhaben stimmen würden. Krane zeigte sich angesichts der „klaren Mehrheit erleichtert“. Für 85 Prozent der Befragten sei „die freie Wahl ihres Verkehrsmittels wichtig“. Das Fahrrad sei „nicht das Allheilmittel“, so der ADAC-Vorstand.

Die Umfrage ist mit nur 100 Teilnehmern allerdings nicht repräsentativ. 

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Autofrei sammelt derzeit 20.000 Unterschriften, die für ein Volksbegehren erforderlich sind. Über das Gesetz könnte dann 2023 von den Berlinern abgestimmt werden, wenn alle weiteren Stufen genommen würden, zum Beispiel 170.000 Unterschriften in der nächsten Etappe. Mit der vierjährigen Übergangsfrist, die im Gesetz vorgesehen ist, könnten die Straßen innerhalb des Berliner Rings ab 2027 autoreduziert werden. 

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Autofahrer nur noch zwölf Mal im Jahr privat in die Innenstadt dürfen. Nach zehn Jahren soll die Zahl sogar auf sechs Fahrten pro Jahr reduziert werden. Generell ausgenommen ist der so genannte Gemeingebrauch, also zum Beispiel für Handwerker, Behinderte, Paketdienste oder Krankentransporte und Taxis. 

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„Der Gesetzentwurf greift massiv in die Freiheitsrechte der Menschen ein“, sagte Krane, und dürfte gegen Artikel 2 des Grundgesetzes verstoßen („Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit“). Das könne nicht einfach aufgehoben werden, so der ADAC. Fazit: „Ein Gesetz kann nur wirksam sein, wenn es verhältnismäßig ist. Dieses Gesetz ist unverhältnismäßig.“

Der Autoclub stört sich vor allem an der „Umwandlung“ der Innenstadt in so genannte autoreduzierten Straßen. In Paragraf 4 des Entwurfs heißt es: „Alle Straßen in der Berliner Umweltzone werden autoreduzierte Zonen. Sie werden insoweit teileingezogen.“

ADAC befürchtet „Parkchaos“

„Das Nutzungsrecht wird dabei komplett umgedreht“, sagte ADAC-Abteilungsleiter Matthias Regner. Wer sich für viel Geld in der Innenstadt einen Tiefgaragenplatz gekauft habe, komme nur noch auf Antrag aus diesem Kaufvertrag heraus; Dies sei ein Eingriff ins Eigentum. In der Umweltzone leben nach Schätzung des ADAC etwa eine Million Menschen mit 300.000 Autos.  

70 Prozent der Befragten bei der Umfrage zweifelten außerdem daran, dass es der Stadt Berlin gelingen werde, die Anträge auf eine Autofahrt zu bewerten und zu beantworten. Am S-Bahn-Ring würde das Vorhaben zu einem „Parkchaos“ führen, so der ADAC.  

Krane forderte „Angebote, nicht Verbote“. So würde die Zahl der Autofahrten durch die 220.000 Pendler deutlich sinken, wenn es mehr gute Park&Ride-Flächen an Bahnhöfen in Berlin und im Umland gebe. „Gute Angebote werden sofort angenommen.“ So fehle es in Außenbezirken an Sharing-Angeboten. Auch der ÖPNV sollte deutlich ausgebaut werden, aber auch das Straßennetz. 

Viele wünschen sich weniger Autoverkehr

Auch der ADAC hat begriffen, dass viele Berliner sich weniger Staus, Lärm und Abgase wünschen: „Ein autoärmeres Berlin ist offenbar für viele der Wunsch“, konstatiert der Autoclub. Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Befragten hält es für möglich, „auf einen Großteil der Autofahrten zu verzichten“, wie eine Frage lautete. Allerdings ist für viele Berliner „der Verzicht in vielen Situationen undenkbar“, wie der ADAC die Umfrage bewertet. So sei das eigene Auto vor allem bei Ausflügen (73 Prozent der Befragten) unverzichtbar, beim Einkaufen sogar für 81 Prozent. Anders sieht es beim Fahrdienst für die eigenen Kinder oder bei der Fahrt zur Arbeit aus. Hier wollen nur 12 bzw. 18 Prozent nicht verzichten. 

Der ADAC stellt selbst die Frage: „Brauchen wir 1,4 Millionen Autos oder geht es auch mit weniger?“ Selbst autoarme Kieze seien denkbar, „die Menschen müssen aber mitgenommen und überzeugt werden“. Derzeit entstehen immer mehr Initiativen, die sich für autofreie Viertel einsetzen, so genannte Kiezblocks. 

Die Autobahn A100 in Berlin-Schöneberg.
Die Autobahn A100 in Berlin-Schöneberg.

© Jörn Hasselmann

Unzufrieden ist auch der ADFC – wenn natürlich auch aus anderen Gründen. 2020 sei in punkto Verkehrswende kaum etwas passiert, hatte ADFC-Vorstand Frank Masurat kürzlich bemängelt. Der Fahrradclub fordert ebenfalls eine Reduzierung des Autoverkehrs, wenn auch nicht so drastisch. 

Pro Jahr, so die Forderung, sollte die Zahl der Parkplätze um 60.000 verringert werden. Die Parkraumbewirtschaftung, bislang ein Flickenteppich, sollte über die Umweltzone innerhalb des S-Bahn-Rings ausgeweitet werden, die Gebühren für Anwohner auf 240 Euro erhöht werden pro Jahr. Bislang sind in diesen Zonen gut 100.000 Stellplätze kostenpflichtig.

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