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Berlin: Usch Barthelmeß-Weller (Geb. 1940)

Kindergärtnerin, Autorin, Psychotherapeutin, Malerin, Weltverbesserin

Mit 17 zog sie nach Berlin, allein. Größer konn- te der Abstand kaum sein. Ihre Eltern waren früh gestorben, zuletzt ihr Vater, Curt Weller, ein von den Nazis verfolgter Verleger, der den jungen Erich Kästner verlegt hatte und ein Freund von Anna Seghers war. Von ihm hatte sie das unerschrockene Naturell, diesen Widerstand gegen alles Engstirnige und Überkommene. Damit passte sie gut ins Berlin der sechziger Jahre.

Sie bekam zwei Kinder, arbeitete als Kindergärtnerin und versorgte die Familie, als ihr Mann noch studierte. Im Kindergarten ging es ihr um Freiraum und Neugierde. Ihre Kinder ließ sie zu Hause auch mal im Blecheimer zündeln. Gemeinsam mit anderen gründete sie einen der ersten Berliner Kinderläden. Ihr Bekanntenkreis wurde größer, doch die Ehe ging auseinander. Mit ihrem neuen Partner Werner Meyer schrieb sie Kinderbücher, entwickelte Formate fürs Kinder- und Jugendfernsehen und verfilmte das Buch „Die Kinder aus der Nr. 67“. Um jede Zeile, jede Szene rangen sie. Die Zusammenarbeit bewährte sich, doch nach zehn Jahren hatten sie sich aneinander abgerieben und gingen getrennte Wege.

Sie intensivierte das Malen und bildete sich fort, wurde Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Drei Tage in der Woche gehörten ihren Patienten, die Nächte dem Malen, und der Rest der Kraft floss in eine politische Lebenshaltung, die keinen Unterschied machte zwischen dieser und einer möglichen besseren Welt. „Da muss man doch was tun!“ Ihre Fronten: Gorleben, Hausbesetzerszene, Ostermärsche. „Usch ging lieber in der Brandung als auf dem Strand“, der Satz galt im bildlichen wie im wörtlichen Sinne, denn das Meer zog sie an. Felsen, Strömungen, brechende Wellen, das war für sie nichts Bedrohliches, sondern das Elementare, das Leben. Es hinterließ Narben, nicht nur am Schienbein, weil sie mal auf einen Felsen geprallt war. Auch in ihrer Malerei wurden die Spuren sichtbar: heftiger Expressionismus. „Auf gut getränktem Grund will ich Zeichen setzen. Ein durch Zögern verhinderter Schrei“, schrieb sie mal. Bilder voller dunkler, gesetzter und aufspritzend roter Farbe und weiß verwischter Übermalungen, mal figurativ, dann tief abstrakt. „Oftmals geben gesellschaftspolitische Ereignisse Impulse, kommerzialisiertes Saatgut, Verkehrsprojekt Deutsche Einheit, Haus, Baum, Mensch, Tiere und Kinder.“ Um zu malen, zapfte sie die Welt an, zog sich zurück und ließ das Gemalte auf sich wirken.

Man riet ihr ab, sich an einer Malschule weiterbilden zu lassen; sie hatte ihren Ausdruck bereits gefunden. Aber am Marketing haperte es; nur wenig Bilder konnte sie verkaufen. Wichtiger waren ihr sowieso Anerkennung und Gespräche. Ihr Atelier in einem Wilmersdorfer Dachgeschoss war auch ihre Wohnung. Das gehörte ja alles zusammen.

Sie wusste, dass die Dinge sich nicht ändern, wenn man sie hinnimmt. „Eine Prägung ist immer da; Weitermalen ist schwer, aber notwendig.“ Als die Zahl ihrer Lungenbläschen durch eine Erkrankung stetig abnahm und ihr das Atmen immer schwerer fiel, zog sie sich zurück. Aber noch an dem Tag, als sie für immer die Augen schloss, blickte sie voller Überzeugung auf eine Welt, die sowieso nur besser werden kann.

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