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Kurs Campus. Hier sollen bald nicht mehr Fluggäste herumrennen, sondern Studenten und Forscher.

© Simulation: promo

Urban Tech Republic: Der Senat malt sich Tegel bunt aus

Die Landesregierung tagt demonstrativ in der Beuth-Hochschule, die nach TXL ziehen soll. Und Millionen Bürger bekommen Werbepost.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Was tut man nicht alles, um für die Zukunft des Flughafens Tegel zu werben, aus dem ein Ort der Wissenschaft, des Wohnens und der Erholung im Grünen werden soll. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) steckte dafür am Dienstag sogar den Kopf in eine virtuelle Waschmaschine, bei einem Besuch der Beuth-Hochschule, die 2022 vom Wedding auf das Gelände des City-Airports umziehen soll. Mit einer Shutter-Brille auf dem Kopf, beidseitig bestückt mit feinfühligen Antennen, tauchte Müller in ein 3-D-Modell ein, um sehr begeistert wieder aufzutauchen. So also geht Technik!

Beuth-Hochschule träumt von Tegel

Die Strömungstechniker wollten den Senatsmitgliedern zeigen, was sie so alles können: Abwasserkanäle inspizieren, ohne nass zu werden. Ein Herz von innen erkunden oder für das Landeskriminalamt einen Tatort nachbauen. Modernste Wissenschaft, die braucht Platz, Geld und Personal, aber auch den Kontakt zu Industrie und Gewerbe für eine gute Entwicklung. An der Luxemburgstraße in Wedding wird es der Hochschule zu eng, für Beuth ginge mit dem Umzug nach Tegel ein Traum in Erfüllung. „Im Moment ist leider die Pausentaste gedrückt“, sagt Vize-Präsident Hans Gerber. Und je länger es dauere, bis der Campus Tegel zum Leben erweckt werde, „desto mehr verlieren wir unsere Konkurrenzfähigkeit“.

Eigentlich sollte es ja schon 2012 losgehen, doch weil der Flughafen BER bis heute nicht funktioniert, kann Tegel vorerst nicht geschlossen werden. Und jetzt kommt auch noch ein Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tegel, den SPD, Linke und Grüne entschieden ablehnen. Nicht nur aus rechtlichen und finanziellen Gründen, sondern auch um die großen Pläne für das 466 Hektar große Areal im Norden Berlins nicht zu gefährden. Pläne, die vor 2016 noch gemeinsam von Rot-Schwarz entwickelt wurden, von denen die Berliner CDU jetzt aber nichts mehr wissen will.

Senat wirbt für die Urban Tech Republic

Nicht nur die Beuth-Hochschule soll in Tegel angesiedelt werden, sondern auch Start-Ups, wissenschaftsnahe Industrie und Forschungsinstitute. Im benachbarten Schumacher-Quartier sollen 5000 Wohnungen entstehen. In neuem Deutsch heißt das, was im Norden der Stadt geplant ist, Urban Tech Republic, umgeben von Wald, Heide und See. Für den Senat ist das ein zentrales Argument gegen die Offenhaltung des Flughafens Tegel, also schaltet Rot-Rot-Grün jetzt auf Vorwärtsverteidigung um.

Tegel öffnen, für die Zukunft, das ist das Motto. Rot-Rot-Grün hofft, damit bei der Bevölkerung noch punkten zu können, die laut aktuellen Umfragen mehrheitlich den beliebten City-Airport in Betrieb halten will. Also tagte der Senat am Dienstag in der Hochschule für Technik, um mit einem netten Pressetermin unbeschwert Flagge zu zeigen. Müller und dessen Stellvertreter Ramona Pop (Grüne) und Klaus Lederer (Linke) hatten viel Spaß mit der 3-D-Simulation und stiegen Beuth auch noch aufs Dach. Auf brüchiger Teerpappe, über der 12. Etage, mit einem Blick wie aus dem Flugzeug kurz vor der Landung in der Hauptstadt.

"amtliche Inoformation" über Pro und Kontra

Vorher machte der Senat noch seine Hausaufgaben und beschloss eine „amtliche Information“ zum Volksentscheid Tegel. Schon vor zwei Wochen hatten die Regierungsfraktionen eine ähnlich lautende Resolution für die Schließung Tegels im Abgeordnetenhaus verabschiedet. Beide Stellungnahmen werden den Bürgern Mitte August in einer Broschüre zugeschickt, die natürlich auch – in exakt gleicher Länge – über die Argumente der Initiative informiert, die für die Offenhaltung Tegels wirbt.

Das wachsende Berlin brauche für eine gute Entwicklung auch neue Räume, sagte der Regierende Bürgermeister Müller in einer Pressekonferenz nach der Senatssitzung. Auch die Wirtschaftssenatorin Pop (Grüne) wies darauf hin, dass es ansonsten keine größeren Entwicklungsflächen für Wissenschaft und Gewerbe mehr gebe. Die wirtschaftliche Zukunft Berlins dürfe nicht „durch Flächenknappheit erstickt“ werden. Bürgermeister Lederer warf der FDP vor, den Volksentscheid für ihren Bundestags-Wahlkampf zu missbrauchen, und leider habe sich die CDU „diesem postfaktischen Politikmodell“ angeschlossen. Dies sei verantwortungsloses und populistisches Handeln.

Der Senat kündigte am Dienstag an, auf eine teure, aus Steuermitteln finanzierte Kampagne gegen den Volksentscheid zu verzichten. SPD, Linke und Grüne wollen ihre Argumente aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit offensiv vortragen. Müller geht auch fest davon aus, dass Brandenburg und der Bund ebenfalls bei ihrem „Nein“ zur Offenhaltung Tegels bleiben.

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