zum Hauptinhalt
Prächtig. Das Eingangsportal des Bürgerparks Pankow, in der Einflugschneise des Flughafens Tegel.

© Jens Mühling

Unterwegs in Berlins Ortsteilen: Pankow: Wo Angeber mit Titeln protzen

96 Ortsteile hat die Stadt. Unser Kolumnist bereist sie alle – von A wie Adlershof bis Z wie Zehlendorf. Mühling kommt rum, Teil 67: Pankow.

Die berühmtesten Lieder über Pankow handeln zwar vom Bezirk Pankow, aber nicht von dessen namensgebendem Ortsteil. Bolle etwa, der olle Krawalltourist, suchte zu Pfingsten Ärger in der Schönholzer Heide, die in Niederschönhausen liegt. Ebenfalls dort, im Funktionärsviertel am Majakowskiring, lebte der Oberindianer, den Udo Lindenberg mit seinem „Sonderzug nach Pankow“ besuchen wollte. Auch der Name der DDR-Band Pankow spielt auf die Bonzenvillen in Niederschönhausen an.

Vom Ortsteil Pankow handelt, soweit ich das sehe, nur der Gassenhauer, in dem die nicht mehr existierende Badestelle im Bürgerpark besungen wird: „Komm, Karlineken, komm, wir wolln nach Pankow jehn, da is et wunderschön, da kannste baden jehn und ick dir nackend sehn, du brauchst dir nich zu schämen ...“

Das Lied muss aus der Zeit vor der Industrialisierung sein, als der Volksmund das namensstiftende Flüsschen des Ortsteils noch nicht von Plansche-Panke zu Stinke-Panke umgetauft hatte. Heute landen keine Industrieabwässer mehr in ihr, aber einladend sah mir die sumpfige, knietiefe Panke trotzdem nicht aus.

Ein halbes Leben für einen Adelstitel

Was es in Pankow sonst noch gibt: jede Menge schicke Neubauten sowie jede Menge Flugzeuge, die auf ihrem Weg von oder nach Tegel genau über den Ortsteil hinwegdröhnen. „Ziehe nach Pankow: Gesündester Vorort des Nordens“, las ich auf einem alten Werbeplakat im Regionalmuseum in der Heynstraße. Dokumentiert wird dort unter anderem die Lebensgeschichte des Pankower Presse-Tycoons Hermann Killisch von Horn, eines parvenühaften Ehrgeizlings, der im 19. Jahrhundert sein halbes Leben darauf verschwendete, sich einen Adelstitel zu erschleichen. „Obschon ihm nur die Führung des Namens Killisch-Horn gestattet ist“, notierte 1867 der Berliner Polizeipräsident, „versucht er unausgesetzt, den Namen Killisch von Horn in Gebrauch zu bringen.“

Reich geworden war Killisch als Gründer der „Berliner Börsen-Zeitung“. Er muss eine große Nervensäge vor dem Herrn gewesen sein, aber hätte er sich nicht ein Protzanwesen mit exzentrischem Landschaftsgarten bauen lassen, gäbe es in Pankow heute keinen Bürgerpark. Erkenntlich gezeigt hat sich der Ortsteil mit einem Straßenschild, auf dem der umstrittene Adelstitel in voller Pracht prangt: „Killisch-von-Horn-Weg“.

Beisetzen ließ sich Killisch in einem Privatmausoleum neben dem Park. Die kleine Kapelle steht dort noch heute. Ihre Fassade ist übersät mit Einschusslöchern aus dem Krieg. Ein Metallgitter versperrt den Eingang, die Holztür dahinter hängt schief in den Angeln, im dunklen Innenraum liegen Bierdosen und Herbstlaub in zwei leeren Särgen. Grabräuber haben die Stätte in den 70er Jahren geplündert, Killischs Überreste und die seiner Frau sind verschollen. Ihr verwahrlostes Mausoleum wirkt wie eine subtile Mahnung an alle Angebertypen dieser Welt.

„An manchen Stellen kann man sehen, dass alles immer schöner wird“, heißt es in „Neuer Tag in Pankow“, einem relativ jungen Lied der immer noch existierenden Band Pankow. „Da, wo sie todschicke Häuser in die letzten freien Lücken bauen. / Ich weiß, das hört sich gerade nicht so an, doch ich bin eigentlich ganz gerne hier. / Komm, Karlineken, komm, du bist die beste aller Frauen.“

Fläche: 5,66 km² (Platz 70 von 96)
Einwohner: 62.256 (Platz 18 von 96)
Durchschnittsalter: 41,2 (ganz Berlin: 42,7)
Lokalpromis: Christa Wolf (Schriftstellerin), Josef Garbáty (Zigarettenfabrikant)
Gefühlte Mitte: Garbátyplatz
Alle Folgen: tagesspiegel.de/96malberlin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false