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Aktenberg. Der Amri-Ausschuss hat noch einiges zu klären.

© imago/Christian Ditsch

Untersuchung zum Breitscheidplatz-Attentat: LKA-Ermittler verweigern Aussage vor Amri-Ausschuss

Ein LKA-Beamter wird verdächtigt, Akten im Fall Amri manipuliert zu haben. Er und sein damaliger Vorgesetzter sind wichtige Zeugen. Doch sie schweigen.

Von Sabine Beikler

Es war schon ein „ungewöhnlicher Termin“, wie der Vorsitzende des Amri-Untersuchungsausschusses, Stephan Lenz (CDU), die Sitzung am Freitag beschrieb. Die zwei wichtigen Zeugen, beide Beamte im Landeskriminalamt, kamen im Beisein ihrer Rechtsvertreter ins Abgeordnetenhaus und verweigerten umfassend die Aussage. Der Standardspruch nach einzelnen Fragen lautete: „Ich möchte von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.“

Grünen-Politiker Benedikt Lux sprach nach der Sitzung von einem „Drama“ und einer „Tragödie“. Der Untersuchungsausschuss werde wohl Rechtsgeschichte schreiben. Denn nach Ostern will er prüfen, ob sich vor dem Landgericht klären lässt, wie weit grundsätzlich die Auskunftsverweigerungsrechte eines Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss gehen. Der Gang vors Gericht ist sehr wahrscheinlich, denn der erste Zeuge L., der gestern gehört werden sollte, war Hauptsachbearbeiter für Anis Amri vor dessen Terroranschlag am Breitscheidplatz. Er soll Akten manipuliert haben. Der zweite Zeuge war sein Vorgesetzter O.

Gegen beide Zeugen liefen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen unter anderem wegen Strafvereitelung im Amt, die aus Mangel an Beweisen abgeschlossen waren. Gegen beide sind Disziplinarverfahren anhängig. Beide hatten sich umfassend auf 35 Seiten, wie ihnen der Ausschuss vorhielt, vor der Staatsanwaltschaft geäußert. Doch selbst Fragen nach dieser Tatsache wurden weder von L. noch von O. beantwortet.

Dem ersten Zeugen wurden zwei Dutzend Fragen gestellt über seine Tätigkeit, über die Observation von Amri, über die Auswirkungen der Terroranschläge von Paris und Nizza auf die LKA-Arbeit, die der Zeuge fast ausnahmslos gleichlautend beantwortete: „Auch hierzu möchte ich von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.“ Lediglich die Frage, ob er 2002 sein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Recht abgeschlossen habe, beantwortete er mit einem „Ja“. Und auch die Frage, ob gegen ihn einmal strafrechtliche Ermittlungen gelaufen waren, bejahte der Beamte.

Auch wenn es wenig Antworten gab, die Fragen zu stellen, war schon wichtig fürs Protokoll. Denn der Ausschuss behält sich vor, vor dem Landgericht die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu 10 000 Euro zu beantragen. Er kann theoretisch auch die Verhängung von Beugehaft erwirken. Die Auffassung des Ausschusses ist, dass Zeugen kein umfängliches Aussageverweigerungsrecht haben, sondern „titelscharf nach jeder Frage“, so der Vorsitzende Lenz, darüber entschieden werden müsse. „Wir stellen diese Fragen, um sie einer juristischen Beurteilung zuzuführen.“

„Mein Anwalt hat mir geraten, mich derzeitig nicht zu äußern“

Die Zeugen beriefen sich darauf, sich keinem Verfolgungsrisiko aussetzen zu wollen. Denn das abgeschlossene Verfahren der Staatsanwaltschaft könnte wiederaufgenommen werden. Rechtsanwalt Stefan König, der den LKA-Beamten L. vertritt, sagte vor dem Ausschuss, man werde sich gegebenenfalls beim Landgericht einlassen. Der Vorgesetzte O. beantwortete nicht einmal Fragen nach seinem beruflichen Werdegang. „Mein Anwalt hat mir geraten, mich derzeitig nicht zu äußern. Daran werde ich mich halten.“ Sein Anwalt Bernd Römer, der neben ihm saß, sagte zur Begründung, durch Aussagen könnte „ein neuer Blickwinkel entstehen“, der disziplinarische oder strafrechtliche Konsequenzen haben könnte.

Linke-Politikerin Niklas Schrader sprach von einem „kleinen Theaterstück“, das gezeigt werde. SPD-Politiker Frank Zimmermann und FDP-Politiker Florian Swyter wiesen auf das Recht der Zeugen hin, Aussagen zu verweigern. „Unbefriedigend“ war für den AfD-Abgeordneten Karsten Woldeit der Erkenntnisgewinn der gestrigen Sitzung.

Der Untersuchungsausschuss will sich bis September mit den verdeckten Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden befassen. Danach soll das Agieren der Justiz beleuchtet werden. Anschließend soll es um den Tag des Anschlags gehen, bei dem der Attentäter am 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz zwölf Menschen ermordete.

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