zum Hauptinhalt
Bayer in Preußen. Jürgen Leibfried gilt als einer der größten Bauunternehmer Berlins. Seine Bauwert AG sitzt am Ku’damm.

© Aleksander Perkovic/Bauwert AG

Unternehmer Jürgen Leibfried über Bauen in Berlin: „Das ist das Perverse am Mietendeckel“

Jürgen Leibfried und seine Bauwert AG stemmen Riesenprojekte in der Hauptstadt - in Kooperation mit der Politik. Doch die stößt an Grenzen. Ein Interview.

Politiker und Marktforscher sagen, die Einführung des Mietendeckels habe vor allem das Geschäft mit den Eigentumswohnungen befeuert. Gute Zeiten für Sie, Herr Leibfried?
Jedenfalls hat sich die Nachfrage nicht verringert. Im ersten Shutdown ab März gab es einen Dämpfer. Aber danach entwickelte sich das Geschäft sehr positiv. Ja, wir verzeichnen mehr Umsatz als zuvor.

Berühmt und auch ein wenig berüchtigt waren Sie als Bauherr der Luxuswohnungen neben der Friedrichswerderschen Kirche. Jetzt bauen sie in Gründerzeit-Quartieren. Geht das trotz Bürgerbeteiligung und argwöhnischer Baustadträte?
Ja, mit Kompromissen. In der Boxhagener Straße haben wir 630 Wohnungen gebaut. Davon veräußerten wir 200 als Eigentum zu Preisen von rund 5000 Euro je Quadratmeter. Die Käufer sind nahezu ausschließlich ganz normale Familien aus Berlin. Die Boxhagener Straße ist aber auch ein Paradebeispiel für eine Neuauflage der Berliner Mischung. Weil wir auch 123 Sozialwohnungen gebaut und an die Howoge verkauft haben.

Diese wurden überwiegend für 6,50 Euro je Quadratmeter vermietet. In dem Block entstanden außerdem 316 frei finanzierte Wohnungen, die für 13 Euro je Quadratmeter vermietet sind. Das Projekt ist seit Herbst letzten Jahres fertig gestellt und funktioniert wunderbar – verkauft und vermietet war es lange bevor es fertig gestellt war. Denn in Berlin fehlen Wohnungen.

Also gelingt die berühmte Berliner Mischung auch im Neubau?
Ja, wir tragen dieses Modell seit Jahren mit. Bereits 2013 trafen wir mit der städtischen Howoge eine Vereinbarung. Nun bauen wir in der Fidicinstraße in Kreuzberg 90 Wohnungen und eine Kita.

In Adlershof errichtet die Bauwert AG derzeit einen Büro-Campus mit einer Niederlassung für die Berliner Sparkasse.
In Adlershof errichtet die Bauwert AG derzeit einen Büro-Campus mit einer Niederlassung für die Berliner Sparkasse.

© Illustration: moka studio/Bauwert AG

In Kreuzberg unter der Herrschaft von Baustadtrat und Mietenaktivist Florian Schmidt. Das ging gut aus?
Seit Frühjahr haben wir einen Bauvorbescheid des Bezirks. Wir einigten uns darauf, preiswerten Wohnraum zu schaffen. Der bestehende Altbau im Block geht an eine Genossenschaft, die die Flächen preiswert an örtliche Gewerbetreibende vermietet.

Also rechnet sich Wohnungsbau trotz günstiger Mieten doch?
Nein, das gelingt nur deshalb, wenn wir Überschüsse auf einem Teil der Fläche erzielen. Bei einem aktuellen Projekt ist ein Verlust in Höhe von sieben Millionen Euro beim Bau der dort gebauten Sozialwohnungen entstanden. Förderfähige Sozialwohnungen kann man an gefragten Standorten nicht zu auskömmlichen Kosten errichten.

Auf Verlusten werden Sie sicher nicht sitzen bleiben wollen?
Nein, dann würde die Bauwert AG nicht lange überleben. Die Verluste hoffen wir mit Gewinnen bei den Eigentumswohnungen und den Gewerbeflächen auszugleichen. Wir können das Wohnungsproblem in Berlin nur gemeinsam lösen. Dazu muss man Kompromisse schließen, die für alle tragbar sind. Trotzdem sind wir für manche Medien die Bösen, die den armen städtischen Firmen die Sozialwohnungen überhelfen.

Ja, so heißt es: Die Privaten wollen die Sozialprobleme nicht. Würden Sie die Objekte im Bestand halten?
Ja, aber es ist nicht erwünscht. Der Senat will diese Wohnungen in den Besitz städtischer Firmen bringen. Die Erhöhung des Bestandes landeseigener Wohnungen ist erklärtes Ziel der Politik.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Welchen Einfluss hat der Mietendeckel auf Ihr Geschäft?
Der hat uns rund 8000 Euro per Anno gekostet bei unseren Mietwohnungen in Köpenick, bei Einnahmen von insgesamt 1,4 Millionen Euro. Also kaum etwas. Dafür sinken bei Wohnungen nahe Kurfürstendamm die Mieten teilweise von 20 auf acht Euro. Das ist das Perverse am Mietendeckel, der wirkt sich dort am stärksten aus, wo die Mieter nie über die Miethöhe klagten und sie bezahlen könnten.

Haben Sie eine Alternative?
Mein Vorschlag ist, dass man einen Teil der Sozialwohnungen an deren Mieter für beispielsweise 1400 Euro je Quadratmeter verkauft. Unter der Annahme, dass die Stadt dabei einen Überschuss von 1000 Euro je Quadratmeter zuzüglich Grunderwerbsteuer erzielt, könnte Berlin im Gegenzug das Kapital nutzen und davon annähernd dieselbe Anzahl von Wohnungen auf landeseigenen Flächen neu bauen und preiswert vermieten. Die städtischen Firmen hätten dadurch zusätzliche Neubauwohnungen.

Das Bauwert-Projekt "Box Seven" auf dem ehemaligen Freudenberg-Areal in Friedrichshain: Hier gingen auch 123 Sozialwohnungen an die landeseigene Gesellschaft Howoge, die diese relativ günstig vermietet.
Das Bauwert-Projekt "Box Seven" auf dem ehemaligen Freudenberg-Areal in Friedrichshain: Hier gingen auch 123 Sozialwohnungen an die landeseigene Gesellschaft Howoge, die diese relativ günstig vermietet.

© Bauwert AG

Was sagte der Bausenator dazu?
Politische Reaktionen kenne ich keine. Aber der Senat wird das wohl ablehnen, weil Berlin eine Mieterstadt ist und das so bleiben soll. Eigentum passt nicht ins linke Spektrum des Denkens. Dabei wären die Käufer das Risiko steigender Mieten los. Sie hätten eine feststehende Kostenbelastung bis zur Entschuldung der Wohnung. Und danach wäre die Haushaltskasse spätestens zum Renteneintritt stark entlastet.

Es heißt, die privaten Bauherrn ziehen sich zurück aus Berlin, Sie auch?
Bauen in Berlin wird immer schwieriger. Wir gehen natürlich auch ins Umland und schauen uns um. In Wildau haben wir 170 Mietwohnungen gebaut und werden weiter dort bauen. Ob es gelingt, hängt von den Gemeinden ab. Und die Standorte brauchen eine gesunde Infrastruktur, Schulen, Kitas und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Ich halte nichts von Neubauten auf der grünen Wiese. Vermietet waren unsere Wohnungen in Wildau gleich nach deren Fertigstellung zu 95 Prozent.

[Von Spandau bis Treptow-Köpenick: Nachrichten aus allen zwölf Bezirken können Sie kostenlos abonnieren unter leute.tagesspiegel.de.]

Spielt der Mietendeckel eine Rolle bei dieser Entscheidung?
Nein, denn der gilt nicht für den Neubau. Aber es gibt große Kunden, Versicherer und Pensionskassen, die in Berlin keine Mietwohnungen mehr kaufen, weil die Branche damit rechnet, dass der Senat den Deckel nochmal verschärft. Wenn beispielsweise der Neubau nach dem ersten Mieterwechsel ebenfalls in der Miete gedeckelt würde, dann könnten diese Versorgungswerke plötzlich die Pensionen nicht mehr bezahlen. Ein solches Risiko gehen die nicht ein.

Ist Ihnen auch schon einmal eine Immobiliendeal geplatzt, weil ein Bezirk das Vorkaufsrecht ausgeübt hat?
Nein, und viele der Vorkaufsrecht-Ausübungen halte ich für wahnsinnig. Die Häuser haben teilweise einen riesigen Reparatur-Stau und die städtischen Firmen handeln sich gigantische Unterdeckungen ein, weil die Kaufpreise extrem hoch sind, die Mieten dafür aber niedrig. Teilweise werden Schrottimmobilien an wohlgesonnene Partner zu Mondpreisen verkauft, dies den Mietern angekündigt und auf den Aufschrei aus der Politik gewartet, damit das Land Berlin das Vorkaufsrecht ausübt. Wenn sich ausnahmsweise keine Landesfirma findet, die den Mondpreis bezahlt, kann man den Kaufvertrag mit dem privaten angeblichen Käufer wieder rückabwickeln.

Kasse machen, indem das Land ausgetrickst wird, hat System in Berlin?
Das hat nicht System, aber es gibt überall schwarze Schafe, auch bei solchen Transaktionen. Und es fällt auf, dass das Land sanierungsbedürftige und sogar asbestverseuchte Wohnungsbestände kauft, die keiner wollte und dafür extrem hohe Preise bezahlt. Ob das so schlau ist, darf man sich als Steuerzahler fragen. Denn diese Immobilen können sich nicht rechnen. Und das führt irgendwann dazu, dass der Senat seine Landesfirmen mit Millionen bezuschussen muss, weil für diese Immobilien langfristig dauerhaft draufgezahlt werden muss.

Jürgen Leibfried, geboren 1953 in München, hat dort Betriebswirtschaftslehre an der Ludwigs-Maximilians Universität studiert und sich dort promovieren lassen, nachdem er 1983 seine Unternehmen Wohnwert und Bauwert gegründet hatte. Diese führte er später in der Bauwert AG zusammen und verkaufte im Jahr 2000 Anteile an den US-Finanzinvestoren Prudential, der diese später weiterverkaufte.

2009 gründete Leibfried sein Unternehmen neu als Investmentgruppe, aus der 2016 wieder eine Bauwert AG wurde. Das Unternehmen mit Sitz in Charlottenburg konzentriert sich nach eigenen Angaben auf „anspruchsvolle Büro- und Einzelhandelsbauten an innerstädtischen Topadressen deutscher Metropolen sowie hochwertige Wohnimmobilien in sehr guten Lagen Berlins“. Man habe über die Jahre rund 330 Gebäude mit insgesamt zwei Millionen Quadratmetern Nutzfläche für rund fünf Milliarden Euro errichtet. Leibfried ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Zur Startseite