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Katrin Lompscher (Die Linke), Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, besucht entstehende modulare Unterkünfte für Flüchtlinge.

© Jörg Carstensen/dpa

Unterkünfte für Flüchtlinge: Senat betreibt Stadtentwicklung von oben

Der Senat legt neue MUF-Standorte fest, ohne auf die Bezirke Rücksicht zu nehmen. Ein böser politische Patzer. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ralf Schönball

In Lichtenberg sollen Wohnhäuser für Flüchtlinge auf einem Grundstück entstehen, auf dem der Bezirk eine Schule, Kita und Jugendeinrichtungen bauen will. In Friedrichshain-Kreuzberg ist eine „Modulare Unterkunft für Flüchtlinge“ (MUF) geplant, wo Handwerker und Kleinbetriebe ihre Produktionsflächen haben. Und in Spandau will der Senat eine MUF auf einem zum Wohnen ungeeigneten Gewerbegebiet errichten.

Den Senat kümmerte das nicht. In seiner Sitzung am Dienstag legte er „verbindlich fest“ diese 25 Standorte für 54 MUFs sollen es sein. Die Bezirke hätten seit Mitte Februar Zeit gehabt, Alternativen zu benennen. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen behält sich vor, MUFs nach dem vereinfachten Genehmigungsverfahren hochzuziehen, das auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise beschlossen wurde. Das nennt man eine Drohkulisse: Wenn ihr nicht aus dem Knick kommt, machen wir es notfalls selbst – im Hauruckverfahren.

Lichtenbergs Bezirksbürgermeister, von dem man als Linkem bei einem links mitregierten Senat Staatstragendes erwarten würde, ist sauer: Er schlug dem Senat vor Wochen eine Alternative vor, erntete Schweigen bis kurz vor Verkündung der umstrittenen Standorte. Auch der Baustadtrat vom grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg klagt über den „unnötigen Stress“ des „nicht angekündigten Senatsbeschlusses“. Da muss schon viel Verdruss sein, wenn sogar weltoffene, bunte Kieze bocken.

Senat bedient Klischees rechter Populisten

Verbockt hat es die Senatsverwaltung für Finanzen. Deren Staatssekretärin versucht mit Macht durchzusetzen, was den Bezirken mit sanftem Druck und Verhandlungen abgetrotzt werden kann. Wer Menschen integrieren will, kann sie nicht auf verlassenen Militärgeländen kasernieren, neben Produktionsflächen wohnen lassen oder Schulbauten abblasen, obwohl es Alternativen gibt. Das ist Stadtentwicklung von oben, sie schafft Konflikte und Konkurrenz um die knappen Landesgrundstücke. Das bringt die Bürger auf, sogar im bürgerlichen Bezirk Steglitz-Zehlendorf sammeln sie Unterschriften gegen einen Standort. So bedient der Senat Klischees rechter Populisten: alles für die Flüchtlinge, alles auf unsere Kosten – auf uns hört ja keiner.

Ein „Quickcheck“, wie die Bedienstete der Finanzverwaltung zitiert wird, reicht eben nicht aus, wenn es um die Auswahl von Standorten für Wohnhäuser geht, die Jahrzehnte stehen werden. Auf die Schnelle zerstört die Hauptverwaltung so Planungen der Bezirke, die um tausende Neuberliner wachsen und Schulen, Grünflächen, Straßen sowie Verkehr ordnen müssen, für alle, Flüchtlinge inbegriffen. Ohne den Rat der Bezirke, gegen deren Willen wird das nichts. Bräsigkeit, Gleichgültigkeit, Arroganz der Macht? Ein böser politische Patzer ist es allemal.

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