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Als maximale Reichweite für den Ford Mustang Mach-E werden 610 Kilometer angegeben.

© Andreas Conrad

Unter Strom: der Ford Mustang Mach-E: Mein Pferd! Mein Pferd! Eine Steckdose für mein Pferd!

Sogar 007 fuhr den Mustang, da hatte er nur eine Starterbatterie. Jetzt gibt es ihn auch vollelektrisch.

Die erste bemerkenswerte Verbindung von Mustang und Elektrizität erhielt sogar eine Oscar-Nominierung, wenn auch nur für den besten Ton. Das war 1980, der Hengst hieß „Rising Star“, im Sattel saß Robert Redford als ehemaliger Rodeo-Held Norman Steele, herabgesunken zur Werbefigur eines Lebensmittelkonzerns, das Cowboy-Kostüm illuminiert mit unzähligen Glühlämpchen. Strom war in Sydney Pollacks Hollywood-Drama „The Electric Horseman“ noch klar dem Reiter vorbehalten, erst 41 Jahre später sollte er dem nun nicht mehr vierbeinigen, sondern vierrädrigen Mustang mit Wucht in die Glieder fahren.

Wie alles anfing: Der Ford Mustang kam 1964 auf den Markt und begründete die Klasse der Pony Cars.
Wie alles anfing: Der Ford Mustang kam 1964 auf den Markt und begründete die Klasse der Pony Cars.

© mauritius images/Matthew Richardson/Alamy

Welch eine Abkehr von jahrzehntelanger Tradition, geschuldet den zunehmend auf Elektromobilität schwörenden Zeiten: Der Ford Mustang unter Strom! Seit 1964 war der Wagen, ob als Coupé oder Cabrio, der Inbegriff des hubraumstarken, sprintschluckenden Kraftprotzes, anfangs nicht allzu amerikanisch ausufernd in den Maßen, Begründer der Klasse der Pony Cars, mehr bullig-auftrumpfend als sportlich-elegant im Design. Ein Liebling der Ausstatter von Actionfilmen, vorneweg selbstredend „Bullitt“, mit Steve McQueen hinterm Lenkrad eines echten 68ers auf den Straßen von San Francisco – oder drei Jahre später Sean Connery als James Bond in „Diamantenfieber“. Der jagte in einem roten Mustang Mach1 durch Las Vegas – ein Fahrzeug mit geradezu unglaublichen Fähigkeiten: Raste von 007 schräggestellt auf dem rechten Reifenpaar in eine handtuchschmale Lücke, kam auf dem linken wieder heraus. Nun ja, nur ein Filmfehler.

1968 raste Steve McQueen in "Bullitt" in einem Ford Mustang durch San Francisco.
1968 raste Steve McQueen in "Bullitt" in einem Ford Mustang durch San Francisco.

© imago images/Mary Evans

Aber egal ob auf den rechten oder den linken Reifen: Das ist wirklich kein Kunststück, an dem man sich bei einem klassischen Pressetermin zur Vorstellung eines brandneuen Fahrzeugs versuchen sollte. Ohnehin fragt es sich, ob der Ford Mustang Mach-E dafür geeignet wäre, trotz der vielversprechenden Silbe „Mach“, mit der an die 1969 als Mustang-Untersegment eröffnete Traditionslinie als PS-starkes Muscle Car angeknüpft wird. Die historisierende Namensgebung gehört zu Fords Versuchen, den für dieses Modell schon ein wenig revolutionären Wechsel vom Verbrenner zum Stromer zu mildern und dem Kunden schmackhaft zu machen. Man will die im E-Mustang fortwirkenden Traditionen betonen, der seine Familie ja nur zeitgemäß ergänzen, sich nicht von ihr abwenden, sie gar ablösen will.

Heck- oder Allradantrieb, Standard- oder "Extended Range"-Batterie - alles ist möglich.
Heck- oder Allradantrieb, Standard- oder "Extended Range"-Batterie - alles ist möglich.

© Andreas Conrad

Hilfreich ist da auch das Design. Und so wäre das runde Dutzend Neuwagen, das an diesem sonnigen Märztag vor dem Steigenberger am Flughafen BER in Reih und Glied geparkt auf Fahrer wartet, selbst ohne die emblematischen Pferdesilhouetten an Front und Heck leicht als Herde Mustangs identifizierbar – sei es durch die dreiteiligen, schon ikonographischen Rücklichter oder die vertraute Coupéform. Sie scheint bei dem neuen, von Ford als „Crossover-SUV“ eingestuften Viertürer – trotz der gegenüber dem zweitürigen Verbrenner um 24 Zentimeter höheren Dachlinie – durch einen Designtrick flacher zu sein als sie ist: Über dem flott dem Heck sich zuneigenden, in der Wagenfarbe lackierten Rahmen der hinteren Seitenfenster erhebt sich um einige Zentimeter das schwarzglänzende Dach oder die gleichfarbige Einfassung des optionalen Glasdaches. Optisch fällt das kaum auf, schafft innen aber mehr Kopffreiheit.

Pferde-Silhouette vorne und hinten, dreiteilige Rücklichter - das kann nur ein Ford Mustang sein.
Pferde-Silhouette vorne und hinten, dreiteilige Rücklichter - das kann nur ein Ford Mustang sein.

© Word-Werke

Eine gelungene Versöhnung von Tradition und Moderne im Dienste der Attraktivität, was sich im Wageninneren leider nicht fortsetzt. An immer größere Displays und Touchscreens hat man sich gewöhnt, bei Neuentwicklungen sind sie in der Regel in die direkt vor dem Fahrer sich ausbreitende Fahrzeugarchitektur integriert. Nicht so im Mustang Mach-E: Die wichtigsten Fahrinformationen erhält die Person hinterm Lenkrad digital auf einer waagerechten 10,2-Zoll-Instrumententafel, was nicht wirklich hübsch, immerhin akzeptabel ist. Optisch dominiert wird der vordere Innenraum aber durch den mittig montierten Hochformat-Touchscreen, ein 15,5-Zoll-Bildschirm mit einer Diagonalen von 39 Zentimetern, damit ausladender als das größte iPad – eine Art XXL-Tablet, das wirkt, als könne man es nach der Fahrt abnehmen und als mobilen Computer weiternutzen. Praktisch und übersichtlich ist dieses Bildschirmmonster schon. Vielleicht wären die über 80 Fahrzeug-Funktionen, die über diese vierte, hier erstmals verbaute Generation des Ford-eigenen Kommunikations- und Entertainmentsystems SYNC zu regeln sind, auf einem kleineren Format gar nicht unterzubringen. Schön ist es nicht.

Blickfang Armaturenbrett: Über 80 Funktionen lassen sich über den XXL-Touchscreen steuern.
Blickfang Armaturenbrett: Über 80 Funktionen lassen sich über den XXL-Touchscreen steuern.

© Ford-Werke

Doch ist etwa Schönheit die dem Mustang-Charakter nächstliegende Eigenschaft? Die Tendenz zum ungestümen Galoppieren schon eher, neben den hippologisch betitelten Fahrmodi „Zahm“ und „Aktiv“ gibt es daher eigens die Einstellung „Temperamentvoll“. Vorerst aber geht es zwar aktiv, doch entspannt über die brandenburgischen Landstraßen Richtung Schönhagen und seinem der Sportfliegerei vorbehaltenen Flugplatz, etwas genervt durch das unentwegte Alarmpiepsen, wenn das jeweilige Tempolimit auch nur um eine Klitzekleinigkeit überschritten wird. Das lasse sich weniger sensibel einstellen oder ganz ausschalten, wird auf Nachfrage versichert.

Ständig auf der Bremse stehen? Dank Ein-Pedal-Funktion überflüssig

Ausschalten lässt sich auch die Ein-Pedal-Funktion, aber der dafür zuständige digitale Wisch-und-weg-Schalter wird auf dem Riesenbildschirm erst nach halber Tagesstrecke entdeckt – und dann doch nicht bedient. Denn es ist für einen Nutzer eher traditioneller Automobiltechnik schon ein neues, durchaus spaßiges Fahrerlebnis, nicht ständig auf der Bremse stehen zu müssen, sondern weitgehend nur das Fahrpedal wohldosiert zu bedienen und das Verlangsamen des Wagens der bremsenden, zugleich rekuperierenden, kinetische in elektrische Energie umwandelnden Wirkung des Elektroantriebs zu überlassen. Daran gewöhnt man sich schneller als vermutet und wer es trotzdem nicht mag: Einfach ausschalten. Die Fußbremse kann man ohnehin jederzeit nutzen.

Der Ford Mustang Mach-E ist auf 180 km/h begrenzt, eine 20 km/h schnellere Version kommt Ende des Jahres.
Der Ford Mustang Mach-E ist auf 180 km/h begrenzt, eine 20 km/h schnellere Version kommt Ende des Jahres.

© Ford-Werke

Robert Redford musste sich vermutlich ziemlich anstrengen, um seinen Braunen auf Spur zuhalten. Ganz anders der jetzt gelassen durch die noch laubfreien Alleen sich schlängelnde Mustang, übrigens in „Iconic-Silber Metallic“, der nicht bockt, keine Streicheleinheiten benötigt, nur Strom aus der Steckdose. Ob er galoppieren, losjagen kann? Abwarten. Denn dafür ist eine der drei Schönhagener Startbahnen vorgesehen, 700 Meter lang, 18 Meter breit, über die an diesem Tag nur hin und wieder eine Maschine zur längsten Piste rollt, aber für alle Fälle wird ein Funkgerät in den Wagen gereicht, damit man bei Bedarf vom Asphalt gescheucht werden kann.

"Zahm", "Aktiv" oder lieber "Temperamentvoll"?

Fahrmodus „Temperamentvoll“ also, die E-Motoren klingen gleich viel satter, und tatsächlich stürmt der Mustang beim kräftigen Tritt aufs Pedal energisch los, auch elektrifiziert ein amerikanischer Vollblüter, nicht in der Höchstgeschwindigkeit, doch im Beschleunigen. In 5,8 Sekunden sollte er auf 100 sein, was gefühlt nicht ganz gelingt, doch das liegt wohl nicht an der Technik, sondern eher an der Sorge, über die weißen Markierungen kurz vor Ende der Piste hinauszuschießen. Davor wurde dringend gewarnt, es ist und bleibt ein Flugplatz. Trotz der kleinen bremsenden Bangigkeit sind die 700 Meter „Vollgas“ ein großer Spaß, erzeugt aus permanent laufenden Elektromotoren hinten wie vorn, Allradantrieb also, die Drehmomente zwischen Vorder- und Hinterachse je nach Bedarf per „Powertrain-Control-Modul“ voneinander unabhängig verteilt. Wer das in seinem Fahralltag für überflüssig hält, bekommt den Wagen auch nur mit Heckmotor. Er ist dann eben geringfügig langsamer auf 100, aber immer noch sehr fix. Auch die Reichweite kann man wählen, je nachdem, ob man sich für die Standardbatterie oder die „Extended Range“-Version entscheidet, bei der maximal 610 Kilometer möglich sein sollen. Wie viele es in der Praxis tatsächlich sind, hängt von vielen Einflüssen ab, etwa individuellem Fahrverhalten, Verkehrsfluss, sogar das Wetter mischt mit – Faktoren, die der Mustang Mach-E mit der Funktion „Intelligent Range“ berücksichtigt, die die tatsächliche Reichweite berechnet und, vernetzt mit dem Navi, auf die schnellste oder auch die effizienteste Route lotst.

Klassische Türgriffe sucht man am Ford Mustang Mach-E vergebens.
Klassische Türgriffe sucht man am Ford Mustang Mach-E vergebens.

© Ford-Werke

In so einem E-Mustang steckt eben jede Menge hochmoderne Technik. Die Software ist durch Updates aus der Ferne immer auf aktuellem Stand, viele Funktionen sind individuell konfigurierbar und dann übers Smartphone in der kostenlosen FordPass-App festzulegen. Da fragt man sich schon, wozu es eigentlich noch einen traditionellen Schlüssel gibt. Eigentlich braucht man ihn nicht mehr, das Smartphone tut’s auch, für Ford eine Premiere. Entsprechend programmiert, entriegelt es per Bluetooth den Wagen, der statt konventioneller Türgriffe nur noch Schrumpfversionen an den Vordertüren und ansonsten runde Drucktasten aufweist. Und sollte man einmal Schlüssel und Smartphone vergessen oder im Wagen gelassen haben, genügt das Tastenfeld auf der B-Säule der Fahrerseite. Mit einem siebenstelligen PIN-Code gelangt man in den Wagen, mit einem achtstelligen auf dem Touchscreen wird er gestartet. Für schusselige Autobesitzer ist das ideal.

Technische Details

Abmessungen: 4,71 m (L), 1,88 m (B), 1,62 m (H)

Gepäckraum: Heck 402 Liter/1420 Liter; Front 100 Liter (mit Kunststoff ausgekleideter Gepäckraum, auswaschbar dank Wasserablaufventil)

Antrieb: Heck-Elektromotor mit Standard- oder Extended-Batterie, 269/294 PS, max. Drehmoment 430/430 Nm, von 0 auf 100 km/h in 6,9/7,0 Sekunden, Stromverbrauch 17,2/16,5 kWh/100 km, Reichweite 440/610 km
Dual-Elektromotor mit Standard- oder Extended-Batterie, 269/351 PS, max. Drehmoment 580/580 Nm, von 0 auf 100 km/ h in 6,3/5,8 Sekunden, Stromverbrauch 19,5/18,7 kWh/100 km, Reichweite 400/540 Kilometer
In allen Versionen ist die Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h abgeregelt.
Ende 2021 kommt die sportliche Topversion Mach-E GT auf den Markt (487 PS, max. Drehmoment 860 Nm, Höchstgeschwindigkeit 200 km/h, von 0 auf 100 in 3,7 Sekunden).

Batterie: Lieferbar ist der Mustang Mach-E mit zwei Batteriegrößen: „Standard Range“ (Netto-Kapazität 68 kWh), „Extended Range“ (Netto-Kapazität 88 kWh). An Schnellladesäulen kann die Batterie in 45 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden. Dem Modell mit Heckantrieb und „Extended Range“-Batterie genügen im Idealfall zehn Minuten für zusätzliche 119 Kilometer Reichweite.

Preis: ab 46.900 Euro (Heckantrieb)/54.000 Euro (Allradantrieb); Der Wagen kann bestellt werden, die Auslieferung der ersten Wagen wird für Ende April/Anfang Mai erwartet.

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