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Auch katholische Würdenträger verbreiten Verschwörungstheorien

© dpa

„Unsinnig und gefährlich“: Evangelischer Bischof von Berlin kritisiert Corona-Verschwörungstheorie

Katholische Kardinäle und Bischöfe verbreiten krude Theorien zur Coronakrise. Andere Geistliche distanzieren sich.

Christian Stäblein, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), übte scharfe Kritik an den den kruden Verschwörungstheorien hoher katholischer Würdenträger zur Coronakrise.

Über seine Pressesprecherin teilte er dem Tagesspiegel mit, dass der christliche Glaube ihn darin stärke, „sich nicht kruden, unsinnigen und gefährlichen Verschwörungstheorien hinzugeben. Deshalb empfinde ich es als besonders abstoßend, wenn solche Theorien auch noch unter christlichem Namen verbreitet werden.“

In dem Text, den auch Ärzte und Journalisten unterschrieben haben und der in acht Sprachen übersetzt wurde, hatten katholische Kardinäle und Bischöfe aus verschiedenen Ländern die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie als Weltverschwörung bezeichnet.

Es gebe Kräfte, welche die Bevölkerung in Panik versetzen wollten. Sie bezweifelten, dass das Virus ansteckend sei und erklärten, dass Impfstoffe aus „Material von abgetriebenen Föten“ hergestellt worden sein könnte. Zu den Unterzeichnern gehört auch der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Berliner Erzbischof und deutsche Bischofskonferenz distanzieren sich

Der Erzbischof des Erzbistums Berlin, Heiner Koch, distanziert sich ebenfalls, zumindest indirekt, von den kruden Theorien. Der Pressesprecher des Erzbistums erklärte, Koch selber wolle die Äußerungen nicht kommentieren, schließe sich aber der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz an.

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Dessen Vorsitzender, Bischof Georg Bätzing, hatte erklärt: „Die Deutsche Bischofskonferenz kommentiert grundsätzlich keine Aufrufe einzelner Bischöfe außerhalb Deutschlands. Allerdings füge ich hinzu, dass sich die Bewertung der Corona-Pandemie durch die Deutsche Bischofskonferenz grundlegend von dem veröffentlichten Aufruf unterscheidet.“

Der Pressesprecher des Erzbistums Berlin verwies auf einen Brief, den Koch zu Beginn der Coronakrise an alle Gläubigen des Erzbistums geschrieben hatte. Darin heißt es: „Es ist mir ein Herzensanliegen, denen zu danken, die in dieser Zeit besonders hohen Anstrengungen ausgesetzt sind: den Ärztinnen und Ärzten, den Pflegekräften in Kranken-häusern und Altenheimen, den politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen, denen, die ihre Pflicht engagiert und verlässlich, kraftvoll und besonnen erfüllen.“

Grünen-Politikerin Jarasch sieht Angriffe auf den Papst

Bettina Jarasch, die religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, übte ebenfalls scharfe Kritik. Dem Tagesspiegel sagte sie: „Wenn es den Unterzeichnern des Briefs wirklich um Grundrechte wie Meinungs- und Religionsfreiheit ginge, dann müssten sie konkrete Maßnahmen in den verschiedenen Staaten kritisieren.

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Dann würde sich rasch zeigen, dass sich das Vorgehen des amerikanischen Präsidenten Trump, der deutschen Bundesregierung, Kasachstan und weiterer Staaten im Umgang mit Corona kaum über einen Kamm scheren lasse.
Jarasch, die auch Vorsitzende des Pfarrgemeinderats der Katholischen Kirchengemeinde St. Marien Liebfrauen in Kreuzberg ist, bezog sich bei ihrer Kritik auch auf die theologische Gegnerschaft von Kardinal Müller zu Papst Franziskus

Der erzkonservative Müller ist einer der bekanntesten Gegnern des Oberhaupts der katholischen Kirche. Jarasch erklärte, den Unterzeichnern gehe es nicht um die Grundrechte. „Ihr gemeinsamer Feind sind Papst Franziskus und die moderne, liberale Demokratie. Es sind rechte katholische Hardliner, die der Versuchung offenbar nicht widerstehen konnten, sich mit radikalisierten Verschwörungstheoretikern zu verbünden.“

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