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Kein Hinweis auf den Verein am Hauseingang und Briefkasten - und auch nicht im Hinterhaus an der Tür der Wohnung von Uwe Grof, wo der Verein und etliche Firmen ihren Sitz haben.

© Gerd Nowakowski

Unseriöser Seniorenförderclub Berlin: Firmenimperium in der Zwei-Zimmer-Wohnung

Nach Tagesspiegel-Veröffentlichung: Der Vereinsvorsitzende verwischt seine Spuren und Mitarbeiter setzen sich ab.

Nach der Veröffentlichung im Tagesspiegel über die merkwürdigen Aktivitäten des als gemeinnützig anerkannten Seniorenförderclubs Berlin e.V. reagierten die Vereins-Verantwortlichen schnell. Die offensive Spenden-Werbung für das offensichtlich nicht vorhandene „Flotten-Netzwerk“, um alte Menschen zur Impfung fahren zu können, verschwand von der Website.

Büros untergetaucht. Zugleich verschwanden mehrere Mitglieder, die vorher mit Foto und Funktionsangabe Teil des „Teams“ waren, von der Webseite. Der etwa zuvor als „Chief Strategy Officer“ genannte Rüdiger Keil teilt nun auf der Karriere-Plattform LinkedIn mit, er habe seine Tätigkeit für den Seniorenförderclub im April 2021 beendet – nach unserer Veröffentlichung. Keine Spur mehr findet sich auf der Webseite nun auch von den vorher aufgeführten Büros des Vereins in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern, die eine bundesweite Verankerung des Seniorenförderclubs suggerierten.

Uwe Grof: Der Vereinsvorsitzende firmiert auch als Immobilienmakler, Journalist, WEG-Verwalter, Mediator, Bausparkassen-Mitarbeiter, Berufsbetreuer, Schuldenberater, Dozent, Networking Experte - und Visionär
Uwe Grof: Der Vereinsvorsitzende firmiert auch als Immobilienmakler, Journalist, WEG-Verwalter, Mediator, Bausparkassen-Mitarbeiter, Berufsbetreuer, Schuldenberater, Dozent, Networking Experte - und Visionär

© privat

Der Seniorenförderclub wirbt mit einer Vielzahl von Angeboten für die Förderung von älteren Menschen – von Altenwohngemeinschaften, Tanzgruppe, Computerkursen, Vermittlung von Pflegekräften bis zur Impfbegleitung. Tatsächlich residiert der Seniorenförderclub, wie berichtet, in der Waldenser Straße 23 in Berlin-Moabit im Hinterhaus in der kleinen Wohnung des „Vorstandsvorsitzenden“ Uwe Grof. Weder am Hauseingang, dem Briefkasten oder der Wohnung gibt es einen Hinweis auf den Verein.

Dafür haben noch eine Reihe von weiteren Unternehmen ihren Sitz in der Wohnung. Grof, der sich selber unter anderem als Unternehmer, Networking-Experte, Kommunikationsexperten, Schuldenberater, Immobilienkaufmann und Visionär bezeichnet, ist jeweils als Geschäftsführer dieser Wirtschaftsbetriebe angegeben, bislang immer umgeben von den gleichen Personen wie etwa Rüdiger Keil oder Giovanna Spohde, die als „Chief Marketing Officer“ beim Seniorenförderclub genannt wurde. Dazu gehören Unternehmen wie die Firmen „Avatar Roboter Willi UG i. G“, die Digital Health Consulting, die „Fitbringer UG“ und die „Entlastung für Erben UG“.

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Was im Verein passiert, bleibt undurchsichtig. Stattdessen, so zeigt der Blick ins Vereinsregister, finden sich im 2017 gegründeten Seniorenförderclub Berlin e.V. enge familiäre Verbindungen. So agieren neben Uwe Grof als Vorsitzendem seine Mutter und sein Vater als stellvertretende Vorsitzende. Von verschiedenen Seiten wird der Verein als unseriös eingestuft. Besonders irritierend sind die Einträge für den Seniorenförderclub beim Bewertungsportal Provenexpert. Dort gibt es in insgesamt fünf Kategorien für Qualität, Nutzen, Leistungen, Ausführung und Beratung jeweils ein glattes „Excellent“. Sehr irritierend ist freilich, dass die fünf Belobigungen allesamt von Anfang August 2019 stammen – und sämtlich anonym sind. Das spricht nicht für ein reges Vereinsleben. Ob der Verein seiner Pflicht zur jährlichen Vorlage eines Rechenschaftsberichts sowie zur Verwendung von Einnahmen und Spenden nachgekommen ist, will die Finanzverwaltung Berlin mit Hinweis auf das schützenswerte „Steuergeheimnis“ nicht beantworten.

Dem Tagesspiegel teilte Uwe Grof mit, dass er vom bezirklichen Gesundheitsamt in Mitte Adressen von älteren Menschen erhalte, um für diese einen Impftermin zu organisieren. Dem wird vom Gesundheitsamt entschieden widersprochen. Besonderes Misstrauen erzeugt die Verknüpfung des Seniorenförderclubs mit der Firma „Entlastung für Erben UG“. Dort wird von Grof eine Vielzahl von Dienstleistungen rund um einen Erbfall angeboten – von der Haushaltsauflösung bis zum Immobilienverkauf. Uwe Grof hantiert dabei mit falschen Behauptungen. Auf der Webseite des Seniorenfördervereines wird betont, man unterstütze Senioren „einschließlich der gesetzlichen Berufsbetreuung – beantragt beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg“.

Auf der Webseite der Firma „Entlastung für Erben UG“ bezeichnet Grof sich sogar ganz direkt als „Berufsbetreuer“. Dies ist eine offizielle Position bei der Betreuung von weitreichend gehandikapten oder geschäftsunfähigen Menschen mit weitreichenden Kompetenzen, zu der man vom Bezirk und vom Amtsgericht nach Überprüfung bestellt wird. Weder der Seniorenförderclub noch Uwe Grof „sind der Betreuungsbehörde in Person bekannt“, teilt Matthias Steuckardt, zuständiger Bezirksstadtrat von Tempelhof-Schöneberg dazu mit: Auch „liegt kein Antrag auf Zulassung als Berufsbetreuer vor.“ Auch beim Bezirksamt Mitte, wo der Verein seinen Sitz hat, wird „ausgeschlossen, dass der angeführte Verein oder eine einzelne Person eine Berufsbetreuung oder Vereinsbetreuung führen“. Grof werde auch nicht als ehrenamtlicher Betreuer geführt.

In Mitte wie auch im Bezirk Steglitz-Zehlendorf gehörte Grof in der Vergangenheit der bezirklichen Sozialkommission an, deren Mitglieder zumeist hochbetagten Menschen im Namen des Bezirksamts zum Geburtstag Grüße überbringen. Das habe er genutzt, um mit den Senior*innen Vorsorgeverträge mit weitreichen Vermögensvollmachten abzuschließen, heißt es aus Steglitz-Zehlendorf. Als das bekannt wurde, habe das Bezirksamt zehn Senior*innen davon überzeugt, von diesen Verträgen wieder zurückzutreten. Auf Anzeige sei verzichtet worden, weil kein Schaden entstanden sei. Grof gehört diesen Sozial-Kommissionen nicht mehr an.

Auch Elke Fenster, die Geschäftsführerin der Stadtteilkoordination Moabit West, hat erlebt, dass der Vereinsvorsitzende Uwe Grof seine Dienste als "ehrenamtlich gesetzlicher Betreuer“ für alte und hilfebedürftige Menschen angeboten hat, obwohl er dafür weder qualifiziert, noch wie gesetzlich festgelegt vom Bezirksamt und Gerichten beauftragt gewesen sei. „Wir halten den Verein nicht für seriös“, sagt Elke Fenster.

Was wir bislang berichtet haben, lesen Sie unter https://leute.tagesspiegel.de/mitte/macher/2021/04/14/167508/seniorenfoerderclub-ein-verein-im-zwielicht/?utm_source=TS-Leute&utm_medium=link&utm_campaign=leute_newsletter&utm_source=leute-mitte

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