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Aus dem Gerichtssaal am Dienstag.

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Update

Unglück am Ku'damm: Raser-Prozess: Verteidiger lehnen Richter ab

In Berlin hat ein neuer Mordprozess gegen zwei Sportwagen-Fahrer nach einem tödlichen Autorennen Anfang 2016 begonnen. Ein Verteidiger stellte einen Befangenheitsantrag.

War es Mord? Oder Totschlag? Oder nur fahrlässige Tötung? Der Andrang ist groß, als der neue Prozess um das tödliche Autorennen in der City West beginnt. Wieder sitzen die beiden Männer, die als „Raser vom Ku’damm“ bekannt wurden, im Saal 700 des Moabiter Kriminalgerichts. Knapp eineinhalb Jahre ist es her, dass sie hier fassungslos das erste Urteil hörten: Schuldig des gemeinschaftlichen Mordes. Hamdi H. und Marvin N. gingen in Revision. Mit Erfolg. Als an diesem Dienstag alles auf Anfang geht, wirken sie ziemlich gelassen.

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) im März die Entscheidung der 35. Großen Strafkammer aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung an das Landgericht zurückverwiesen hatte, ist die 40. Große Strafkammer unter Vorsitz von Peter Schuster zuständig. Wie beim ersten Prozess vor zwei Jahren ist das öffentliche Interesse groß. Wie wird so ein Fall gewertet? „Der BGH lässt alles zu“, so der Ankläger.

Mit 170 km/h durch die City West

Dass es ein schwieriger Prozess wird, zeichnet sich noch vor Verlesung der Anklage ab: Anwalt Rainer Elfferding setzt mit einem Befangenheitsantrag die erste Hürde. Sein Mandant Marvin N. habe Besorgnis, dass die Richter nicht unvoreingenommen seien, eine erneute Verurteilung wegen Mordes bereits feststehe, begründet er, spricht sogar von einer „unverhohlenen Missbilligung“ des BGH-Urteils.

Unstrittig ist die Raserei. Hamdi H. und Marvin N., inzwischen 29 und 26 Jahre alt, haben sich in der Nacht zum 1. Februar 2016 ein Autorennen geliefert, mitten in der Stadt, auf dem Kurfürstendamm. Mit bis zu 170 Kilometern pro Stunde über elf Ampeln, die zumeist auf Rot standen.

Bis es zweieinhalb Kilometer später zum Unfall kam. Es war 0.40 Uhr, als ein Jeep bei für ihn grüner Ampel an der Tauentzienstraße auf die Kreuzung rollte. Der Audi von H. rammte den Geländewagen von Michael Warshitsky, bohrte sich in die Fahrertür. Der Jeep wurde 70 Meter weit geschleudert. Der 69 Jahre alte Fahrer starb noch in seinem Wagen.

Einer der Angeklagten im Gerichtssaal.
Einer der Angeklagten im Gerichtssaal.

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Hamdi H. grinst mehrfach in Richtung Zuschauer

„So eine Raserei ist ein Terror auf der Straße“, sagt Maximilian Warshitsky. Der 37-jährige Sohn des Getöteten ist wieder als Nebenkläger mit im Saal. Ein schwerer Gang. „Die Gefühle kommen wieder hoch, aber ich weiß, es muss sein.“ Weil er Gerechtigkeit möchte und auch etwas gegen Raser bewirken. „Ich hoffe auf einen Abschreckungseffekt für notorische Raser.“ Im Saal sucht er Blickkontakt zu den Angeklagten. Sie lassen es nicht zu. Hamdi H., zuletzt ohne Job, grinst mehrfach in Richtung der Zuschauer. Marvin N., Ex-Bundeswehrsoldat und zuletzt Security-Mitarbeiter, fallen mehrfach die Augen zu.

Den bundesweit ersten Schuldspruch wegen Mordes gegen Raser hatte der BGH im März aufgehoben. Die Karlsruher Richter sahen einen bedingten Tötungsvorsatz nicht ausreichend belegt. Ende März sorgte die nun zuständige Strafkammer für Aufregung bei den Anwälten von Marvin N. aus Marzahn: Die beantragte Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde abgelehnt. Nach vorläufiger Prüfung gehe man davon aus, dass sich die Feststellungen aus dem ersten Prozess „in entscheidungserheblichen Punkten bestätigen werden“, hieß es zur Begründung.

Ein Beschluss, der nun zu dem Befangenheitsantrag führt. Mit schweren Vorwürfen: Die jetzigen Richter könnten versuchen, „die Kollegen von der 35. Kammer zu rehabilitieren“. Über den Antrag muss nun eine andere Strafkammer entscheiden. Bis Freitag soll das geschehen.

Richter Schuster gibt dennoch Gas: Gegen den Willen der Verteidiger wird noch am ersten Prozesstag die Mordanklage verlesen. Hamdi H. und Marvin N. schweigen, wie im ersten Prozess. Bislang ist die Befragung von 36 Zeugen geplant. Mit einem monatelangen Prozess wird gerechnet. Er wolle „offen verhandeln“, sagt Richter Schuster. Und gründlich prüfen. Er weist die Angeklagten darauf hin, dass im Falle eines Schuldspruchs auch gemeinschaftlicher Totschlag in Betracht komme.

Kerstin Gehrke

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